Zwei Jahre nach seinem Tod zeigt ein posthumes Album Michael Hutchence von einer verletzlichen Seite


Noch immer sind die Umstände, die zum Tod von Michael Hutchence am 22. November 1997 führten, nicht vollständig geklärt und Anlaß für allerlei schlüpfrige Spekulationen. Daß nun, rechtzeitig zum zweiten Todestag, ein neues Album erscheint, ist nach Meinung seines Produzenten durchaus legitim und moralisch vertretbar – denn diese Platte war, im Gegensatz etwa zu posthumen Veröffentlichungen eines leff Buckley, bereits zu 90 Prozent fertiggestellt. „Sein Anruf kam völlig überraschend“, erinnert sich Andy Gill, der mit Hutchence die meisten Songs auf diesem Album schrieb und produzierte. „Er fragte, ob ich nicht Lust hätte, bei den neuen Songs Gitarre zu spielen. Als ich zusagte, rief er zehn Minuten später wieder an und meinte: ,Was ich eigentlich fragen wollte – kannst du kommen und ein paar Songs mit mir schreiben?‘ Das war typisch für ihn, denn er war im Grunde genommen schüchtern und unsicher.“ Gill verbrachte die meiste Zeit der nächsten sechs Monate mit Hutchence. „Zuerst bin ich in sein Haus in Südfrankreich gefahren, und wir haben Ideen durchgespielt.“ Nach sechs Monaten kam mit Danny Saber ein weiterer Produzent dazu. Zehn Songs entstanden so im Team und waren bereits fertig abgemischt, als sich Hutchence auf die Arbeit zum letzten INXS-Album („Elegantly Wasted“) konzentrierte und mit der Band auf Tour ging. „Zwischendurch kam er immer wieder nach London in mein Studio, um an seinem Album weiterzuarbeiten. Dabei entstanden die vier Songs, die unvollendet blieben.“ Leben und Arbeiten in Ixjndon wurde für Hutchence allerdings zum Spießrutenlauf – die Medien hatten sich auf ihn und seine Lebensgefährtin Paula Yates eingeschossen; Yales Ex-Ehemann Bob Geldof kämpfte öffentlich um das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder. „Michael konnte nirgends mehr hingehen, ohne daß ihn aus irgendeiner Ecke ein Fotograf anprang“, erinnert Andy Gill sich, „seine gute Laune zu Beginn unserer Arbeit verschlechterte sich zusehends. Es häuften sich die Zeiten, in denen er depressiv, fast schon paranoid wirkte. Die ständigen Angriffe der englischen Presse und der gerichtliche Streit um Paulas Kinder machten ihm schwer zu schaffen – er sah kein Licht am Ende des Tunnels.“ Nach seinem Tod blieben die Bänder ein lahr lang unbearbeitet liegen – diverse Rechtsstreitigkeiten um das Erbe verhinderten die Weiterarbeit. Erst Ende letzten Jahres bekam Andy Gill das „Go“ für die Fertigstellung des Albums: „Die Texte reflektieren seinen Gemütszustand während der Aufnahmen und erklären, was er für Paula auf dereinen und Bob auf der anderen Seite empfand. Diese Songs sind die Fenster zu seiner Seele.“ Die fehlenden Instrumentalteile ergänzten Gill und Saber gemeinsam, für „Slide Away“ gewannen sie Bono von U2: „Das war unsere Art, auf Wiedersehen zu sagen.“ Was immer man von CD-Veröffentlichungen verstorbener Musiker halten mag: In diesem Fall ist die Platte geeignet, das Bild von Michael Hutchence zu relativieren und an seine sensible Seite zu erinnern.