Zu Gast bei Slut, der einzigen Indieband, die im Schloss wohnt
Hau ab da, Pavel! Der pechschwarze Schlosskater nimmt wie jede gewöhnliche Hauskatze immer genau den angewärmten Platz ein, der eigentlich nur für den Gang zum Kühlschrank aufgegeben wurde. Auch sonst benimmt sich im außen vom Zeitzahn angenagten, innen künstlerisch bunten Anwesen keiner besonders herrschaftlich. Der offiziell im deutschen Schlösserverzeichnis vermerkte Kasten schräg gegenüber des Dorffriedhofs hat ja auch schon bessere Zeiten erlebt. Vielleicht erlebt er seine beste aber auch jetzt und heute, beherbergt die Schloss-WG doch seit vier Jahren zwei Fünftel einer richtigen Popband, bekannt aus Film und Fernsehen. Schloss Westerhofen, 15 Autominuten nördlich von Ingolstadt, ist nämlich Heimat und Arbeitsplattform von Slut (und daneben auch für die Bruderkapelle Pelzig sowie das Payola-Label).
Bloß kein Aufhebens, kein Abheben. Bei Bäcker und Metzger werden die Bandmitglieder nur die „Buam von der Kapäll’n“ genannt. Man sei auf jeden Fall „assimitiert“ im Um-die-1000-Seelen-Dorf, stellt Bassist Gerd Rosenacker mit einem gewissen Stolz fest. Der Bauer kennt sie Lieh wargerade mit dem Traktor auf dem Fetd und habe euer Lied gehört – im Radio!“] und auch jener Herr, der das Gespräch im Getränkemarkt suchte: „Ihr seid’s doch die von der Kapäll’n!? Weil, mei Bua, der war bei die Heiligen Drei Könige dabei. Is a schöne Musi, muss i wirklich sang … Also, servus!“ Bitte? Doch Gitarrist Rainer Schaller erinnerte sich schnell wieder. Tatsächlich hatte er mangels Süßigkeiten dem Bittsteller-Trio damals beim Feiertags-Rundgang drei Maxi-CDs mitgegeben. Merke: Der lokale Ruhm schleicht auf sanften Pfoten.
„Grüß Gott!“ die Ortsdurchfahrt rauf und runter, der „lausigste Maibaum von ganz Bayern“ gleich ums Eck, wie sich Gerd tatsächlich ein wenig echauffiert.Das Wissen, dass man hier hingehört. Slut ist das wichtig. Nach einem schwülen, lauten Festivalnachmittag, dem die Dämmerlicht-Melancholiker weiterhin nur wenig abgewinnen können, ganz besonders. „Aber was soll man denn sonst den ganzen Sommer lang machen?!“, fragt Nesthaken Matthias Neuburgerund zuckt mit den Schultern. Und so schlimm sei das ja nun auch wieder nicht. Doch vor allem Rainer liebt als Heimkehrender sein Schloss, „wenn man hier runtergeht und niemanden mehr sieht. Bei mir liegt es wohl auch daran, dass ich auf dem Land aufgewachsen bin. Er deutet vage in Richtung Kühlschrank: „Gleich dort hinterm Wald.“
Das böse Klischee. Aber weil es nicht mehr ist als die plausible Neigung zur Zurückgezogenheit, die hinter der Verhaftung im Überschaubar-Ländlichen steckt und mit Weltfremdheit nurvon tatsächlich weltfremden Metropol-Monopolisten verwechselt wird, lauschen Kritiker umsonst nach Provinzialität in der Musik dieser Band. Für Slut taugt.das lappig gewordene Etikett „Indiepop“ schon lange nicht mehr. Spätestens seit dem in bis zu 60 Spuren badenden Konzeptwerk „Lookbook“ wird man so ihrer Arbeit nicht mehr gerecht. Und auch nicht dem neuen Album „Nothing Will Go Wrong“. Trotz frisch und frei, wie früher aufkrachender Gitarren.
Wir sind früh dran und stellen Sänger und Songautor Christian Neuburger somit noch unbekümmert jene Frage, die Slut noch oft hören werden: Wieso krachen sie wieder, die Gitarren? Warum hat sich die Band nicht weiter ihrem Talent der anspruchsvollen Arrangierkunst verschrieben? Wo bleibt ihr. „Sgt. Peppers Lonely Provinz Club Band“? Christian erzählt vom letzten Jahr, das Slut fast zur Hälfte auf Konzertbühnen verbrachten. Dabei habe man einfach festgestellt, „dass die Songs, die auf der Gitarre entstanden sind oder von ihr dominiert werden, mehr Spaß machen. Wir wollten auch keine bessere, sondern eine andere Platte machen als ‚Lookbook‘.“ Die sei „kopfgesteuert gewesen, was ja nicht schlimm sein muss. Aber die Neue kommt definitiv aus einem anderen Körperteil – Bauch oder wahlweise Arsch.“
www.slut-music.de