Zicke Zacke
Das Vorurteil steht unerschütterlich und fest wie die Chinesische Mauer: Bundesdeutsche Musiker sehen meist aus wie ihre eigenen Roadies. Stil, Mode, Image sind Fremdwörter. Die ehrliche Rockhaut schwitzt bevorzugt in karierten Baumwollhemden und trägt das Haupthaar schütter. Ganz anders Dirk Schlömer: dunkelblonde Lockenpracht, blaugraue Augen, nur 66 Kilo auf einsachtzig verteilt, Naturpelz auf der Brust, ein Kerl wie Samt und Seide. Aber ZIKATO, so der nom de plume des Kölners, hat nicht nur looks, sondern auch brains. Man kann mit ihm über DaDa parlieren, ohne rot zu werden, Nietzsche oder Rimbaud zitieren. Am allerliebsten philosophiert Schlömer zur Zeit über Zikatos gloriose Zukunft, die mit der bei der WEA veröffentlichten Single „Wild wie der Mond“ gerade begonnen hat.
Tatsächlich — man darf gespannt sein. Schlömer, als Youngster bei der erfolglosen Formation „The Cöln“, als zweiter Gitarrist zwei Jahre lang bei den legendären Scherben, macht deutschem Pop Beine, flotte Tanzrhythmen, Funk, schwebende Keyboards, rasante Bläser, riffige Gitarren…
Bewegt er sich musikalisch noch im von angelsächsischen Vorbildern vorgegebenen Raum, so findet man den Texter im Niemandsland zwischen Nihilismus und Nonsens: „Mit 14 habe ich meinen Glauben an die Kirche verloren, mit IS den an die Wissenschaft, mit 22 den an die Liebe — und nur durch Musik hole ich mir Verlorengegangenes zurück.“
Aber Schlömer, eine Mischung aus schwadronierendem Kaffeehausphilosoph, chicem Twen und biederem Spätzleesser, sucht auch musikalisch nach neuen Wegen. Laut denkt der T. Rex- und Magma-Bewunderer nach über die „Ästhetik des Krieges, einen deutschen Groove und die seltsame Schönheit des zackigen Marschrhythmus“, der seiner Band zur Zeit als Improvisationsgrundlage dient.
Improvisieren, ob mit Worten, Gedanken oder Tönen, ist offensichtlich seine Leidenschaft. Wenig ist bei diesem metaphysischen Sexmaniac sicher —- und, wie es in einem Song heißt, „alles ist wahr.“ So fordert er mit jugendlichem Leichtsinn das Ende moralischer Disziplinierung:
„Meine Moral heißt Stil – Stil als ein äußerer Ausdruck innerer Haltung. Das ist ja das Geile am Rock V Roll: Man kann alles erleben, ms man zuläßt. Es gibt kein Manifest und kein Dogma. Es gibt nur Leute, die’s machen und denen man es abnimmt — oder auch nicht. „