Zensur – Wie politisch darf Rockmusik sein?
Zensur hat es in der Rockmusik immer gegeben. In seiner ersten TV-Show konnte man Elvis nur von der Hüfte an aufwärts bewundern - der Rest war vom Teufel. Mick Jagger wurde untersagt, seinen "Starfucker" auf Vinyl zu pressen. Und Jane Birking brachte mit "Je t'aime" die prüden Gemüter in Wallung. In Deutschland hingegen wird's meist delikat, wenn die Politik ins Spiel kommt...
Ich hau‘ mich auf, daß da nach 40 Jahren so locker .Gib Gas, ich will Spaß‘ auf einem Film-Plakat stehen kann.“ Ein gewisser Zynismus, em Seitenhieb auf die deutsche Überempfindlichkeit im Umgang mit der eigenen Geschichte, ist in Franz Moraks Worten unüberhörbar.
Die deutsche Version seines neuen Albums SIEGER SEHEN ANDERS AUS muß, im Gegensatz zum österreichischen Original, auf eine von Helmut Qualtinger gesprochene Vorrede verzichten. Grund: Morak hat seinen Schauspieler-Kollegen mit der Stimme Hitlers über die „Neue Deutsche Fröhlichkeit“ reden lassen – und damit seine deutsche Plattenfirma in Alarmstimmung versetzt.
Nun kann man dem Burg-Schauspieler unterstellen, daß er weder einen Skandal provozieren noch mit dem Grauen der Vergangenheit kokettieren wollte. “ Wenn ich jetzt frage, warum sind die Deutschen plötzlich wieder so fröhlich geworden, dann hat das für mich Gründe. Und die liegen halt dann begründet, daß die Krise läuft. Modemäßig sind wir in den fünfziger Jahren, bewußtseinsmäßig in den Dreißigern, und die Rufe nach dem starken Mann werden immer lauter. Und das ist das Thema der Platte,“ „Von dem Begriff Zensur möchte ich Abstand nehmen“, so Ingo Stein, verantwortlicher Labelmanager bei der Phonogram in Hamburg. Die Angst vor Mißverständnissen habe die Firma nach Rücksprache mit dem Künstler zu diesem Schritt bewogen. „Wir wollen den Künstler durchkriegen.“ Die Befürchtung bestehe, daß aufgrund der Reiz-Stimme gleich „bei vielen die Klappe fällt“ und damit die ganze Arbeit des Künstlers tabuisiert wird.
Die Spielbarkeit im Rundfunk ist dabei in der Diskussion um textliche Inhalte wesentlicher Aspekt der Argumentation, Man geht davon aus, daß die meisten Redakteure deutscher Rundfunk-Stationen ohnehin die Hosen voll haben, und versucht, ihnen Entscheidungen von vorneherein abzunehmen.
„Ich finde das albern“, reagiert Jörg Ecknch, Redakteur beim Hessischen Rundfunk auf solche Hilfestellung. „Was, wann, wie und wo einzusetzen ist, können wir selbst entscheiden und hängt von unserer eigenen Konflikt-Freudigkeit ab. Und da spielt dann die Überlegung eine Rolle: Ist die Aussage, die dahinter steckt, die transportiert werden soll, den Ärger wert, ja oder nein?“ Von Paranoia und Selbst-Zensur also scheinbar keine Spur. Andere Beispiele indes sprechen dagegen. Beim Saarländischen Rundfunk etwa war es vor dem 6. März tabu, Ina Deters „Neue Männer braucht das Land“ zu spielen. Und beim RIAS Berlin griff gar Programm-Direktor Prof. Kundler selbst zur Feder, um Ideal-Manager Conny Konzack wissen zu lassen, daß der Titel „Keine Heimat (Wer schützt uns vor Amerika)“ nichts anderes als „Agitprop-Geplärre“ sei, das von den Hörern als „politischer Unsinn“ mißverstanden würde.
Die Beispiele ließen sich fortsetzen‘ Um Programm-Gestaltern beim Rundfunk etwaiges Kopfzerbrechen von vorneherein zu ersparen, gehen die Plattenfirmen auf Nummer Sicher.
Die Schroeder Roadshow, jahrelang alternativ vertrieben vom Trikont Verlag, ging mit der WEA-Musik, mit der man per Handschlag schon vertragseinig war, in den Clinch. Da wurde der Schritt der Schroeders an die Industrie heran von der Plattenfirma als Bereitschaft gewertet, auch textlich Abstriche machen zu wollen.
„In dem Moment, wenn man sich auf eine Gruppe einläßt und den Hintergrund der Gruppe kennt, weiß man ja, was man einkauft. Wenn einer Plattenfirma im Vorfeld etwas zu heiß ist, verpflichtet sie niemand, das überhaupt erst zu machen“, so Hage Hein (Shitmann & Blau), Intimus der Roadshow, über das Hm und Her mit der Company, die die fertige Platte mit dem Hauptargument ablehnte, daß sie in der vorliegenden Form die zu zahlenden Produktionskosten nicht einspielen würde.
„Darüber hinaus gab es auch politische Bedenken, aber die waren nicht der Hauptaspekt“, sagt WEA-Mitarbeiter Peter Kopeke.
„Es ging doch ganz eindeutig um einige Textzeilen, die korrigiert werden sollten. Die haben uns von der Rechtsabteilung unterjubeln wollen, das sei zum Teil verfassungsfeindlich und Aufruf zur Gewalt“, erzählen die Musiker (erfolgreichstes Album: ANARCHIE IN GERMONEY).
Hage Hein: „Bei Komm Komm“ (Textzeile: „Komm, komm wir reißen die Stadt an die Erde/jetzt gleich/und machen sie dem Erdboden gleich.“) war der Siggi Loch (bis kürzlich Geschäftsführer der WEA) knüppelhart: Dieses Ding nur über meine Leiche.“ Zwei Zeilen, die ursprünglich auch beanstandet wurden, heißen: “ Wir lieben das Land, doch der Staat muß weg.“ Fritz Rau, der mit Co-Promoter Hage Hein die Schroeders und Ton Steine Scherben auf große Deutschlandtournee schickt:
„Das hat mit Verfassungs-Feindlichkeit nichts zu tun. Das ist dichterische Freiheit, die nicht zur Revolution aufruft; sondern mit Staat ist gemeint staatliche Willkür oder staatliche Überlagerung.
Ich habe keine Bedenken, Schroeder Roadshow auf die Bühne zu stellen. Selbst wenn ich nicht immer alles unterschreiben kann, was Künstler singen. Nur: Für die Freiheit, daß da gesungen wird, da stehe ich auf und ich betrachte den Konzertbesucher als mündigen Bürger.“ Manfred Schweikert von der EMI, bei der die zunächst abgelehnte LP WIR LIEBEN DAS LAND unzensiert erscheint, schlägt in die selbe Kerbe:
„Selbstverständlich sind wir der Meinung, daß die Künstler diejenigen sind, die die Musik und die Texte machen. Außerdem sollte man nicht wie das Kaninchen auf die Schlange auf gewisse Vokabeln warten, sondern, sich insgesamt mit der Gruppe auseinandersetzen, sehen, wie ist das gemeint, reden mit der Gruppe, mehr davon hören.“ Achim Hebgen, Redakteur beim Südwestfunk: „Das Problem ist eher die ästhetische Provokation als die inhaltliche, d. h. wenn du politisch brisante Aussagen in Verbindung mit provozierender Ästhetik bringst (Beispiel: Goebbels/Harths ,Berlin, Kudamm‘), dann kannst du Schwierigkeiten bekommen.
Wenn es aber gut verpackt ist, dazu noch melodiös wie beispielsweise Danzer, der ja nicht unproblematisch ist, dann provoziert es keinen Ärger.“ Künstlerische Freiheit kann sich also zunächst einmal derjenige Künstler leisten, der einen von der Öffentlichkeit akzeptierten formalen Rahmen erfüllt. Wer da nicht konform ist, hat größere Probleme. Vorsicht ist schließlich geboten. Niemand möchte in ein Fettnäpfchen treten.