Zeitlupe
Juli 1985 zusammengestellt von Ernst Hofacker und Uwe Schleifenbaum Welthungerhilfe Live Aid: In London und Philadelphia singen die Stars der Popszene für einen guten Zweck
Als Francis Rossi in der mittäglichen Gluthitze dieses 13. Juli die ersten Akkorde des Status Quo-Gassenhauers „Rockin’All Over The World“ anschlägt und damit das Startsignal für „Live Aid“ gibt, ist dies so symbolisch wie programmatisch: Im Londoner Wembley Stadion und in der John F. Kennedy Arena in Philadelphia findet an diesem Samstag die wohl größte Pop-Heerschau aller Zeiten statt. Nicht weniger als 60 Künstler stehen in diesen sechzehn Stunden auf den beiden Bühnen, darunter praktisch alles, was Mitte der 80er Jahre in der Szene Rang und Namen hat. Mehr als 100 Länder sind via Satellit zugeschaltet, gut anderthalb Milliarden Menschen können das gigantische Spektakel an den TV-Bildschirmen verfolgen – soweit die nackten Fakten. Die Idee zu „Live Aid“ hat Bob Geldof. Der Kopf der Boomtown Rats („I Don t Like Mondays“), die zu diesem Zeitpunkt ihren Zenit längst hinter sich haben und kurz vor der Auflösung stehen, sieht im Oktober ’84 einen Fernsehbericht der englischen BBC, der von den tragischen Folgen der Hungersnot in Äthiopien berichtet. Die Bilder schocken den Musiker so sehr, dass er spontan den Entschluss fasst, zu helfen. Geldof trommelt in kürzester Zeit ein veritables Star-Ensemble zusammen, schreibt einen griffigen Popsong, nennt das Projekt „Band Aid“ und landet so mit „Do They Know It’s Christmas?“ den Weihnachtshit 1984. Sämtliche Einnahmen spendet er für die Hungerhilfe in Afrika. Die Amerikaner ziehen nach und liefern wenig später mit „We Are The World“, entstanden unter maßgeblicher Beteiligung von Quincy Jones und dessen Schützling Michael Jackson, das transatlantische Hit-Gegenstück. Im Frühling ’85 taucht die Idee auf, mit einem zeitgleich stattfindenden Festival auf beiden Seiten des Atlantik im großen Stil die Kräfte aller guten Popmenschen zu bündeln. So stehen am 13. Juli unter anderem Bob Dylan, Madonna, Mick Jagger, Queen, Tina Turner, George Michael, Paul McCartney, The Who, Dire Straits, Eurythmics, Elton John, Keith Richards, Ronnie Wood,Tom Petty, U2, David Bowie und sogar die nur für diesen Anlass reformierten Led Zeppelin auf der Bühne. Die bis heute einmalige Aktion hat durchschlagenden Erfolg: 120 Millionen Dollar werden für die Hungernden in Afrika erlöst. Geldof selbst wird ein Jahr später von Elizabeth II. zum Ritter geschlagen. Und neben der Nominierung für den Friedensnobelpreis bringt „Live Aid“ seinem Initiator auch den hämischen Ehrentitel „Saint Bob“ ein – die raue britische Presse kehrt schnell und ohne Sentimentalitäten zurück. An jenem sonnigen Samstag im Sommer aber schien Pop für einen kurzen Moment tatsächlich die Welt bessern zu können.