Tanzen, Weinen, Lieben: Wieso Lykke Lis „Youth Novels“ eines der besten Alben überhaupt ist
Klingt wie ein Max-Giesinger-Song, ist aber viel mehr als das: Vor genau zehn Jahren erschien Lykke Lis Debüt-Album YOUTH NOVELS. Unsere Autorin gerät heute noch ins Schwärmen.
Es gibt Momente, da überkommt einen selbst mit zarten 27 Jahren das Gefühl: „Man, bist du echt schon so alt?“ Etwa, wenn man eher zufällig feststellt, dass das erste Album der schwedischen Sängerin Lykke Li, YOUTH NOVELS, am 30. Januar 2018 sein zehnjähriges Erscheinungs-Jubiläum feiert.
Ja, richtig gehört. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass dieses Album, dass ich irgendwo zwischen wild-zahm-harmlosen Abifeten und nahendem Studienbeginn entdeckt habe, eines der besten Pop-Platten der vergangenen Dekade ist. Ich höre es jetzt noch regelmäßig – und es kriegt mich immer wieder aufs Neue.Das liegt zum einen an dieser wunderschönen, verzehrenden Traurigkeit in Lis Stimme. Aber zum anderen auch an den experimentell, manchmal schroff zusammengebastelten Klängen und nicht zuletzt auch an den Songtexten, die einem das gesamte Gefühlsspektrum von Himmelhoch-jauzend bis tragisch-traurig durchleben lassen. Aber eins nach dem anderem.
Der Song am Anfang
Die Faszination für Lykke Lis Musik hat bei mir mit dem Song „Little Bit“ angefangen (jetzt noch ein MUSS auf meiner Allrounder-Playlist).
Die erste Single der damals noch recht unbekannten Schwedin hatte einfach alles, was mein 17-jähriges Ich aufhorchen ließ. Zaghaft war der Gesang, die Melodie hatte etwas Leichtes und doch war der Text klar und bestimmt. Obwohl der Song versucht, ein Gefühlschaos in Worte zu fassen. Das Stück ist erhaben und arty zugleich.
„I would give anything, anything, to have you as my man.“ aus: „Little Bit” von Lykke Li
Diese Frau weiß, was sie will – und wer findet das nicht vor allem eins, nämlich unglaublich cool? Eben. Und dass diese Single nur der Anfang, eine Art Einführung in eine noch viel größere Welt der Lykke Li ist, wird schnell klar, wenn man das restliche Album hört.
Viele Facetten, alles in einem
Ein bisschen ist es so, als wandle die damals 21-jährge Schwedin für ihr Debüt auf den Spuren von Kate Bush. Wer die Nachfolgeralben WOUNDED RHYMES (2011) und I NEVER LEARN (2014) kennt, weiß, dass das aber nicht ganz richtig ist. Li hat sich einen facettenreichen Stil irgendwo zwischen Avantgarde-Pop, Folk und sphärischer Filmmusik erarbeitet – immer nah am Mystischen.
Sogar mit Twin-Peaks-Schöpfer David Lynch hat sie 2013 einen Song aufgenommen: „I’m Waiting Here“. Die Single zeigt die zarte, zerbrechliche Seite der Sängerin, die man auch schon auf YOUTH NOVELS hören kann.
Auf YOUTH NOVELS bekommt man gleichzeitig aber auch eine andere Seite von Lykke Li zu hören. Eine, die sich devote Liebhaber zu Eigen macht („I’m Good, I’m Gone“) und sich vollkommen im Griff hat („Everybody But Me“). Und genau dieses zwiegespaltene, manchmal nah am Borderline-kratzende Facettenreichtum der Platte ist so schlichtweg faszinierend. So sehr, dass ich darauf wette, würde jemand heute im Jahr 2018 diese Platte zum ersten Mal hören, er oder sie fände es aufregend und noch immer genauso spannend wie vor zehn Jahren. Und so etwas schaffen nicht viele Künstlerinnen und Künstler.
Und was kam nach YOUTH NOVELS?
Dass Lykke Li mit einem mäßig-guten Magician-Remix ihres Songs „I Follow Rivers“ 2011 einen Sommerhit landete, hat die halbe Welt mitbekommen (auch wenn es an dieser Stelle nochmal gesagt werden muss: Der eigentliche Tonus des Song wurde zerstört!).
Mittlerweile ist Lykke Li 31 Jahre alt, lebt mit ihrem Partner, dem Produzenten Jeff Bhasker (Kanye West, Jay-Z) in Los Angeles und ist Mutter eines einjährigen Sohnes. 2017 versuchte sich Lykke Li auch als Schauspielerin. Im Film „Song To Song“ von Terrence Malick spielte sich die Freundin von Ryan Gosling.
Der Musik bleibt sie aber treu. Sie ist Teil des Künstlerkollektivs INGRID, dass sie gemeinsam mit Björn Yttling von Peter, Björn & John und anderen schwedischen Musikern ins Leben gerufen hat. Gemeinsam mit Björn Yttling, ihrem Partner Jeff Bhasker sowie den Miike-Snow-Mitgliedern Andrew Wyatt und Pontus Winnberg gründete sie 2016 die Band Liv (schwedisch für „Leben“). Seitdem veröffentlichten sie eine Reihe von Songs, zuletzt die Single „Hurts to liv“. Ein Album ist in Planung.
So hat YOUTH NOVELS übrigens in der Rezension vor zehn Jahren abgeschnitten: