Zehn Jahre neben der Spur


„Tracks "das Popkulturformat auf arte, feiert Jubiläum. Das Geheimnis des Alters: über Pop berichten, ohne Pop zu sein.

Noch immer weinen Popfeuilletonisten dem Untergang dessen nach, was sich einst eher zu Unrecht „Musikfernsehen“ nannte, pulen in den Ruinen von Viva und MTV zwischen Handygames-Reklame, Anrufshows und Gossip nach ge nießbaren Pop- und Gegenwartskulturresten, als wären die dort früher in der Primetime gelaufen. Schon wahr, vor einigen Jahren noch erstrahlte in raren Momenten die Perle eines außergewöhnlichen Clips inmitten des bedrückend Üblichen. Das passiert heute nichtmehr, schon weil das Musikfernsehen a. D. kaum noch Musik sendet. Deshalb aber sind die guten Clips nicht verschwunden – sie perlen jetzt eben im Web 2.0. Und es gibt, mehr denn je, gute Musik, wunderbare Künstler, echte, vitale, bekloppte, begeisternde Popkultur. Nur bildet das Fernsehen sie halt nicht ab. Was macht das schon? Es ist also bestenfalls eine Randnotiz, wenn eine Sendung, die die Popgegenwart zum Thema hat, zehnten Geburtstag feiert. Ganz klar: Ohne „Tracks“ (donnerstags, 23.55 Uhr, arte) wäre alles genauso gut und schön und schlimm. Marie-Anne Iacono, Redakteurin im Straßburger Büro des Senders, ist das wohl bewusst: „Auch wenn Vinyl erst der CD und nun MP3 weichen muss, das Wichtige ist doch, weiterhin alle Entwicklungen zu verfolgen, egal auf welchem technischen Träger. Hauptsache, Sound und Inhalt kommen rüber.“ „Entwicklungen verfolgen“, das klingt nach alter Journalistenschule, nach „Immer dabei sein, nie dazugehören “ (Hajo Friedrichs). So ist es auch gemeint: „Tracks hat es immer vermieden, zu nahe an Gewerbegebieten rumzuhängen „, erklärt Iacono. „Die Tracks-Karawane macht lieber bei künstlerischen Avantgarden und alternativen Lebensweisen Halt. „Ein ziemlich elitärer und popferner Ansatz, eher 3sat-„Kulturzeit“ als „MTV News“ und damit weitab vom schmalen Streifen Mainstream der Bohlens, Silbereisens und Klums. Unbegreiflich, wie sich so was all die Jahre im Programm halten konnte. Vielleicht wei! zu nachtschlafender Zeit kein Fernsehgewaltiger mehr guckt? Weil „Tracks“ auch ein Kind des Proporzes ist, produziert in Frankreich und Deutschland und dort abwechselnd von ARD und ZDF? Weil es senderinternen Zündstoff liefert, der aber in positivem Wettstreit „Tracks“ inhaltlich nach vorne bringt, statt es in Harmoniebrei versumpfen zu lassen? Iacono fin det Charlotte Röche, die Moderatorin der ZDF-Produktionen, „ärgerlich“, ohne das weiter auszuführen. Muss sie auch nicht: „Tracksgenießt das Leben in vollen Zügen, und die Konkurrenz macht uns keine Angst.“ Es gibt ja keine. Und für den Fall, dass das Fernsehen sich irgendwann nicht mal mehr „Tracks“ als popjournalistisches Feigenblatt leisten mag (worauf es derzeit keine Hinweise gibt), baut die Redaktion vor: „Wir arbeiten daran, beim nächsten Geburtstag die Verbreitung auf neuen Sendewegen (GSM, Streaming, Podcast…) feiern zu können.“We das geht? Pop itself hat es vorgemacht. Sebastian züger Alles über „Tracks“, die Sondersendung zum Jubiläum (am 19. April um 22.20 Uhr) und die Zuschauerwahl der zehn besten Reportagen auf: >» www.arte.tv/tracks