Reportage

Von der „Bravo“ in die „Bauernstuben“: So treffen sich Worlds Apart mit ihren treusten Fans


Die 90er sind wieder da: Die Kellys feiern ein großes Comeback mit Album und Europatournee, Take That sind erfolgreicher denn je. Worlds Apart aber treten in einem Schnitzelhaus am Rande Berlins auf. Wir waren dabei. Ein Abend mit den Überbleibseln der britischen Boyband und ihren Hardcore-Fans, Gruppenkuscheln und Gänsekeule inklusive.

Heute wird eine neue Erinnerung geschaffen

Weil Worlds Apart nicht genug eigene Hits hatten, füllen sie ihr Abendprogramm neben Weihnachtsliedern mit Coverversionen auf. „Wake Me Up Before You Go-Go“, „Rock DJ“, „Uptown Funk“. Auch die ehemalige mutmaßliche Konkurrenz Caught In The Act und Take That sparen sie nicht aus. „I’m up all night to get lucky“ singt Cooper immer wieder, und wüsste man nicht, dass die beiden und ihre Fans längst selbst Familie haben, man würde diesen Wunsch wörtlich verstehen wollen. Zu Bon Jovis „Livin’ On A Prayer“ („Are you ready for some rock? Zieht Eure Lederstiefel an…“) erzählt Cooper, dies sei seine erste Vinylsingle gewesen, die er sich als Kind kaufte. Aber das interessiert hier keinen. Hört man sich um, geht es immer wieder bloß darum, dass „sie so nett und so nahbar sind“ und „immer schon besonders waren“, was man eben über seine Lieblingsband so sagt, wenn es über sie nicht viel Neues mehr zu sagen gibt. Ja, es geht um die gemeinsame Erinnerung. Heute Abend wird eine neue geschaffen.

Regina, die Mutter von Ivonne und Oma von Leonie, spricht kaum ein Wort Englisch. Sie ist Fan seit sie ihre Tochter einmal zu einem Konzert fuhr. „Schade, dass die Zeit so vergeht“, sagt sie etwa, bevor die Suppe kommt, „Ihr müsst das alles genießen.“ Als die Band endlich an ihren Tisch kommt, freut sie sich übers Bussi, gibt sich einen Ruck und drückt Nathan nochmal fest. Sie selbst erinnert sich an viele persönliche Momente mit Worlds Apart. Zum Beispiel an „früher in Köln“, an die Mädels mit Miniröcken und Sektgläsern, an denen die Band vorbeilief, „die sind lieber zu uns gekommen“. Handyfotos wollte die 54-Jährige heute eigentlich keine machen, weil man den Moment dann weniger genieße. Macht sie natürlich, wie alle Anwesenden, trotzdem wieder. Die nächste Gelegenheit kommt bestimmt, nur wann, das wissen sie noch nicht. Enkelin Leonie vertreibt sich derweil mit dem Smartphone die Zeit. In ihrer Klasse hören viele Shawn Mendes und Ed Sheeran, so genau reden ihre Mitschüler*innen aber nicht darüber. Worlds Apart kennt Leonie nur wegen ihrer Familie, auch sie kann jede Zeile mitsingen. Sie hat Cal eine aus Knicklichtern gebastelte Leuchtbrille als Geschenk mitgebracht. Ihre Mutter Ivonne wird davon später ein Foto auf Twitter posten, ein paar der hier anwesenden Fans werden es liken.

Ein neues Album, eine große Tour? Wollen Worlds Apart nicht mehr machen

Werden Worlds Apart nicht größer gebucht oder wollen sie nicht? Zehn bis 15 Shows geben sie laut eigener Aussage pro Jahr zu dritt. Ein paar mehr Anfragen wären schon schön, gibt Moore zu. Aber eine neue Platte aufnehmen, um, so funktioniert schließlich die Mechanik in der Popindustrie, für eine „richtige“ Tour gebucht zu werden, nein, das wollen sie nicht mehr. Erstens gefällt Moore und Cooper, was sie heute tun. Moore: „Wenn du ein Album herausbringst, geht das mit schrecklich viel Stress einher. Der Wettbewerb. Die Frage, ob und wie hoch es in die Charts einsteigt. All das Geschäftliche, oh mein Gott, das kostet so viele Nerven.“ Cooper: „Ein Wochenende wie das hier ist wie Kurzurlaub: Wir treffen uns mal wieder, kriegen gutes Essen, legen eine tolle Show hin, sprechen danach mit den Mädchen, gönnen uns ein paar Drinks. Danach fliegen wir heim und leben unser normales Leben weiter.“ Zweitens habe das schon vor zehn Jahren nicht geklappt, als man sie zum Best-Of PLATINUM und neuer Musik überredete. „Selbst wenn The Human League ein neues Album herausbringen, spielt längst nicht jeder Radiosender ihre neuen Songs. Damals taten sie das. Heute musst du gegen all die jungen Künstler ankommen. Du stehst vor den gleichen Hindernissen wie damals, nur dass du heute ein alter 80s- oder 90s-Act bist. Im UK spielen sie nicht mal mehr Madonna auf Radio 1“, sagt Moore. „Du musst akzeptieren, dass du bist was du bist. Wir sind nicht mehr der neue junge heiße Scheiß.“