Worlds Apart im Interview: „Hätten wir nur einen Hit der Backstreet Boys abgekriegt, wäre unsere Karriere vielleicht anders verlaufen“
Es gibt Acts der 90er, die heute wieder Alben veröffentlichen und große Shows spielen. Die britische Boyband Worlds Apart nicht. Warum? Wir haben sie gefragt – in einem österreichischen Restaurant am Rande Berlins, auf einem Event für die übrig gebliebenen Fans von früher.
Die 1992 gegründete Castingband Worlds Apart gehörte nach New Kids On The Block, The Backstreet Boys, Take That, N’Sync, East 17, Westlife, Boyzone und so weiter nicht zu den allerberühmtesten Boygroups der 90er-Jahre, kurzzeitig aber zu den erfolgreichsten. Seinen Durchbruch feierte das Trio in Deutschland 1994 mit dem Coversong „Everlasting Love“ und dem Album TOGETHER, es folgten Titelgeschichten in Teenie-Magazinen, Auftritte bei der „Bravo“-Supershow, die Single „Baby Come Back“ sowie zwei weitere Alben, die in Frankreich mehrfach mit Platin ausgezeichnet wurden. Das für den französischen Markt produzierte „Je Te Donne“ – auch ein Cover – gehört dort zu den erfolgreichsten Singles aller Zeiten. In Deutschland wurde das Lied kein großer Hit, so wie Worlds Apart hier ohnehin nie den einen richtigen Hit hatten.
ME: Ihr tretet heute in einem österreichischem Restaurant am Rande Berlins auf. Wie zur Hölle konnte es dazu kommen?
Nathan Moore: Die meisten Einladungen und Buchungsanfragen kommen aus Frankreich. Dort waren wir am erfolgreichsten. Davor standen wir aber bei EMI/Electrola unter Vertrag und waren viel in Deutschland unterwegs. Im Mai dieses Jahres hatten Fans eine Veranstaltung nahe München organisiert. So auch heute. Du musst wissen: Es ist sehr intim, was wir tun. Wir sitzen bei den Fans und reden, singen und tanzen mit ihnen.
Cal Cooper: Wir sind keine Band, die sich von ihren Fans distanziert. Wir reden von uns als „Worlds Apart Family“. Wir sind mit vielen unserer Fans befreundet. Eine Freundin von uns, die zuerst Fan war, lud uns gar zu ihrer Hochzeit ein.
Nimmst Du solche Einladungen an?
Cooper: Ja!
Keine professionelle Distanz nötig?
Cooper: Die Fans verbringen seit Jahren Zeit mit uns. Einige nehmen uns in ihren Autos mit, fahren uns von Mannheim nach Frankfurt oder bringen uns zum Flughafen, wenn die Zeit knapp ist. Was Freunde eben so tun.
Moore: In England leben wir unsere eigenen Leben, mein Alltag hat nichts mit dem hier zu tun: Ich bringe meinen siebenjährigen Sohn zur Schule, kümmere mich um ihn, koche für meine Frau und uns. Am Wochenende singe ich dann auf Events wie diesem hier. Wegen meiner anderen Band, Brother Beyond, eine Achtziger-Band, mit der wir zwei große Hits hatten, werde ich oft für Retro-Shows und Festivals gebucht. Die Briten lieben sowas.
Von diesen Terminen lebst Du also?
Moore: Ja, ich schon.
Cooper: Ich habe eine eigene Firma und verkaufe in Birmingham exklusive Sportwagen, Bentleys, Ferraris, Porsches und so weiter. Schon als Kind hatte ich eine Leidenschaft für Autos. Mir macht der Job Spaß, und manchmal ruft eben Nathan an und sagt: „Cal, wir können eine Show in Berlin geben, hast Du Bock, kommst Du mit?“ Da bin ich dann gerne dabei. Darüberhinaus gebe ich aber keine Konzerte.
Welche Erinnerungen habt Ihr an Eure damaligen Erfolge in Deutschland?
Moore: An Deutschland haben wir nur gute Erinnerungen! Cal wurde zwei Jahre vor mir Mitglied bei Worlds Apart. Hier in Deutschland sah ich ihn damals schon auf dem „Bravo“-Cover.
Hast Du die alten Ausgaben noch, Cal?
Cooper: Ja, sie liegen alle irgendwo zuhause herum. Wir hatten mehrere Cover, aber auf zweien war nur ich alleine zu sehen. Steve und ich spielten auch in einer „Bravo Foto Love Story“ mit.
Wann dachtet Ihr: Okay, größer werden wir hier nicht mehr?
Moore: Die „Bravo“-Supershows waren schon ziemlich groß. Aber es gab auch riesengroße Open-Air-Festivals von Radiosendern, auf denen wir auftraten. „Baby Come Back“ mit Masterboy hat uns unseren Durchbruch in Frankreich beschert. Mit ihnen haben wir immer noch Kontakt, sie treten heute in Mannheim auf. Sie fanden es schade, dass wir nicht dort mit ihnen auf einer 90er-Show auftreten.
Seid Ihr auch mit weiteren 90s-Acts noch befreundet?
Moore: Haddaway haben wir vor einiger Zeit in Paris getroffen. Wir waren Gäste in einer Show, in der es um die Top-30-Songs der letzten 50 Jahre in Frankreich ging, „Je Te Donne“ war darunter. Mit Jim Reeves von Squeezer…
…der vor knapp zwei Jahren nicht weit weg von hier starb…
Moore: … ja, mit ihm waren wir auch befreundet. Und mit Mr. President: Lazy Dee kommt wie wir aus Birmingham. Wir wuchsen dort gemeinsam auf, aßen oft zu Abend. Es ist schwer Kontakt zu halten, weil alle Leben derart auseinandergehen.
2002 hattet Ihr Euch offiziell getrennt. Du wurdest Musikmanager. Machst Du das immer noch?
Moore: Nein. Wenn niemand mehr deine Songs hören will, musst du dir etwas Neues suchen. Unser ehemaliger Manager arbeitete mich ein, aber nach ein paar Jahren wollte ich nicht mehr. Ich wollte lieber wieder auf die Bühne.
Und hattest Glück, dass Du als Sänger von Brother Beyond für eine TV-Show gebucht wurdest.
Moore: Die Retroszene im Vereinigten Königreich wird immer größer. Plötzlich singe ich also immer wieder mal mit Stars wie Kim Wilde, Spandau Ballett, Jason Donovan oder Rick Astley. Mit angesagten jungen Künstlern kann ich nicht mithalten, aber das will ich auch gar nicht.
Ihr würdet also gar kein neues Album aufnehmen wollen, um größer touren zu können?
Moore: Wir genießen heute mehr als früher, was wir tun. Wenn du ein Album herausbringst, geht das mit schrecklich viel Stress einher. Der Wettbewerb. Die Frage, ob und wie hoch es in die Charts einsteigt. All das Geschäftliche, oh mein Gott, das kostet so viele Nerven.
Cooper: Heutzutage musst du dein eigenes Geld investieren. Die Produktion, die Autoren, alle Kosten musst du selbst auslegen. Das würde nicht mehr funktionieren.
Moore: So wie wir heute arbeiten, ist es das pure Vergnügen! Immer wenn wir wiederkommen, feiern uns alle für das, was vor 20 Jahren geschah.
Wegen Eurer anderen Einkommen seid Ihr also auf ein neues Album und größere Shows nicht angewiesen?
Moore: So ist es. Eine Win-Win-Situation!
Cooper: Wir spielen Shows wie die hier und können sagen, dass wir das nicht allein des Geldes wegen tun müssen. Ein Wochenende wie das hier ist wie Kurzurlaub: Wir treffen uns mal wieder, kriegen gutes Essen, legen eine tolle Show hin, sprechen mit den Mädchen, gönnen uns ein paar Drinks. Danach fliegen wir heim und leben unser normales Leben weiter.
„Wir werden nicht um jeden Preis irgendeine neue Single veröffentlichen“ (Cal Cooper)
Hat Euch denn jemals jemand gefragt, ob Ihr ein neues Album aufnehmen möchtet?
Moore: Vor zehn Jahren wurden wir um ein Best-Of mit ein paar neuen Songs gebeten. Wir sagten zu…
… und heraus kam die Compilation PLATINUM.
Cooper: Ja. Es kamen immer wieder mal Leute, die behaupteten, mit uns etwas Neues starten zu wollen. Vieles davon ist nur heiße Luft. Wenn uns nun aber jemand ein tolles Album anbieten würde mit Songs, die uns wirklich stehen – wir würden uns wohl durchaus trauen, sie aufzunehmen. Wir werden uns aber nicht verrenken und um jeden Preis irgendeine Single veröffentlichen. Am glücklichsten waren wir immer auf Tour. Jetzt machen wir das wieder, nur kleiner, seltener und ohne all den Stress drumherum.
Wird es nicht langweilig, immer wieder die gleichen alten Songs zu singen?
Cooper: Heute Abend zum Beispiel werden wir genau das nicht tun. Wir haben Moderneres dabei. Coversongs. Überraschungen für die Fans. Es geht nur um den Spaß. Die Mädchen wollen uns gerne performen sehen, aber sie mögen es auch, dass wir uns zu ihnen setzen, mit ihnen was trinken, über alte Zeiten reden.
Es fehlt Euch also nicht auch an neuen Songs, weil Songwriter Steve Hart in Los Angeles lebt?
Moore: Wir alle schrieben Songs für die Band. Natürlich erschwert es einiges, dass er in Amerika lebt. Du musst aber realistisch sein: Selbst wenn The Human League ein neues Album herausbringen, spielt längst nicht mehr jeder Radiosender ihre neuen Songs. Heute musst du gegen all die jungen Künstler ankommen. Du stehst vor den gleichen Hindernissen wie damals, nur dass du heute ein alter 80s- beziehungsweise 90s-Act bist. In England spielen sie nicht mal mehr Madonna auf Radio 1!
Cooper: Du musst deinen Marktwert kennen und wissen, für wen du spielen würdest. Wer hört deine Musik? Warum sollten wir irgendein Album aufzunehmen, nur um wieder ins Radio zu kommen? Das ist uns nicht wichtig, das hatten wir alles schon. In den vergangenen 20 Jahren haben wir trotzdem ein paar neue Fans gewonnen, weil die Mädchen hier mittlerweile selbst Kinder haben und die zuhause unsere Songs hören.
Moore: Du musst akzeptieren, dass du bist, was du bist. Wir sind nicht mehr der neue junge heiße Scheiß. Und ich habe wirklich kein Interesse daran, ein neues Album aufzunehmen. Warum sollte ich?
Weil so die Popindustrie funktioniert: Mit neuem Album wirst du für größere Touren gebucht, verkaufst mehr Tickets und verdienst damit wiederum mehr Geld als mit Plattenverkäufen allein. Aber das habt Ihr ja anscheinend nicht nötig.
Moore: Ich würde nie wieder länger als zwei Wochen auf Tour gehen. Es funktioniert auch wegen unseren Familien gar nicht anders.
Was Ihr gerade tut, ist also weder eine Reunion noch ein Comeback – Ihr seid einfach around?
Moore: Ja, genau. Wir lassen die Vergangenheit mit unseren Fans wieder aufleben. Es geht darum, den Fans Abwechslung in ihre eigenen Leben zu bringen.
Hin und wieder werdet Ihr doch noch für 90s-Parties gebucht. Hättet Ihr von solchen Anfragen nicht doch gerne ein paar mehr?
Moore: Gerade erst mussten wir aus Termingründen eine große Buchung für kommenden Sommer canceln.
Cooper: Natürlich wäre es schön, ein paar Konzerte mehr zu geben. Es ist aber auch schön, die Wahl zu haben, was wir zusagen und was nicht.
Moore: Ich habe hier nach noch acht weitere UK-Shows im Dezember. Das reicht mir! Wir freuen uns über weitere Buchungen, wenn sie denn passen, und sind nicht traurig, wenn sie ausbleiben.
Größere Veranstalter wollen Euch wahrscheinlich nur zu dritt buchen, was wegen Steve Harts Flugkosten schnell zu teuer werden könnte.
Moore: Das ist manchmal ein Problem, ja. Aber wir hatten Angebote und werden auch wieder welche bekommen.
Cooper: Wir geben vielleicht zehn Worlds-Apart-Konzerte pro Jahr. Sobald Steve einmal hier ist, versuchen wir gleich 2-3 in verschiedenen Städten zu spielen, damit es sich lohnt.
Mal ehrlich: Wart Ihr nie neidisch, dass zum Beispiel die Backstreet Boys viel größer und erfolgreicher wurden als Worlds Apart?
Cooper: Nein. Sie waren fantastische Performer und eine tolle Band. Sie haben den Erfolg verdient, soviel Fair Play muss sein. Manchmal ist es auch nur dieser eine Song, der all den Unterschied macht. Hätten wir einen ihrer Songs abgekriegt, wäre unsere Karriere in Deutschland vielleicht auch ganz anders verlaufen. Wer weiß? Im Rückblick können wir sagen: Ja, natürlich hätten wir immer noch mehr erreichen können. Aber wir können uns nicht beschweren.