Wilco – Yankee Hotel Foxtrot


Ein modulierendes Elektroflirren, ein Drumbeat setzt ein, unentschlossen wieder vertickend in ein seltsam harfiges Sirren wie Weckerrasseln durch kosmischen Halbschlaf; ein Piano taumelt umher, eine Akustikgitarre schrummt verhalten los, „okay“, brummt ein Basston, buum, „dann wolln wer mal“, bu-buuum, das Schlagzeug richtet sich mit einem Ringo-esk verschleppten Wirbel auf, das Piano fasst Tritt, „I am an American aquarium drinker, assassin down the avenue“, singt Jeff Tweedy. Man hat keine Ahnung, was er damit meint. Und es ist großartig.

Schon der Auftakt von YANKEE HOTEL FOXTROT, die genüsslich träge Verzögerung, mit der dieses Album aufwacht, sich berappelt, Fahrt gewinnt und dann langsam abhebt, gehört zu den einnehmendsten Musikmomenten des Jahres. You’ve come a long way, baby: Nach Umwälzungen, vor denen eine weniger entschlossene Band wahrscheinlich kapituliert hätte, nach langwierigem Labelwechsel, weil das Album als „unzugänglich“ abgelehnt worden war, und nach zwei substanziellen Bandumbesetzungen (für Drummer Ken Coomer kam Glenn Kotehe, Gitarrist/Keyboarder Jay Bennett ging] war im April endlich das vierte Wilco-Album da – und erntete Lobpreis v Kritik und ergebener Fangemeinde, Vergleiche mit Radiohead und den Beatles. Ein glorioses Musicbiz-Husarenstück – aber für übermäßige Genugtuung ist Jeff Tweedy wohl ein zu entrückter, in sich gekehrter Charakter.

Eine Aura der Entfremdung, der Entferntheit durchzieht YANKEE HOTEL FOXTROT, ein Album wie ein Blick in den Nachthimmel über dem Gemüt seines Schöpfers. Zwischen den Eckpfeilern des majestätischen Openers „I Am Trying To Break Your Heart‘ und des entschwebenden Finales „Reservations“ spannt sich ein düster verwehtes, zugleich wärmend melodisches Firmament, aus dessen weiten Klangräumen -Post-Rock-Ikone Jim O’Rourke, dem sich Tweedy längst näher fühlt als der alten Alternative-Country-Verwandtschaft, fungierte als kongenialer Mixer – großartige IPop]songs hervordrängen: das feingliedrige „Jesus, etc.“ mit seinen Tindersticks-Streichern, das bittersüße „Heavy Metal Drummer“, das aufgekratzte „I’m The Man Who Loves You“, das Cure-goes-Folk-ige „Pot Kettle Black“, das sich zu einem dramatisch-spukigen Crescendo steigernde „Poor Places“ – alle angehaucht von dem verrauchten Gloom in Tweedys Stimme und seinen enigmatischen Texten. Und mittendrin die Achse des Albums, das herzwringend verlorene, die tiefe Weltmüdigkeit von Neil Youngs „Tired Eyes“ atmende „Ashes Of American Flags“. „I know I would die if I could come back new“, singt Tweedy. Wenn Sie das Partyalbum des Jahres suchen: Das hier ist es nicht. Aber unter Umständen alles andere, was Sie brauchen.