Schade, aber verständlich: Schuld daran, daß sich an eine der tollsten Bands der Jahre 1993/94 schon 1996 kaum mehr jemand erinnerte, waren Oasis bzw. eine Million Journalisten, die nach dem Erscheinen von „Supersonic“ im April 1994 eine neue Epoche ausriefen, in der der Hype vom Herbst zuvor unterging wie eine Ente, der über Nacht Bleifedern gewachsen sind. Gegründet wurde die nach einem Cäsar-Zitat über die Briten benannte Band Anfang 1993 im Bade- und Mods/Rocker-Prügelort Brighton. Sänger/ Gitarrist Alexander Boag. Gitarrist Julian ‚Hooligan‘ Hewings, Bassist Patrick Murray und Drummer Stevie Hussey kannten sich seit Schulzeiten und pflegten gemeinsame Vorlieben: „Bands, die die Vergangenheit in sich einsaugten und was Eigenes hinzufügten“ (Hooligan). Von Anfang an zeigten sie im Spiel mit Medien und Musikindustrie eine hochintelligente, witzsprühende Unberechenbarkeit, wie man sie höchstens von den Manie Street Preachers kannte. Die erste Platte „Wheelers, Dealers & Christine Keelers“ (Dezember 1993) war eine Split-EP mit den Kollegen S.M.A.S.H., mit denen TAM gleich eine neue Stilrichtung aus der Taufe hoben:“.The New Wave of The New Wave“. Die ausgehungerte Brit-Musikpresse stürzte sich begeistert auf die „Bewegung“, die sofort daranging, dem Etikett gerecht zu werden wie die von den Romern gefürchteten Urbriten wüteten die Neopunks über Bühnen und Zeitungsseiten, rotzten, nörgelten, machten haltlose Versprechungen, forderten die sofortige Weltrevolution, pumpten sich bis unter die Augenbrauen mit Aufputschmitteln voll und zertrümmerten, was ihnen an Instrumentarium und Club-Inventar in die Quere kam. „Rock n Roll war nur noch eine Wohttätigkeitsveranstottung, um den Regen wald und 50 Zeug zu retten“, sagte Hooligan 1994. „Wir hatten nichts, also hatten wir auch nichts zu geben.“
Die erste Single „Speeed King“ erschien im März 1994, doch die meisten Läden weigerten sich, eine Platte zu führen, auf deren Cover ein Teller voll Speed und vier Strohhalme abgebildet waren. Erst eine Koppelung mit dem Nachfolger „You’re Not My Babylon“ und einer Liveversion von „Too Sussed“ erreichte im Juni 1994 Platz 39. Als die Band mit Manics-Produzent Dave Eringa ihr Debütalbum aufnahm, war der Spaß fast vorbei. Was der Qualität der Platte keinen Abbruch tut: Von der Explosion „Sharp Kid“ bis zur elegischen Reprise des kolossalen Titelsongs war (ome On Join) The High Society trotz hörbaren Einflüssen (von den Sex Pistols über T.Rex und New York Dolls bis zu den Manics, und in „You’re Always Right“ baute Boag das Solo aus „Another Girl, Another Planet“ von den Only Ones nach) hochmelodisch, originell und mitreißend. Dumm nur, daß die Platte eine Woche nach Definitely Maybe erschien und die Lobeshymnen im Schatten des Lad-Hypes versanken. Platz 62 war das Ergebnis. „How can we fail when we loak so good?“ stand in die Auslaufrillen gekratzt. Die Antwort gab der Markt: Einfach so, Jungs! Die EP „Taxi For These Animal Men“ kroch im März 95 auf Platz 64. „Alle anderen sind Millionäre, bloß wir nicht“, lachte Hooligan. „Wenn du machst, was du willst, weillt du von Anfang an, daß du die Massen nie erreichst.“ Nach „Life Support Machine“ [Platz 62] und „Light Emitting Electrical Wave“ [Platz 72] kam im April 1997 das zweite Album Accident & Emergency, ein vielschichtiges Meisterwerk mit einer charmanten Aura der Orientierungslosigkeit. The World didn’t listen. Im Sommer 1997 gab es These Animal Men nicht mehr. Boag und Hooligan arbeiteten danach mit der Band Mo‘ Solid Gold weiter an ihrer Vision von massenunkompatiblem Rock’n’Roll ein Album lang.
