Wie „Fest & Flauschig“ und „Gemischtes Hack“ den deutschen Podcast-Olymp erobert haben
Zwei Podcasts, zwei Erfolgsgeschichten. Wie konnten sich „Fest und Flauschig“ und „Gemischtes Hack“ zu den meistgehörten Podcasts Deutschlands hocharbeiten?
Aktuell hat jeder, aber wirklich jeder, einen Podcast. Und warum auch nicht? Das Format ist günstig, einfach zu bedienen und irgendwie haben doch alle der Welt etwas zu erzählen. Laut einer Studie von Statista nutzten vergangenes Jahr rund 4,5 Millionen Deutsche Plattformen wie Spotify und Apple Music, um Podcasts zu hören – Tendenz steigend. Im Jahr 2018 führte ein deutscher Podcast die Rangliste der beliebtesten Podcasts auf Spotify an: „Fest & Flauschig“ von Satiriker Jan Böhmermann und Liedermacher/Teilzeit-Fernsehfigur Olli Schulz. Früher noch unter dem Namen „Sanft und Sorgfältig“ auf RadioEins, wechselten Böhmermann und Schulz im Jahr 2016 den Podcast-Titel und zum Streaming-Giganten Spotify. Seit diesem Januar gibt es pro Woche zwei „Fest und Flauschig“-Folgen: Jeweils eine kurze Sendung am Mittwoch („auf die Hand“) und eine ausführliche am Sonntag. Im Jahr 2019 lagen zwei US-Formate an der Podcast-Spitze auf Spotify, doch auf dem dritten Platz folgte „Gemischtes Hack“ von Comedian Felix Lobrecht und Comedy-Autor Tommi Schmitt. Die Beiden starteten ihren Podcast im Herbst 2017 zunächst auf Soundcloud, seit 2019 kann man „Gemischtes Hack“ nur noch auf Spotify hören. Jeden Mittwoch erscheint eine neue Folge, oder wie Schmitt und Lobrecht gerne sagen: „Mittwoch ist Hacktag“. Den Erfolg von „Fest und Flauschig“ und „Gemischtes Hack“ zu erklären ist schwer, da er nicht wirklich greifbar ist. Was beide Formate jedoch verbindet: Ihre Absender reden über alles – und nichts. Das aber so unterhaltsam und lustig, dass man jede Woche aufs Neue wieder einschaltet. Was ist darüberhinaus das Erfolgsgeheimnis der beiden Podcasts?
Ihre schonungslose Ehrlichkeit
In einer Folge von „Gemischtes Hack“erzählt Tommi Schmitt, wie er mit einem Kumpel und dessen kleiner Tochter im Café sitzt. Als die beiden für einen kurzen Moment den Laden verlassen, fasst er den Plan, das Mädchen beim Reinkommen zu erschrecken. Aus dem Augenwinkel bemerkt er eine kleine Gestalt, dreht sich um und ruft laut „Buh!“. Leider stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Person nicht besagte Tochter war. Tommi Schmitt hat einen Kleinwüchsigen erschreckt. Eine Geschichte, die einen so zum Lachen bringt wie es einen vor Entsetzen schüttelt. Diese schonungslose Ehrlichkeit ist ein wichtiger Bestandteil des Erfolges von „Gemischtes Hack“: Lobrecht und Schmitt teilen jeden Gedanken, jedes noch so abstruse oder unterirdische Verhalten ihrerseits. Dabei bewegen sie sich jedoch grundsätzlich an der Grenze des Aushaltbaren, den moralischen Kompass immer im Blick. Wenn Felix Lobrecht in einer anderen Folge erzählt, dass er im Supermarkt von einer „fetten Frau“ geschubst wurde und sich nur nicht zu einer Schlägerei hinreißen ließ weil, nun ja, man schlägt Frauen halt nicht, zuckt man unwillkürlich zusammen – weil man nicht weiß, ob man ihn nun für einen primitiven Sexisten hält oder ihm irgendwie Recht geben will.
Das gleiche Phänomen ist bei „Fest und Flauschig“ zu erkennen. Olli Schulz und Jan Böhmermann haben ein Verhältnis zur Außenwelt wie ein älteres Ehepaar zur „Jugend von heute“: Teilweise begegnen sie neuen Erscheinungen und Trends liebevoll, nachsichtig oder gar euphorisch, dann ertappen sie sich wieder bei eigener Hilflosigkeit, weil sie „die Welt nicht mehr verstehen“, wie Schulz gerne sagt. Das bezieht sich mal auf den Drang nach Social-Media-Perfektionismus (Schulz‘ Lieblingsthema), mal auf Rechtsruck in Deutschland und Nationalsozialismus (Böhmermanns Lieblingsthema). Und auch wenn sich die beiden oft verrennen, die falschen Worte wählen oder komplett die Fassung verlieren, nimmt man es ihnen nicht übel, weil man ihre Ohnmacht gegenüber aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen absolut nachvollziehen kann.
Sie ergänzen sich wie Yin und Yang
Die Beziehung zwischen den Protagonisten innerhalb der jeweiligen Podcast-Duos ist wie Yin und Yang: Sie brauchen einander, um sich gegenseitig auszugleichen. Das ist wichtig, denn alleine wären alle vier langfristig wohl nicht zu ertragen. Felix Lobrecht, oft ganz der Proleten-Comedian, aber das Gegenteil von dumm, kann sich eine Aussage wie „Warum lieben alle Frauen Tassen?“ wohl nicht verkneifen. Gut, dass ihm in solchen Momenten Tommi Schmitt zur Seite steht, der alles Unangebrachte mit einem beschämten „ohgottohgott“ kommentiert oder sich im Namen von Lobrecht entschuldigt. Und wie erleichternd, dass Lobrecht eingreift, wenn Schmitt mal wieder minutenlang seine Gedanken nicht in Worte fassen kann.
Eine ähnliche Dynamik herrscht bei Böhmermann und Schulz: In Momenten, in denen sich Böhmermann viel zu gerne selbst reden hört, wirft Olli Schulz schnell einen vulgären Flachwitz von der Seite ein, damit sich Böhmi bloß nicht zu ernst nimmt mit seinem Geschwafel. Und wenn Schulz seine ungefilterte Meinung radikal auf den Tisch klatscht, schreitet der Rationalist Böhmermann ein, um ihn mit Fakten und Beschwichtigungen wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen.
Diese Ausbalancierung führt bei beiden Podcasts zu dem schönen Effekt, dass es keinen Star und keinen Nebendarsteller gibt. Man ist als Zuhörer nicht „Team Tommi“ oder „Team Felix“, kann sich mal mit dem einen, mal mit dem anderen identifizieren. Das macht „Fest und Flauschig“ und „Gemischtes Hack“ nicht nur nahbar, sondern vor allem auch menschlich.
Rubriken und Insider
Rubriken geben einem Podcast den roten Faden, der bei all dem Gequassel sonst häufig verloren gehen würde. Bei „Fest und Flauschig“ haben sich manche Rubriken über die Jahre aufgelöst, einige sind bis heute geblieben. So auch „Die großen Fünf“, in der Janolli (wie sie sich liebevoll nennen) fünf Antworten zu einer Thematik auflisten. Das kann zwischen „Die großen fünf weltgeschichtlichen Ereignisse, bei denen man gern Zeuge gewesen wäre“ und „Die großen fünf Prominenten, die auch in der Pornobranche arbeiten könnten“ willkürlich variieren. Gerne schlagen Schulz und Böhmermann auch einen Bogen zu ihrer Fangemeinde, die ihnen tagtäglich Nachrichten und Anregungen für Rubriken schickt. Das führt wiederum dazu, dass die emotionale Nähe zwischen Zuhörern und Sprechern gestärkt wird. „Fest und Flauschig“ zu hören geht somit über einseitige Kommunikation hinaus: Die Zuhörer selbst können Teil der Sendung werden.
Bei „Gemischtes Hack“ wechseln sich Lobrecht und Schmitt wöchentlich damit ab, dem anderen „Fünf schnelle Fragen“ zu stellen. Von „Glaubst du, irgendwann wird wieder alles gut auf der Welt?“ bis „Würdest du lieber zwei Wochen auf einen Tiger aufpassen oder zehn Jahre auf ein Huhn?“ war schon alles dabei. Dazu geben die Beiden in jeder Folge einen „Lifehack“ und nennen zwei Dinge, die sie jeweils für unter- und überschätzt halten – einen „Overrated Hack“ und einen „Underrated Hack“. Außerdem spielen Schmitt und Lobrecht mit Insidern, die sie ihren Zuhörern häppchenweise zuwerfen wie bei einer Löwenfütterung. So erwähnt Felix Lobrecht in jeder Folge, dass er in Marburg Politikwissenschaften studiert hat und kommentiert es mit einem lapidaren „Konntest du nicht wissen.“ Es sind kleine Details wie dieser Gag, die aus „Gemischtes Hack“ einen wahren Kult gemacht haben: Ihre Fans kaufen Tassen und Pullis mit den größten Insidern und bezeichnen sich selber als „Hackis“ (kein Witz).
Das Erfolgsgeheimnis? Eine starke Community
Alle drei Faktoren sind ausschlaggebend für das Erfolgsgeheimnis von „Fest und Flauschig“ und „Gemischtes Hack“, das sie von anderen Podcasts abgrenzt: Sie haben nicht nur eine Hörerschaft, sondern eine stabile und in sich geschlossene Community aufgebaut, die auch über die Folgen hinaus intern kommuniziert. So gibt es etwa Fanseiten auf Facebook und selbsterstellte Websites, wo die besten Sprüche, Auflistungen oder „Lifehacks“ gesammelt werden. Doch auch Lobrecht, Schmitt, Schulz und Böhmermann gehen über das Podcastformat hinaus, um ihre Community zu stärken: Jedes Jahr veranstalten Jan Böhmermann und Olli Schulz eine Live-Podcast-Veranstaltung, deren Einnahmen komplett an soziale Einrichtungen gespendet werden. Der sogenannte „Weihnachtszirkus“ ist jedes Mal innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Und Schmitt und Lobrecht gehen mit „Gemischtes Hack“ sogar auf Tour.
Es wäre somit etwas leichtfertig, die Substanz von „Gemischtes Hack“ und „Fest und Flauschig“ einzig auf sinnentleertes Gequatsche zu reduzieren. Und selbst wenn: Gehört wird es offensichtlich trotzdem. In einer neueren Folge von „Gemischtes Hack“ erzählt Felix Lobrecht von irgendeinem „Sparten-Podcast“, dessen Namen er vergessen hat: „Die haben über uns geredet und meinten: Gerade bei den erfolgreichen Podcasts geht es irgendwie um gar nichts, die reden so über alles.“ Tommi Schmitt daraufhin: „Natürlich reden wir über Belanglosigkeiten! Wir haben auch nie etwas anderes behauptet!“ Stimmt.