Wie Biohazard ein völlig neues Leben anfangen
In den späten Neunzigern ist erfahrungsgemäß alles möglich. Mit Underground und Overground funktioniert das ja schon länger nicht mehr so richtig, aber auch präzisere Zuschreibungen wie ‚Hardcore‘ sind mittlerweile zu Worthülsen verkommen. Biohazard, die selbsternannten „Lebensfeinde“ aus Brooklyn, residieren jedenfalls dank millionenfachen Zuspruchs längst in den luxuriösen Absteigen der Ausbeuterklasse und hadern von dort aus mit ihrer Kunst. In den streng dogmatischen Kreisen des Hardcore standen Biohazard schon immer synonym für den Ausverkauf der reinen Lehre. Zum einen kamen sie erst 1990 und damit viel zu spät in den Kreis der kernigen Wut, zum anderen brachten sie durch ihren rappenden Crossover viel zuviel neumodischen Kram in die Musik. Richtig abgerundet wurde der Skandal um die Mittelstandssöhne aber erst durch ihre aufdringlichen „Wir-kommen-von-der-Straße“-Posen und den Schritt zum großen Platten-Label. Damit waren Biohazard als die Band für das nicht an Inhalten interessierte Kid-Publikum abgestempelt. Doch das ist, laut Aussage von Evan Seinfeld und Billy Graziadei die Vergangenheit. „Wir sind eine neue Band; ein neues Gefühl ist, als hätten wir frische Luft reingelassen“, betont Billy, und der bis zum Hals tätowierte Evan schließt an: „Seit 1988 haben wir uns nicht mehr so gefühlt. Wir haben harte Zeiten durchlebt, es war wie eine Katharsis.“ Was geschehen ist? Biohazard haben ihren alten Gitarristen Bobby Hambel vor die Tür gesetzt und sich jetzt zu dritt neu gefunden. Gemeinsam in dem Gefühl, den Erfolg nicht zu brauchen. „Wir waren vorher auch zufrieden, und wenn das alles von heute auf morgen zusammenbrechen sollte, hätten wir halt wieder unsere Jobs in Brooklyn“, kommentiert Billy. Alles etwas kleiner und direkter, lieber zweimal hintereinander in Clubs als in großen Hallen spielen heißt das Motto. Deswegen ist ‚Mata Leao‘, die neue Platte, wie sie ist. Evan nickt: „Genau. Sie ist wirklich Biohazard. Die letzte Platte wurde mit der Zeit immer größer und aufgeblasener. Zudem waren wir uns musikalisch nicht mehr einig. Diese Platte ist dagegen wie aus einem Guß, roh und direkt, wie ein Mike Tyson-Knock-Out.“ In den Texten läßt man es dagegen etwas sensibler angehen und variiert das Haudrauf-Thema und den problematischen Sozialdarwinismus ein wenig. „Die ersten beiden Platten haben sich ausschließlich mit dem Überleben in der Stadt beschäftigt, denn das war alles, was wir kannten. ‚State Of The World Adress‘ waren die Erfahrungen einer Horde Kinder aus Brooklyn, die zum ersten mal in die Welt hinaustreten. Jetzt beschäftigen uns immer noch die gleichen Dinge, aber wir verarbeiten sie auf eine andere Weise, erfahrener, persönlicher. Aber egal was wir sagen, wir sind immer auf der härteren Seite der Realität denn wir sind kantige Typen.“