Wholigans im Hyde-Park


Nach 20jähriger Pause ging im Hyde Park wieder ein großes Popkonzert über die Bühne. Als Dylan, Clapton & The Who aufschlugen, mochte selbst Prinz Charles nicht fehlen.

Einst gehörten gewaltige Ansammlungen von Musikfans im Hyde Park zum Londoner Sommer wie das lauwarme Bier. Von Juni 1968 (Pink Floyd, Tyrannosaurus Rex) bis Herbst 1976 (Queen, Kiki Dee) waren die Freiluftveranstaltungen im Herren der englischen Metropole eine verlaßliche Größe innerhalb der Open Air Szene. 100.000 kamen, Blind Faith zu bewundern. 250.000 waren da, als Mick Jagger am 5. Juli 1969 im Gedenken an Brian Jones eine Schachtel halbtoter Schmetterlinge auf die Köpfe der Fotografen kippte. Selbst Grand Funk Railroad und King Crimson lockten noch 50.000 Neugierige an. Dann jedoch war Schluß, versank die Freigiebigkeit der Behörden im Spucknapf der Punks. Jetzt jedoch, nach 20jähriger Pause, durfte auf dem berühmten englischen Rasen wieder musiziert werden. Aber es ging ja auch um eine gute Sache. Von der Neuauflage der Party im Park profitiert nicht zuletzt der „Prince’s Trust‘, eine von Prinz Charles betreute Einrichtung zur Forderung bedürftiger Jugendlicher. Entsprechend sozial sind auch die Eintrittspreise. Für schlappe acht Pfund (ca. 20 Mark) gibt’s Alanis Morissette, Bob Dylan, Eric Clapton und die Bühnenaufführung von Pete Townshends Rockoper ‚Quadrophenia‘. Alle, so scheint’s, spielen mit. Nur Petrus nicht. Für die Jahreszeit ist es viel zu kalt am Wochenende des Großereignisses. Dem Andrang der Massen tut das jedoch keinen Abbruch. Neben Ehrengästen wie Prinz Charles und dem pensionierten Fußballstar Pele (ohne die Nummer 10 auf dem Smoking) werden 150.000 reguläre Besucher gezählt. Läßt man erfolgreiche Freikonzerte wie den Auftritt der Stones anno ’69 mal außen vor, ist das neuer britischer Ticketrekord. Aber es wird ja auch einiges geboten fürs Geld. Alanis Morissette macht sich mit einem energiegeladenen Set noch mehr Freunde, als sie ohnehin schon hat, und auch der Auftritt von Bob Dylan geht mit bravem Beifall seitens des erstaunlich jungen, aber nahezu freak-freien Publikums angemessen über die Bühne. Wohl auch deshalb, weil His Bobness mit einer exzellenten Band angereist ist —- neben Pedal-Steel-Star Billy Baxter gibt sich Stones-Gitarrist Ronnie Wood als Dylan-Sideman die Ehre. Das Programm, teils akustisch, teils mit Stromgitarren vorgetragen, weicht den ganz großen Gassenhauern geflissentlich aus. ‚All Along The Watchtower‘ und eine Punkversion von „Highway 61 Revisited‘ aber mag der Meister seinem Publikum denn doch nicht vorenthalten.

Dann die Show, derentwegen die meisten in den Hyde Park gekommen sind: ‚Quadrophenia‘ von Pete Townshend. Zusammen mit dem Mastermind der Who stehen auch dessen alte Kameraden Roger Daltrey und John Entwistle auf der Bühne. Den Platz von Keith Moon, dem längst verblichenen Trommler von The Who, nimmt in London Ringo Starr-Sohn Zak Starkey ein. Alle zusammen werden von einem kompletten Bläsersatz und feuriger Percussion unterstützt. Phil Daniels, der in der Filmfassung von ‚Quadrophenia‘ die Hauptrolle spielte, liest zwischen den musikalischen Beiträgen ein paar erklärende Sätze. Mit von der Partie auch Gary Glitter und David Gilmour sowie die Schauspieler Ade Edmondson und Stephen Fry, die Pete Townshends Charakteren ihre Stimmen leihen. Einer aber fällt besonders auf: Who-Sänger Roger Daltrey trägt, weithin sichtbar, eine Augenklappe. Und hierbei handelt es sich keineswegs um einen Teil der Bühnengarderobe. Bei den Proben hat Alt-Glamrocker Gary Glitter so hemmungslos das Mikrophon geschwungen, daß es präzise an Daltreys linkem Auge landete.

Zum Schluß kommt Eric Clapton auf die Bühne. Konzentriert und dennoch swingend startet er seinen Set mit einer bossanova-artigen Version von ‚Layla‘. Ebenfalls in E.C.s Hyde Park-Paket: ‚Badge‘, ‚Hoochie Coochie Man‘ und ‚White Room‘. Beim besinnlichen Showdown seines Sets wird Clapton von einem Kirchenchor unterstützt. Daß der Gitarrist dem lieben Gott gleichzusetzen sei, wie ein Londoner Graffito einmal glauben machen wollte, gehört jedoch in den Bereich blinder Verehrung. Sonst wäre es bei E.C.s Show bestimmt wärmer gewesen.