Weval und Michael Mayer im Gespräch: „Die schönste Sache, die es gibt? Eigene Platten zu entdecken“


Wir trafen das niederländische Electronica-Duo und den Kompakt-Records-Co-Chef vor ihren Sets beim Hamburger Festival MS Dockville und sprachen mit ihnen über Plattenläden, Newcomerförderung und neue musikalische Projekte.

Merijn: An den Moment in Stockholm kann ich mich noch gut erinnern. Der Urlaub war fast zu Ende und es war der letzte Plattenladen, den wir aufgesucht haben. Ich kam also in den Laden rein und auf einmal lief da dieser Track, den wir gerade erst veröffentlicht hatten. Und ich sagte sofort: „Hey, das ist wirklich verrückt, aber das habe ich gemacht!“ Es war jedoch nicht der Verkäufer, der die Platte aufgelegt hatte, sondern dieses Mädchen, das ihn darum gebeten hatte, weil sie keine Kopfhörer im Laden hatten. Sie wollte nur sichergehen, ob die Platte etwas taugt. Also bin ich zu ihr herübergegangen und habe ihr gesagt, dass ich diesen Track aufgenommen habe und alles, was sie sagte, war: „Oh, das ist aber schön.“ Also stand ich weiter da und wartete darauf, dass sie irgendein Zeichen von sich gibt, ob es ihr gefällt oder nicht. Dann habe ich mich aber recht schnell dämlich gefühlt, dort herumzustehen und darauf zu warten, dass sie mir sagt, dass ihr meine Musik gefällt, und habe sie in Ruhe Musik hören lassen. Es ist schließlich sehr komisch, wenn der Typ hinter dir steht, dessen Platte du dir gerade anhörst.

Weißt Du denn, ob sie sich schlussendlich für die Platte erwärmen konnte?

Merijn: Oh ja, glücklicherweise kaufte sie die Platte am Ende.

Es ist spät geworden, Hanseplatte steht kurz vorm Feierabend und wir setzen uns draußen vor den Laden. Vorm Knust, dem Liveclub direkt gegenüber, legt ein DJ HipHop auf, die fetten Beats wehen zu uns herüber und wir sprechen über die neuen Superstars unserer Zeit: DJs.

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„Die sollten sich alle erst einmal andere Klamotten kaufen“, sagt Michael Mayer und verdreht die Augen. Ja, über den Kleidungstil eines Robin Schulz wäre durchaus zu sprechen, doch wir wollen doch bei der Materie bleiben, wegen der wir uns hier zusammengefunden haben: der Musik.

Merijn: Mal ernsthaft: Das ist eine völlig andere Welt, komplett verschieden zu der unseren. Sie ist spektakulär. Sie kann sicherlich auch interessant sein, aber es ist sicher keine Musik, die ich mir privat anhören würde.

Harm: Ich hoffe einfach, dass alle Beteiligten das genießen, was sie tun. Dann ist es okay für mich. Ich denke darüber auch nicht allzu viel nach. Es ist nichts, was mich betrifft. Jeder lebt in seiner eigenen Blase. Und in dieser finde ich mich schlichtweg nicht wieder.

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Ihre Blase, das ist der Sound Of Cologne, eben jener Minimal-Techno-Sound, den Michael Mayer, Wolfgang Voigt und Jürgen Paape heute mit Kompakt als Schaltzentrale verwalten. Demnächst wird mit &, dem neuen Album Michael Mayers (erscheint bei !K7), ein neuer Baustein in das Denkmal des Kölner Labels eingebaut. Ob er sich von seinen jungen Labelkollegen Weval ein Stück weit inspirieren lassen hat?

„Es ist meine Aufgabe sowohl als DJ als auch als Produzent meinen Horizont stetig zu erweitern. Es wäre ja schrecklich langweilig, wenn du nur deine Musik und die deiner Freunde hören würdest. Du musst dich ständig auf die Suche nach etwas begeben, das dich herausfordert. Ich würde jedoch nicht sagen, dass Weval einen Einfluss auf mein Album hatten. So funktioniert das nicht. Aber, was interessant ist, ist die Dynamik, die einem junge Bands bringen“, erläutert Michael Mayer, der schon längst Ikonenstatus erreicht hat, in dem, was man die elektronische Musikszene nennt.

„Dieses ganze nationale Gehabe hat an Bedeutung verloren“ – Michael Mayer

Michael: Natürlich besteht diese Szene, aus der ich stamme, immer noch. Sie ist größer als je zuvor. Das Netzwerk von Künstlern, die sich untereinander kennen, ist riesig geworden. Was sich jedoch recht deutlich geändert hat, ist, dass du Anfang der 90er sehr lokale Szenen hattest, die auch ihren sehr speziellen Sound hatten: Sound Of Munich, Sound Of Berlin, Sound Of Cologne.

Dank des Internets und SoundClouds kann heutzutage Detroit Techno auch in Osterholz-Scharmbeck entstehen.

Michael: Korrekt. Aber, weißt du, ich sehe mich nicht einmal als deutscher Künstler an. Wenn ich etwas bin, dann bin ich Europäer. Ich habe in der Nähe des deutsch-niederländisch-belgischen Dreiländerecks gelebt und habe allein deswegen keinen Antrieb dafür, eine deutsche Szene zu erschaffen. In den 90ern war es natürlich ungemein spannend mit deutschen Vocals zu experimentieren, weil es nahezu verboten war in dieser Zeit. Aber selbst das ist heutzutage vertretbar. Dieses ganze nationale Gehabe hat an Bedeutung verloren, dank der internationalen Technologie.

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Merijn: Gerade für uns waren Dinge wie SoundCloud sehr hilfreich. Wir gaben unsere ersten Aufnahmen einem Freund, der sie hochlud und ein halbes Jahr später hörtest du sie, Michael.

Weitere zwei Jahre später treten sie also gemeinsam als Aushängeschilder von Kompakt Records in Hamburg auf – und freuen sich sichtlich auf den Abend und das junge Publikum des MS Dockville. Weval, so sagen Harm und Merijn, denken noch überhaupt nicht über ein neues Album nach. Zunächst einmal heißt es, ihre Live-Skills weiter zu verbessern, um den Besuchern ihres Gigs endlich das Erlebnis bieten zu können, das in ihren Köpfen vorschwebt. Während der Sets, das wird schnell deutlich, malt sich das tanztrunkene Publikum seine eigenen Bilder zu den Beats und Breaks von Weval.

Das Gespräch wurde ermöglicht von Smirnoff.

Max Hartmann
Max Hartmann
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