Wenn „Dr Hook“ Räuber und Gendarm spielt…


„Alice Cooper hat uns gestern angerufen und gefragt, ob wir nicht Bock drauf hätten, mit ihm zusammen auf ’ner Foto-Session zu posieren“, meinte Ray Sawyer, der einäugige Sänger von Dr. Hook & The Medicine Show‘, „wir haben ihn höflich aber unzweideutig wissen lassen, dass unsere friedliebenden Gemüter es nicht zulassen würden, mit jemandem abgelichtet zu werden, der in seiner Show mit Messern und Degen rumwirbelt. Sorry, Alice.“ Na sowas, sie können also aucb mal totemst sein, diese Jungs, denen man bei jedem Live-Auftritt bescheinigen muss, dass sie eine der witzigsten Gruppen sind, die man auf Rock-Bühnen erleben kann. Kurzes Beispiel: Als Dennis Locorriere, der wohlgenährte Sänger/Gitarrist, dessen Stimme ‚Sylvia’s Mother* zu einem Welt-Hit machte, das Publikum im Amsterdamer Concertgebouw begriisste, heimste er gleich einen Lacherfolg ein mit der Bemerkung ‚Dieser humorlose Bau ist wohl bloss deshalb noch nicht abgerissen worden, -weil man uns das Leben schwer machen will‘.

RAUSCHGIFTVERDÄCHTIG

Wie schwer das Leben einer Rock-Gruppe sein kann, wurde von Dr. Hook & The Medicine Show auf der vorletzten Single (Titel: ‚Life Ain’t Easy‘) besungen. Wie gut man es als Rock-Star hat, weil selbst die Roadies bei den Groupies jedenfalls bei Dr. Hook keine Chancen haben, erzählt die Geschichte von ‚Roland The Roadie‘, die seinerzeit als Single-Titel durch die internationalen Hitlisten kreuzte. Ganz neu erschienen und ebenfalls hitverdächtig ist die Single ‚Cops & Robbers‘, deren Story ebenfalls mitten aus dem Leben dieser Country-Rock-Gruppe gegriffen ist. Das Räuber und Gendarm-Spiel wiederholt sich nämlich bei jeder Zollkontrolle, die Ray, Dennis, Rik Elswit (git), George Cummings (steel-git.), Jay David (drums), Bill Francis (piano) und Jance Garfat (bass) auf ihren Tourneen rund um die ganze Welt passieren müssen. Bei ihrer Ankunft in Bremen, wo neulich Musikladen-Aufnahmen gemacht wurden, erwischte es auf dem Flughafen den langen George bei der Kontrolle. Er durfte alle seine ‚Sieben Sachen‘ auspacken, nur weil den Beamten ein paar Grippe-Tabletten rauschgiftverdächtig vorkamen.

NONSTOP AUF TOURNEE

In dem gemütlichen Bremer Hotel, in dem die Band zwei Tage lang wohnte, orderte Dennis zunächst mal ’ne Flasche Whisky, um den Zoll-Ärger herunterzuspülen. „Das einem diese Nervereien aber auch nie erspart bleiben,“ meint er schliesslich nach dem ersten Schluck, „unser Job ist doch wirklich schon aufreibend genug. Schau‘ dir Ray an, vor eineinhalb Jahren hatte er noch keine grauen Haare, und jetzt . . . Wir sind die ganze Zeit nonstop auf Tournee gewesen. Aber was soll’s, wir haben’s ja nicht anders gewohlt.“ Während Dennis plötzlich das Thema wechselt und Paul McCartney zu seinem Lieblingsmusiker erklärt, kommt Rik mit einem mehr als hübschen Mädchen zur Tür rein und schlägt vor, den Abend auf ’ner Party mit netten Mädchen in Hamburg zu verbringen. So verlockend das Angebot auch klingt, Ray reisst es aus seinem Halbschlaf, um gleich eins klarzustellen: „Ich kann dich zwar nicht festhalten, Rik, aber wir sind morgen im Musikladen, und ich möchte nicht das Risiko eingehen, dass einer von uns in Hamburg hängenbleibt und unsere Live-Aufzeichnung in die Binsen geht.“ Rik ist ein paar Sekunden lang richtig traurig, doch dann findet er sich mit seinem Schicksal ab und meint zu seiner ebenfalls enttäuschten Begleiterin: „Ich könnte zwar jetzt einfach durchbrennen, aber es wäre nicht das erste Mal, falls ich morgen den Termin verpassen würde.

MIT MAYALL AUF US-TOUR

Schon bald ist die Fete in Hamburg vergessen und Rik plaudert aus seinem Leben: „Vor einigen Jahren wohnte ich in einem Haus in Los Angeles, das einem Mädchen gehörte, die in Hollywood viele Freunde hatte. Sie war gerade irgendwo zwischen London und San Francisco, als es abends klingelte und ein schon etwas älterer Typ mit ’nem Schlafsack auf dem Rücken vor der Tür stand. Er fragte mich nach dem Mädchen, weil er ein Freund von ihr“ sei, wie er sagte. Nun, mir tat es ja irgendwo leid, dass aus seinem Rendez-vous nun nichts werden konnte, deshalb Hess ich ihn die Nacht über im Wohnzimmer auf dem Fussboden schlafen. Am anderen Morgen beim Frühstück meinte der Typ, dessen Gesicht man hinter seiner langen Mähne kaum erkennen konnte: „Sorry, aber,ich hab‘ mich ja noch gar nicht vorgestellt, ich bin John Mayall“. John Mayall???!!! Ich konnte es kaum glauben, aber er war es wirklich. Kurze Zeit darauf stieg ich bei Dr. Hook ein, und wir sind inzwischen auch einmal zusammen mit Mayall auf US-Tournee gewesen, aber da schien es, als hätte er die Episode von damals schon längst vergessen.“