Wenn bei den Queens of the Stone Age ein Witz erst einmal rennt …


... hält ihn keiner mehr auf. Im Interview zum neuen Album geht es aber auch um Can, Subversion, ein schnelles Leben und eben verdammt noch mal nicht um Stoner Rock!

Die Reise ins Reich der Königinnen der Steinzeit führt mit 900 Stundenkilometern fast zwölf Stunden lang in zehn Kilometern Höhe über den Nordatlantik, über Grönland, über Neufundland, die Großen Seen, den Mittleren Westen der USA, die Rocky Mountains bis ans Ufer des gewaltigsten Ozeans des Planeten, mitten hinein in eine steinerne Wüste namens Los Angeles. Einmal angekommen, gibt es vor den Queens Of The Stone Age kein Entkommen mehr.

Sie sind überall: Im leeren Geplapper des DJ aus dem Autoradio, das auf SONGS FOR THE DEAF so schön persifliert wurde: „K.L.O.N., Los Angeles clone radio, we play the songs that sound more like anyone else…“ Sie liegen in der Luft dieser öden, gesichts- und geschichtslosen Stadtlandschaften einer sich scheinbar unendlich ausdehnenden Metropole, die der französische Philosoph Jean Baudrillard einmal angewidert als „elektrifizierte Barbarei“, als „motorisierte Steinzeit“ bezeichnet hat. Wir treffen die Queens Of The Stone Age auf der Straße, wo ein Tattoo-Studio durch seine offenen Türen den Hollywood Boulevard mit den messerscharfen Riffs von „No One Knows beschallt.

Und wir begegnen den Queens Of the Stone Age endlich persönlich, in einer Suite im fünften Stock des eleganten Hotel Mondrian, auf dem Sonnendeck des Lebens. Auf einem weißen Sofa lungern Schlagzeuger Joey Castillo und Troy Van Leeuwen, der von The Perfect Circle kommt und bei den Queens Keyboard und Gitarre spielt. Kronkorken und leere Coladosen dienen als behelfsmäßige Aschenbecher, der milde Abendwind spielt mit den weißen Vorhängen und gewährt hin und wieder einen Blick auf die riesige Stadt der Engel, so weit der Smog das Auge reichen lässt.

Josh Homme, Frontmann und Kopf der Band, lässt noch auf sich warten … Er hat die kurze Pause zwischen zwei Interviews genutzt, um sich kurz ins Badezimmer zu verdrücken. Und weil er Songs wie „Better Living Through Chemistry“ geschrieben hat, bleibt er auch erstmal eine Weile dort: „We get these pills to swallow, how they stick in your throat, tastes like gold“. Der Mann weiß eben, was er seinem Ruf als Rocktier schuldig ist – gerade weil er im benachbarten San Fernando Valley eigentlich recht bürgerlich lebt. Die Queens Of The Stone Age, hervorgegangen aus Hommes alter Band Kyuss, gelten spätestens seit drei Jahren als Retter eines komatösen Genres. Ihr 2002er Album SONGS FOR THE DEAF hatte alles, was sich ein Album nur wünschen kann: Riffs, Hits, Höhen, Tiefen, Garagen- und Punkrock, hymnische Stromschnellen, verhaltene Intimität – und Dave Grohl von den FooFighters, der sich an seine Zeit bei Nirvana erinnert fühlte und sich brav hinters Schlagzeug setzte. „Es gibt keinen besseren Schlagzeuger als Dave“, betont Troy: „Es gibt vielleicht Schlagzeuger, die sind genauso gut. Aber besser? Nie im Leben.“ Daneben sitzt in seiner roten Lederjacke der aktuelle Schlagzeuger Joey Castillo, nickt und lächelt. Er wird während des ganzen Gesprächs nicht mehr tun als das, nicken und grinsen. Ein glücklicher Mensch. Da stakst in staubigen Cowboystiefeln ein anderer glücklicher Mensch herein, die roten Haare länger als gewohnt, das schwarze T-Shirt spannt etwas am Bauch, eine turmhohe Figur, offenbar verschnupft: Josh Homme hat seine Badezimmergeschäfte erledigt, gesellt sich hinzu und fragt:

JOSH HOMME: Hast Du das neue Album gehört?

Ja, viermal hintereinander, gestern nachmittag.

JOSH: Hat es Dir gefallen?

Ja und nein, wen ich erstens nichts wesentlich Neues gehört habe…

JOSH: Und zweitens?

Zweitens ist Stagnation eine feine Sache, wenn sie auf dem hohen Niveau von sonss for the deaf stattfindet. Habt ihr eure Formel gefunden ?

JOSH: Stagnation auf hohem Niveau? Hat er uns eben „Stagnation auf hohem Niveau“ vorgeworfen? Was wir machen, das ist von Anfang an ein Prozess in ständiger Wandlung gewesen, auch dieses Mal – aber eben nicht hektisch oder total abseitig, sondern als sinnvoller nächster Schritt.

TROY VON LEEUWEN: Die Leute sollen uns ja noch folgen können.

Neben Mark Lanegan, Brody Dalle und einem kompletten Blasorchester spielen sehr viele Leute auf dem Album mit. Aufgefallen ist mir ein gewisser Joe Barresi, der Triangel spielt. Ist das ein Witz?

TROY: Nein, Joe und Josh verbindet eine längere Geschichte, die beiden hatten da was am Laufen …

Es ertönt ein wieherndes Gelächter aller Beteiligten, das vor allem eines zeigt: wie schwierig es ist, mit einer eingeschworenen Gemeinschaft ein Gespräch zu führen, mit Leuten also, die in einem ganz eigenen Code miteinander kommunizieren. In einer solchen Gesellschaft wird man schneller zum Gespött als zum Gesprächspartner. Bleiben Sie also ruhig sitzen und angeschnallt. Kann sein, dass wir in Turbulenzen geraten werden… TROY: … Nein, Joe Barresi ist seit Ewigkeiten sowas wie ein Ton-Ingenieur für Josh gewesen, schon bei den ersten DESERT SESSIONS. Außerdem ist er natürlich ein Experte für die Triangel, ein perfekter Musiker an diesem Instrument…

JOSH: Ein Profi-Triangelist sozusagen!

Und das war alles ? Die Triangel durfte er spielen?

TROY: Er hat seinen Job toll gemacht. Wir brauchen nicht wirklich einen Produzenten, weil wir nicht wirklich jemanden brauchen, der uns sagt, wie wir klingen sollen. Wir brauchen niemanden, der unsere Ideen auf den Punkt bringt, sondern jemanden, der uns dabei hilft, das selbst zu machen.

Mit Eric Valentine scheint das ja auf SONGS FOR THE DEAF auch nicht geklappt zu haben…

JOSH: Nick Olivieri brachte diesen Typen in Studio, der nicht aus unserer Welt stammt. Er hatte überhaupt keine Ahnung, was wir überhaupt machen war also nutzlos. Troy und ich, wir kennen uns ganz gut mit der Technik aus. Ein Ton-Ingenieur muss nicht unbedingt unsere Sprache sprechen oder verstehen, was wir da machen. Nur auf Tour, wenn wir draußen auf der Bühne unser Ding machen, braucht es jemanden, der versteht, was und warum wir etwas machen: Warum die Gitarre von Techts nach links wandern oder warum die Amps vorne manchmal mehr aufgedreht werden müssen, solche Sachen. Im Studio wissen wir sehr gut, was wir wollen.

Songs wie „I Think I Lost My Headache“ vom Album RATED begannen als phlegmatischer Stoner Rock und endeten als hysterischer Free Jazz. Nun sprichst du davon, wie schon es doch ist, berechenbar zu sein. Das ist nicht typisch Rock ’n‘ Roll.

JOSH (lehnt sich zurück und hebt abwehrend die Hände): War das Stoner Rock, den wir da gespielt haben? Ich glaube nicht.

TROY: Josh mag diese Schublade nicht, Mann. Wir wollen mit dem neuen Album den Leuten geben, was sie wollen – und mehr. Deshalb geht das Album los mit ein paar direkten Schlägen in die Fresse, von denen du dich dann irgendwann erholen kannst. Ist das Rock’n’Roll? Ich denke schon … Klingt wieder wie ein Konzeptalbum ohne Konzept.

JOSH: Nein, nur eine lose Sammlungvon Ideen in die unterschiedlichsten Richtungen, die durch eine gewisse gemeinsame Stimmung zusammen gehalten werden müssen, weil sie sonst auseinander fallen.

Wie wichtig ist der Ort, an dem die Musik entstanden ist?

JOSH: Sehr wichtig, wie immer. Zum Jammen sind wir rausgefahren in die Wüste, wie für die DESERT SESSIONS…

TROY: … Aber aufgenommen haben wir wieder hier im Clubhouse.

Queens Of The Stone Age, das war immer ein offenes Projekt mit wechselnden Mitgliedern, ein Kommen und Gehen. Hat der enge Zirkel, der feste Freundeskreis als Modell der modernen Rockband ausgedient?

JOSH: Kyuss ist an dem Anspruch gescheitert, 100 Prozent authentisch zu sein und sich keinen Millimeter zu rühren. Deshalb sollten die Queens von Anfang an so locker verfasst sein, dass sie dich – und andere Leute – von der Stagnation abhalten. Ich sage nicht: Du spielst besser Piano, also bist du gefeuert. Ich sage: Alles klar, mach mit! Viele Leute sind einfach in vielen Dingen viel besser als wir.

Mark Lanegan beim Crooning…

TROY: … und beim Pruning (engl.für Gartenarbeit), beim Pruning und Crooning.

Wie bitte?

JOSH: Mark Lanegan ist besser beim Heckenschneiden. Und er ist der bessere Sänger, sowieso. Was aber nicht bedeutet, dass alle Welt bei uns mitspielen darf. Wir wären nicht so weit gefahren, wenn wir jeden Anhalter mitgenommen hätten. Aber genau das Unerwartete ist der Reiz bei jedem Album der Queens du fragst dich: „Wer ist das?“

So wie beim Opener von LULLABIES TO PARALYZE, wo Lanegan ein dunkles Wiegenlied singt.

JOSH: Genau! Das hast du nicht kommen sehen, was? Jetzt weiß ich auch, was du vorhin mit „Stagnation“ meintest: Vorhersehbarkeit! Für uns ist LULLABIES TO PARALYZE ein sehr vorhersehbares Album, wenn vorhersehbar bedeutet, dass du alle Musik spielen kannst, die du spielen willst, und am Ende klingst wie keine andere Band.

Keine andere Band leistet sich ein so turbulentes Nebeneinander von Stilen, von Americana über Punk über Garage bis zu Elementen der Rockoper. Das ist so ehrgeizig, dass man dazu auch Progrock sogen könnte, oder?

TROY (aufgeschreckt) : Um Gottes Willen! Wir setzen uns doch nicht hin und kalkulieren Rhythmuswechsel am Taschenrechner! Das ist Progrock! Uncooler geht’s nicht.

JOSH (moderat): Naja, vielleicht machen wir schon Progrock in einem Sinne, wie auch Can Progrock gemacht hat.

TROY (noch aufgebrachter) : Was?

JOSH (noch moderater): Doch, schau mal, da ging’s nicht darum zu sagen: „So, Leute, jetzt zeige ich euch mal, wie gut ich wirklich bin!“ Bei Can ging es nie um die vulgäre Zurschaustellung von Technik, sondern einfach nur darum, einen Schalter umzulegen – um damit etwas Aufregendes zu schaffen. Neu! ist auch so eine Band, dieses maschinenhafte Schlagzeug macht dich völlig fertig …

… weil es gleichzeitig so unprätentiös ist?

TROY: Genau, und eben nicht wie ein Club eitler Handwerker wie…

JOSH : Yes! Yes sind die Allerschlimmsten!

TROY: Yes? My answer is no!

JOSH: Yes, please turn it off!

TROY: Yes, I don’t like Yes!

JOSH: Ja, aber Can ist eben eine völlig andere Abteilung, gerade Platten wie UNLIMITED EDITION oder MONSTER MOVIE – wow! Meine Bekanntschaft mit Neu!, Can, Brian Eno und solchen Sachen war ein echter Hammer.

Warum?

JOSH: Ich schrieb gerade an meinem ersten Album und dachte: „Wow, das klingt geil, dieses ständig sich wiederholende Gitarrenriffist der Stein der Weisen!“

Und dann kam mein Freund Hutch, gratulierte und spielte mir die Sachen von Can und Neu! vor. Der Effekt war unvergesslich: Wenn du denkst, du bist ganz allein auf der Welt, dann kommt eine gewisse Musik um die Ecke und beweist dir das Gegenteil. Hutch ist übrigens der Typ, der die Cover unserer Platten gestaltet.

Mit welcher Musik bist du denn aufgewachsen, Josh?

JOSH: Punk. ZZ Top. Und Black Flag. Ich glaube, Black Flag haben den Punkrock komplett verändert. Wenn die eine Regel nur von weitem sahen, haben sie sie schon gebrochen. Black Flag hat das Genre vom Kopf auf die Füße gestellt.

Ist es so, dass ihr euch den musikalischen Tabubruch zur Regel gemacht habt?

TROY: Ab. So. Lut.

JOSH: Schon immer! Kyuss beispielsweise gab es, bevor es den so genannten Stoner Rock gab. Und die Queens waren nie Stoner Rock. Stoner Rock als Genre ist eine Box. Und ich klettere ungern in Boxen, die andere Leute gezimmert haben!

TROY: Es ist so dunkel dort drin.

JOSH: Ja, man müsste mal wieder lüften.

Springteufel Nick Olivieri hat die Box nun verlassen müssen. Stärkt das die Band? Schwächt es sie?

JOSH: Er ist freiwillig gegangen, das nur vorweg. Ich liebe Nick, ich bin immer noch ein Freund von Nick. Aber du kannst nur dann etwas erreichen, wenn du nicht von Zwischenfällen daran gehindert wirst, dieabsolut überflüssig sind.

Zum Beispiel?

JOSH: Zum Beispiel unerwartete Wendemanöver auf der Autobahn, um’s in eine Metapher zu fassen. Das ist der Grund, warum die Aufnahmen zu diesem Album nur fünf Wochen gedauert haben, im Gegensatz zu SONGS FOR THE DEAF. Da brauchten wir fünf Monate. Die meiste Arbeit mit LULLABIES TO PARALYZE kommt auf euch Typen zu, wenn ihr euch die Platte anhört.

Gar nicht nervös, nach den hymnischen Kritiken für das letzte Album?

JOSH: Nö. Wir sind bereit, den Kampfhund von der Leine zu lassen.

Also gibt es nichts und niemanden, dos oder dem ihr etwas beweisen müsstet?

JOSH: Nö. Die Sache mit dem Beweisen ist ein weites Feld, das Typen wie du angelegt haben. Leute, die sich fragen: „Oh, wie werden sie wohl dies oder jenes diesmalanstellen?“

TROY: Wir versuchen nur, uns zu beweisen, dass wir keine Zeit vergeudet haben. Alles andere wäre berechnend!

JOSH: Alles andere wäre Prog!

TROY: Sei nicht so prog, entspann dich!

JOSH: Genau: „Wie gehst du mit dem ungeheuren künstlerischen Druck um, ein neues Album aufnehmen zu müssen?“ – „Ach komm, sei nicht so prog!“

TROY: Wären wir prog, ging vieles vielleicht viel leichter?

JOSH: Ach, prog dich doch selbst!

SONGS FOR THE DEAF, hat das britische Musikmagazin NME geschrieben, wäre eine Platte, in der man monatelang wohnen könne – weil es immer wieder neue Kleinigkeiten zu entdecken gäbe. Ist das ein Kompliment?

JOSH: Das Ziel ist es immer wieder, eine Platte zu machen, die dirauf Anhieb gefällt. Und dann kriechst du langsam rein und entdeckst all die versteckten Etagen und Räume. Das gehört dazu, wenn du so… ja, klassisch wie möglich sein willst. Es sollte Musik sein, die auch in zehn Jahren noch nichts von ihrer Vitalität verloren hat. Und es würde mich stören, wenn meine Platten irgendwann im Zusammenhang mit einem bestimmten Zeitrahmen gehört werden müssen, weil du sie sonst nicht erträgst oder verstehst. Es geht darum, ein zeitloses Album zu machen -und keine Singles, die mich daran erinnern werden, wie es früher in der High School war.

Das gleiche sagen die Progrocker

JOSH: Oh mein Gott, sind wir etwa schon zu prog?

Ich weiß nicht. Erklär mir den Unterschied!

JOSH: Okay, der Unterschied besteht darin, dass wir Platten machen, die sagen: „Komm rein, hol dir ’n Bier, setz dich auf die Couch,fühl dich ganz wie zuhause!“

Es soll ein Album sein, dass dich wie ein guter Kumpel zum Bleiben einlädt. Würdest du gerne in einer Progplatte auch nur übernachten wollen? Bei einem Idioten, der nicht mal Alkohol im Haus hat?

Sogesehen war SONGS FOR THE deaf ein Album, das mir nicht nur Alkohol, sondern alle möglichen anderen Drogen angeboten hat…

JOSH: Vielleicht. Aber da geht es nicht nur um Drogen, sondern auch um andere Dinge, bei denen du dir sagen musst: „Ooop, ich glaube, ich bin 40 oder 50 Schritte zu weit gegangen,“ Wir sind eben eine ziemlich ehrliche Band, auch in textlicher Hinsicht. Aber wenn ich singe „Burn The Witch“, dann bedeutet das nicht, dass du jetzt losgehen und eine Hexe verbrennen sollst…

… sondern dass du vielleicht deine Ex-Freundin endlich vergessen solltest.

JOSH: Richtig. Es geht um andere Themen …

TROY: Um progressive und andere mittelalterliche Themen, wir haben Gnome und Elfen und…

JOSH: … Es geht darum, ehrlich zu sein. Wir sagen: „Explodiere! Lebe schnell und gefährlich!“, weil das Rock ist und das einzige, was wir können.

TROY (nebenbei): Abgesehen von Prog, versteht sich.

Würdet ihr massiv Synthesizer oder andere Elektronik einsetzen, wäre das dann nach euren Maßstäben immer noch „ehrlich“?

TROY (stichelnd): Nein, das wäre prog.

JOSH: Aber ja! Es kommt immer auf die Art an, wie du es lieferst. Ich will gar nicht ausschließen, dass diese arme kleine Band aus der Steinzeit eines Tages elektronische Helferlein in Anspruch nimmt. Aber bis jetzt war es einfach noch nicht nötig, um Songs zu Ende zu bringen. Was mir bei elektronischen Beats gefällt, ist das Stoische, Gleichmütige – aber Troy und ich spielen sowieso wie Automaten.

TROY: Ich stelle mir dann gerne vor, ich wäre ein Roboter.

JOSH (nachdenklich): Und jedesmal, wenn ich das an dir beobachte, denke ich mir: „Hm, Troy sieht gerade ein bißchen prog aus.“

Woher genau nehmen Roboter ihre Songs?

TROY: Wir klauen sie.

JOSH: Das Wichtigste beim Songschreiben ist es, erstmal keinen Song zu haben …

TROY: Und dann genügt ein Gitarrenriff, ein Loop oder auch einfach nur der Verkehr draußen.

JOSH: Ich mag es, zum Tempo der musikalischen Ideen zu laufen. Ernsthaft. Ich mag diesen Rhythmus. Achte mal drauf: „Feel Good Hit Of The Summer“ habe ich beim Spazierengehen geschrieben (Josh Homme steht auf und läuft im Kreis und murmelt „Bumm-bumm.bumm-bumm“).

TROY: Das war, als du Mark Lanegan beim Laufen zugeschaut hast!

JOSH: Nein, wirklich, am Ende lief ich nur noch zum Beat meines eigenen Schlagzeugers.

(Auf einmal steht ein Fremder im Zimmer, in Uniform, und stellt sich als „Security“ vor):

SICHERHEITSMANN: Die Tür war offen, ist das okay?

TROY: Ja, klar, kein Problem.

SICHERHEITSMANN: Sie wissen schon, dass Sie hier nicht rauchen dürfen? Ich muss das unten melden.

(Sicherheitsmann dampft ab)

TROY: (ruft ihm über die Schulter hinterher): Komm schon, sei nicht so prog!

Und die Texte? Kommen irgendwann an zweiter Stelle?

JOSH: Nein, ich denke immer zuerst in Titeln. Die Songtitel sorgen dafür, dass dir Bilder dazu in den Sinn kommen. So war ’s zumindest bei „Burn The Witch“. Von Johnny Cash gibt es dieses großartige Zitat: „Ich bin nicht der Schöpfer der Musik, ich bin ihr Bote.“ Und als Lieferant muss ich eben liefern.

TROY: Genau, das letzte Mal sah ich Josh im Badezimmer, wo er sich mit den Saiten seiner Gitarre ans Klos gefesselt hatte und rief: „Nein! Ich will kein Bote der Musik sein! Ich will hier bleiben und einen Prog-Todsterben!“

Abgesehen vom Geld: Spielt ihr lieber in kleinen Clubs oder auf großen Festivals ?

JOSH: Lieber in kleinen Clubs, ganz klar. Das Schöne an Festivals ist, dass du so viele andere Bands triffst. Schlecht ist, dass du kaum dazu kommst, sie spielen zu sehen …

TROY: Festivals sind eine Herausforderung, weil du meistens im Tageslicht und ohne Soundcheck auf die Bühne springst. Das hält wach.

Josh, mit deinem Nebenprojekt, den Eagles Of Death Metal, bist du im Vorprogramm von Placebo durch die USA getourt. Wie reagierte das Publikum?

JOSH: Am Anfang war es entsetzlich Es ist ein merkwürdiges Gefühl, für ein Publikum zu spielen, das dir die ganze Zeit nur den ausgestreckten Mittelfinger zeigt. Ich wollte eben die Wirkung der Band auf Leute testen, die damit überhaupt nichts am Hut haben. Und deshalb war es klasse, zu beobachten, wie sich bei manchen Leuten die Stimmung drehte. Es sei denn, du bist ein Death-Metal-Fan. Death-Metal-Fans sind ja keine großen Spaßvögel, sie sind eher ziemlich … prog. Dass die Eagles live so gut funktionieren, liegt vor allem an Jesse – sein Schnurrbart ist maßgeschneidert für den Rock’n’Roll.

TROY: Sein Pferd hat auch einen Schnurrbart.

Josh, hast du’s mal mit Bart versucht?

JOSH: Wer? Ich? Nein, damit sähe ich aus wie ein verdammter Parkwächter.

TROY: (streng): Sag ihm die Wahrheit, Josh!

JOSH: Na gut, mir wächst einfach kein Bart. Ich entstamme einer haarlosen Rasse.

Es gibt ja noch immer Metal-Fans, die alles andere als lange Haare für Verrat an der Sache halten.

JOSH: Ich weiß, ich trug sie ja auch jahrelang lang! Vom Punkrock habe ich mich abgewendet, als alle Leute in der Szene sich langsam in Gesetzbücher der Coolness verwandelt hatten. Das erste, was ich gemacht habe, war, mir ein Hemd in einer freundlichen Farbe zu kaufen und mir die Haare abzuschneiden. Im Punk ging es immer, wie im Rock’n’Roll oder auch im Metal, um Subversion, um die Infiltration der Gesellschaft.

TROY: Die Queens sind aber keine Metal-Band.

JOSH: Nein, wir klemmen irgendwie zwischen den Stilen und gehören in keine Schublade.

Das behauptet wohl jeder Musiker…

JOSH: Mag sein, aber wir mögen es, wenn die anderen alle in Boxen stecken, weil wir dann daraufstehen können und eine bessere Aussicht haben.

Um was zu sehen?

JOSH: Wo’s lang geht, natürlich! Und eben Sachen zu machen, die ungewöhnlich sind. Die Platte beginnt beispielsweise mit einem freundlichen Wiegenlied und endet auch ganz entspannt. Dabei ist dieser sanfte Anfang eine Einladung, wie ein offenes Maul. Krokodile tragen ihre Jungen immer im Mund, was ziemlich bedrohlich klingt, vielleicht auch ein bisschen prog – aber für die kleinen Krokodile gibt es bestimmt keinen gemütlicheren Ort als diesen. So soll es auch mit der Musik sein, sie soll dich aufsaugen und wieder ausspucken, und du fragst dich: „Hey, was war das denn?

LULLABIES TO PARALZYE eben.

TROY: Die Tatsache, dass Mark Lanegan dieses Wiegenlied singt, macht die Sache noch bedrohlicher. Er hat eine Kehle aus zersplittertem Glas.

JOSH: Er ist Rock’n’Roll.

Wie definieren denn die Queens Of The Stone Age den Rock’n’Roll?

JOSH: Rock’n’Roll, das ist das Bild von Johnny Cash mit dem ausgestrecken Mittelfinger. Hallo?! Ich meine, das ist ein Country/Western-Sänger, aber auf mich wirkt er da wie der erste Punkrocker aller Zeiten. Rock ’n‘ Roll ist Rebellion.

Was gilt, ist der Moment?

JOSH: Du fasst mein Leben in einem einzigen Satz zusammen! Ich interessiere mich nicht dafür, was mal war, weil ich es ohnehin nicht mehr ändern kann. Und ich interessiere mich nicht besonders für das, was kommt, weil ich es wahrscheinlich viel weniger beeinflussen kann, als ich mir gerne vormachen würde.

Engagierst du dich deswegen auch nicht politisch?

JOSH: Manche Künstler stecken ihr Herzblut in irgendwelche Botschaften, das ist sehr tapfer. Die Queens sind aber dazu da, dich diesen ganzen Scheiß vergessen zu lassen! Die Musik soll dir helfen, die Probleme der Welt – oder auch nur deine eigenen – für eine Weile hinter dir zu lassen, vielleicht ja auch mit geschärften Sinnen daraus hervorzugehen. Ich sage, wenn es um Rock’n’Roll geht: Fuck politics! Die Botschaft ist die Aufforderung, ein wenig zu leben, solange du die Chance dazu hast.

Aber Infiltration, das Subersive des Punkrock ist doch auch politisch.

JOSH: Da gibt es aber einen ziemlich feinen Unterschied zwischen Subversion, wo du dich in das System schleichst, und Politik, wo du dieses System verkörperst.

TROY: Subversion verlangt von dir, aktiv zu werden. Politik besteht zu 99 Prozent aus reden.

JOSH: Und weißt du, woraus das fehlende Prozent besteht?

TROY (arglos): Nein, was denn?

JOSH: Prog.

www.queensofthestoneage.com