Wendy & Lisa: Streit verbindet
Die Augen hacken sie sich nicht aus, aber ein tägliches "Fuck You" muß bei den Funk-Schwestern schon sein. Mit Kraft durch Streit schafften sie auch EROICA, ihr drittes Solo-Werk. ME/Sounds-Mitarbeiterin Martina Wimmer suchte Streit und fragte sie nach Prince, ihrem Ex-Hausfreund.
Eigentlich sind wir sowas ähnliches wie „Laurel und Hardy.“ (Wendy Melvoin) Soviel vorweg: Wendy & Lisa sind weder dick noch doof. Mit einer halben Stunde Verspätung toben die beiden an einem sonnigen Morgen durch die Hotelhalle. Als Frau kennt man das und hat für solche Unregelmäßigkeiten vor zwölf Uhr mittags Verständnis. Doch den zeitlichen Verzug hat ausnahmsweise kein unbarmherziger Badezimmerspiegel zu verantworten. Wendy läßt sich in einen tiefen Ledersessel plumpsen und sprudelt los: „Entschuldige, daß wir so spät kommen, aber wir sind uns gerade da oben noch tierisch in die Haare geraten. “ Ein strahlendes Lächeln wandert zur Partnerin, Lisa quittiert es mit Engelsmiene und sanftem Kopfnicken. „Wir streiten viel, Streit ist gesund, solange du weißt, daß du dich schnell wieder vertragen kannst. Ich kenne Lisa seil meinem zweiten Lebensjahr, da kannst du nicht einfach sagen ‚Fuck you, ich will dich nie wiedersehen.‘ Ich meine, natürlich kann ich ‚Fuck you!‘ zu ihr sagen, aber ich muß dann verdammt nochmal dafür sorgen, daß fünf Minuten später alles wieder in Ordnung ist. “ Wendy & Lisa tun gut daran, sich das endgültige „Fuck You“ zu verkneifen – seit ihrer ersten Begegnung in einem Sandkasten des nördlichen Teiles von Hollywood hat die Zusammenarbeit der quirligen Gitarristin Wendy und der bedachten Keyboarderin Lisa respektable musikalische Früchte getragen. Aus der ersten Sandburg der beiden Töchtlein wurde die große Freundschaft zweier Musikerfamilien: Wie Müllers und Meiers hierzulande gemeinsam die Kegelkugeln schieben, jammten die Colemans und die Melvoins allabendlich um die Wette.
Eine Verbindung, die sich bis heute aufrechterhalten hat, zumindest in den Reihen den Nachkommen. Drei Geschwister gehen demnächst mit auf Tour, Lisas Bruder David half im Studio aus. „Es ist schon fast unerträglich idyllisch, wirft Wendy trocken ein. „abersie alle sind großartige Musiker und wir fühlen uns sauwohl, wenn sie bei uns sind.“ Ein wenig sanfter dann: „Ich brauche natürlich in aller erster Linie Lisa, ohne sie säße ich nicht hier.“ Lisa stimmt ein in das hohe Lied der Frauenfreundschaft: „Es hilft einem viel, zu zweit zu sein. Manchmal kann alles so frustrierend sein. Ich könnte mir dann nicht vorstellen, alleine in meinem Hotelzimmer sitzen zu müssen und zu niemandem sagen zu können ‚Wendy, ich hasse das alles‘, um zu hören ‚Ich auch, aber wir beide können es schaffen.'“ Frustrierend ist für sie zum Beispiel, wenn sie immer wieder (natürlich auch von mir…) über ihren musikalischen Karriere-Turbo aus dem Paisley Park zu Minneapolis befragt werden. Wendy stöhnt: „Das werden wir nie los! Prince soll endlich mal wieder seinen Arsch zu einem Interview hochkriegen und selber erzählen, wie und was da alles war. Dann stellt man uns vielleicht diese blöden Fragen nicht mehr. „
Als ehemaliger Prince-Musiker noch dazu weiblichen Geschlechtes zu sein, macht die Angelegenheit nicht einfacher, das Thema macht sie nun richtig sauer. Wendy: „Das Mysterium der Frauen, die Prince umgeben …“ Lisa: “ Mysterium ???“ Wendy: “ Es ist kein richtiges Mysterium, oder? Eigentlich ist es überhaupt nicht mysteriös …“ Lisa: „Nein, es ist ziemlich offensichtlich, fast banal. Es geht um Sex. Kurz: ums Vögeln.“ Wendy: „Sex ist eine wundervolle Sache, aber damit verdienen wir unseren Lebensunterhalt nicht …“ Schon gut – vergessen wir den kleinen Prinzen. Gerade haben sie ihre dritte LP EROICA veröffentlicht und spätestens beim Hören dieser bislang eigenwilligsten Produktion von Wendy & Lisa muß klar werden, daß sie das Prince-Protektorat lange hinter sich gelassen haben. Fernab von Minneapolis verschmelzen sie Sixties- und Seventies-Traditionen, psychedelische Gitarren und Blues-Standards zu ihrer eigenen Version des ewigen Funk-Grooves. Musikalische Sentimentalitäten sind für sie dennoch kein Thema: „Nur weil wir eine indische Tambora verwenden, haben wir doch noch lange keine Beatles-Platte gemacht. Wir saßen einfach sieben Monate im Studio und haben gespielt, live, und jetzt ruft mich ein Freund an und sagt ‚Verdammt, Mädels, wart ihr permanent stoned, als ihr die Platte aufgenommen habt, das klingt ja wie 1968.‘ Aber ich schwör’s dir, wir waren stocknüchtern, wir haben nichts geraucht, clean wie ein Hotel-Klo.“