Was Alain Delon mit sauren Gürkchen gemeinsam hat(te)
Wir wollen ja nicht nachtragend sein, aber ... Eine Erinnerung an Alain Delon. Johnny Cash gibt’s gratis dazu.
Hirnflimmern-Computerlogbuch Eintrag 10-2024: Alain Delon ist gestorben. Sie wissen schon, der französische Schauspieler, der damals 1983 seinen Wetteinsatz bei „Wetten dass…?“ nicht eingelöst hat. Gut, das mag jetzt eine recht spezifische und nicht ganz angemessene Assoziation mit Alain Delon sein, aber mir hat sich der Vorfall so tief ins damals 11-jährige und noch mit viel Stauraum aufwartende Hirn eingesenkt, dass ich noch heute bei Alain Delon nicht zuerst an den „Eiskalten Engel“, Ripley, Romy oder gar – horribile dictu! – Le Pen denke, sondern an Frank Elstner und seine Zerknirschung, als er seinem Publikum beibringen musste, nein, Alain Delon habe seine Wettschuld immer noch nicht beglichen.
In jenen Tagen, als auch Top-Stars (vor der Hyperinflation in der Aufmerksamkeitsökonomie kam man ohne die Präfixe „Super-“, „Mega-“ und „absoluter Mega-“ aus) im Unterhaltungsfernsehen noch beherzter angefasst wurden, mussten gescheiterte prominente „Wettpaten“ relativ Handfestes ableisten, zum Gaudium der angesichts von nur drei TV-Programmen weithin Anteil nehmenden Bevölkerung irgendwo draußen in der realen Welt – Softeis verkaufen in der Böblinger Fußgängerzone, Tölen föhnen im Hundesalon in Lübeck.
Da hat er keine Pluspunkte bei uns gesammelt, der Alain
In der Folgesendung gab es dann kurze Filme zum Beweis, dass die vor der Fernsehnation quasi als Ehrenschuld zugesagte, gern leicht erniedrigende Arbeit auch zur Genugtuung der Gebührenzahlenden verrichtet worden war. Und dann kommt Alain Delon, plaudert jovial und verspricht für den Fall, dass es einem schwäbischen Dachdecker nicht gelänge, in einer Minute 150 Nägel in einen Balken zu hämmern, mit dem ebenfalls anwesenden Harald Juhnke auf dem Ku’damm in Berlin Aerobic zu tanzen. Dass ich das jetzt übrigens gar so detailliert wiedergeben kann, liegt nicht daran, dass ich ein irgendwie krankes Erinnerungsvermögen an 41 Jahre alte TV-Events hätte, sondern dass ich grad mal bei Youtube reingeschaut hab’, und natürlich gibt es da diese komplette Sendung, was für Musikinteressierte wegen eines 9(!)-minütigen Auftritts von Johnny Cash (ab 1:14:10) interessant sein könnte.
Jedenfalls: Der Dachdecker verhämmerte sich, Wettpate Delon verlor und düste anschließend – Adiö mit ö! – heim nach Paris, wo er von Juhnke, Aerobic und der noch Monate auf Tilgung der Wettschuld hoffenden deutschen Fernsehnation seltsamerweise nichts mehr wissen wollte. Was Showmaster Elstner noch mehrmals angefasst thematisierte und auch mein junges Gerechtigkeitsempfinden erschütterte. Da hat er keine Pluspunkte bei uns gesammelt, der Alain …
Huch. Schon Schluss! Eigentlich wollte ich ja über die sommerliche Saure-Gurken-Zeit sinnieren – auch so ein 80s-Ding, das es nicht mehr gibt. Keine Schnappschildkröten und entlaufene Kühe, alles voll von Krieg, Terror, Waldbrand und FDP. Und wenn schon saure Gürkchen, dann Nino Ferrers „Les Cornichons“ (gute Wahl!) in der ZDF-Berichterstattung von den Olympischen Spielen in Paris, in denen ich mich, zugegeben, zuletzt zwei Wochen lang fernmeldetechnisch versteckt resp. vercoucht habe, quasi Eskapismus-Urlaub. Umso schwieriger die Rückkehr in die ungepolsterte Gegenwart. Ein neuer Versuch demnächst.
Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 10/2024.