Kolumne

Warum wir gerade keinen supergeilen Sommer verdient haben


Der Sommer könnte im Vergleich zu vorherigen empfindliche Einbußen an Geilheit aufweisen.

„Ich will einfach einen supergeilen Sommer haben!“ Also sprach in den Tagen vor der Fußball-EM eine junge Frau in das Mikro einer Radiostraßenumfrage, und dieser Satz hängt mir nach. Weil ich mir nicht ausmalen kann, in welchem „mindset“ zwischen Unterinformiertheit, Indifferenz und Empathiefreiheit man federweich eingebettet sein muss, um sich vom Jahr 2024 einen „supergeilen“ Sommer zu erwarten – und das liegt jetzt sicher nicht NUR daran, dass ich u. Umst. langsam etwas verbiestere.

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Ich möchte wirklich kaum wem die Laune verderben, aber, Spoiler voraus: Sollten Sie ein gewisses Maß an Ver- und Anstand im Leib haben, dann kann das für Sie nach allem Dafürhalten kein „supergeiler Sommer“ werden, ja: Es sieht sogar danach aus, als könne es für denkende, fühlende Menschen guten Willens auf absehbare Zeit gar keine „supergeilen Sommer“ mehr geben. Quasi vergriffen. Verbraucht, verbrannt.

If you have an AfD friend, now is the time for your friendship to end

Freilich: Mal einen supergeilen Abend, ein supergeiles Festival, eine supergeile Grillwurst oder so was. Aber dann fallen einem für gewöhnlich der Klimawandel wieder ein, die Kriege, die Nazis etc. – schwierig, um all summer long so richtig supergeil steilzugehen, Freibad hin, legales Gras her. Und ich glaube auch nicht, dass wir hier grad einen supergeilen Sommer überhaupt verdient hätten. Zum Beispiel jetzt: 16 Prozent für die AfD bei der Europawahl. Leck mich fett. Interessant finde ich, dass der renommierte Schlaumeister Albert Einstein dieses Wahlergebnis bereits vor etwa 80 Jahren kommentiert hat: „Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

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Tja … Wobei, allein mit der Weltformel Dummheit ist das alles auch nicht mehr zu erklären. Im Sommer 2024 AfD zu wählen, darf man als Kampfansage an Demokratie, Vernunft und Menschlichkeit, Zivilisation und Natur betrachten. Also, da kommt schon was zusammen, um mit den Specials zu sprechen: If you have an AfD friend, now is the time for your friendship to end.

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Puh. Jetzt wär irgendwas „off-topic“ angenehm, gell? Aber gern! Es gibt ja diesen anderen Einstein-Satz „Nichts ist so kraftvoll wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“, und da hätte ich in Abwandlung „Nichts ist so lustig wie ein Gäg, für den es endlich einen Aufhänger gibt“ einen solchen loszuwerden, den ich jetzt jahrelang in der Kühlung aufbewahrt habe. Aber jetzt hat Götz Alsmann das Bundesverdienstkreuz bekommen UND es kommt im Juli ein neues Album von Tom Liwa; so sehe ich die Zeit gekommen, Ihnen diese Pretiose aus meinem delikaten Lieber/Als-Zyklus zu kredenzen. Sitzen Sie bequem? Also: Lieber Tom Liwa als Götz Alsmann. Waahaha! Was? Nein, nein, nichts zu danken! (und no offence, Götz Alsmann!)

P.S. Sie haben es bemerkt – das Zitat von wegen der Idee, deren Zeit gekommen ist, ist gar nicht von Einstein, sondern von Victor Hugo, genau: dem Erfinder des Aperol Spritz! Prost auf einen … gnädigen Sommer.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 8/2024.