Kolumne

Warum eigentlich Elvis? Weil er der King war und bleibt!


Jan Müller begibt sich auf die Spuren Elvis' – aus der Perspektive eines Freundes & Megafans.

In einer Kolumne der letzten Monate erwähnte ich meinen Nachbarn aus Kindertagen. Manche von euch wollten Genaueres über ihn wissen. Deshalb reisen wir nun in der Zeit zurück:

Keine Tolle, keine Creepers und kein Streichholz im Mundwinkel

I. Ein Freitag im Herbst ’81. Schule ist aus. Er schmeißt die Tasche in die Ecke seines Zimmers und dreht die Stereoanlage auf. „You ain’t nothin’ but a hound dog / Cryin’ all the time / You ain’t nothin‘ but a hound dog / Cryin’ all the time / Well, you ain’t never caught a rabbit / And you ain’t no friend of mine“. 25 Minuten Elvis. Dann macht er seine Schulaufgaben. Mathe, Deutsch und Englisch. Englisch ist für ihn am wichtigsten.

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Er besitzt 38 Langspielplatten von Elvis, darunter 4 Best-of. Außerdem 19 Singles, zwei VHS-Kassetten, eine Flexi-Disc und zwei 8-Track Catridges, die er allerdings nicht abspielen kann. Als er mit den Hausarbeiten fertig ist, packt er seine Schultasche für den kommenden Montag. Seine Hefte sind ordentlich, die Schultasche ist sauber und auch er selbst fällt äußerlich nicht aus der Reihe. Keine Tolle, keine Creepers und kein Streichholz im Mundwinkel.

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Er geht ins Wohnzimmer und schiebt die VHS in den Rekorder: „Aloha From Hawaii“. „So I turn my back / Turn my collar to the wind / Move along in silence / Trying not to think at all / I set my feet before me / Walk the silent street before me“. Er schaut auf den Bildschirm: Von der Bühne blinkt es in Weiß, Rot, Grün und Gelb: ELVIS ELVIS ELVIS ELVIS. Elvis kniet auf der Bühne nieder, sein weißer Anzug glitzert.

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Er kennt jede Einzelheit des Auftrittes in Honolulu. Seine Mutter tritt ins Wohnzimmer. „Du hast ja noch gar nichts gegessen, Junge.“ Er spürt ein Unbehagen. Er schaltet den Fernseher aus und geht wieder in sein Zimmer. Dort tritt er ans Fenster. Der Wind weht durch die Rotbuche an der alten Tankstelle. Er geht in den Flur und zieht seinen imprägnierten Anorak an. „How the web was woven / In my soul, don’t you know / How the web was woven / Can’t get loose, can’t let go.“

Elvis sei zum Schluss außer Kontrolle gewesen, hat seine Schwester behauptet

II. Er holt sein Fahrrad aus dem Keller. An der Lenkstange hat er kleine batteriebetriebene Lautsprecher angebracht, sodass er auf seinen Touren seine Musik hören kann. „Sad Sack was sittin’ on a block of stone / Way over in the corner weepin’ all alone / The warden said, Hey, buddy, don’t you be no square / If you can’t find a partner use a wooden chair.“ Die Jungs auf den Mofas an der Ecke lachen über ihn, aber sie jagen ihm nicht hinterher. Trotzdem tritt er jetzt stärker in die Pedale und schaltet in den dritten Gang. Der Fahrtwind weht durch seine Haare.

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Ein Fliege prallt an seiner Brille ab. Er passiert den Lattenkamp. Das Freibad ist schon geschlossen. Er fährt durch den Kugelfang und am Eppendorfer Moor entlang. „I’m leaving town, baby /I’m leaving town for sure / Well, then you won’t be bothered with / Me hanging around your door / But that’s all right, that’s all right / That’s all right now mama, anyway you do.“ Am Kiosk in Groß Borstel kauft er sich eine Fanta. Elvis sei zum Schluss außer Kontrolle gewesen, hat seine Schwester behauptet. Außerdem stellte sie fest, dass Elvis an Herzverfettung gestorben sei. Sie hat keine Ahnung. „Do the chairs in your parlor seem empty and bare? / Do you gaze at your doorstep and picture me there? / Is your heart filled with pain, shall I come back again? /Tell me dear, are you lonesome tonight.“

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Er wird Elvis nah sein

III. Als er am Flughafen ankommt, ist die Sonne schon fast komplett versunken. Seine Hände sind schmal, die Handinnenflächen weich und leicht verschwitzt. Er dreht die Boxen lauter auf und blickt den startenden Maschinen hinterher. Bald wird er nach Memphis reisen. Er wird Elvis nah sein. „I couldn’t say a word for thinking of you / All I could do was stand there paralyzed.“

Warum eigentlich immer dieser Elvis?

IV. Eine Frau auf einem Hollandrad fährt vorbei, er wendet den Blick ab. Hat sie seine Musik bemerkt? Er wartet bis das Lied zu Ende ist. Er dreht die Cassette um, spult zum Anfang zurück und drückt auf Play. Dann knickt er den Dynamo ans Vorderrad und tritt den Heimweg an. Es fängt an zu regnen.

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Zurück nimmt er die Abkürzung durch die Laubenkolonie. Der feuchte Sand knirscht unter seinen Reifen. Krähen fliegen über ihn hinweg. „When my blue moon turns to gold again / When the rainbow turns the clouds away / When my blue moon turns to gold again /You’ll be back in my arms to stay.“ „Warum eigentlich immer dieser Elvis?“, hatte sein Vater ihn im Sommer gefragt. Er hatte nicht geantwortet. Aber in seinem Kopf blitzte es auf: „Er war der King, er ist der King.“

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 4/2024.