Warum die AfD Friedrich Merz einen Blumenstrauß schicken sollte
Endlich ist dieser Wahlkampf aus der Hölle vorbei. Aber der Kater ist dafür doppelt so mies.

Immerhin eins ist sicher: Es ist endlich vorbei. Und das ist doch mal eine gute Nachricht: dieser superkurze, außer der Reihe in unseren Schoss gefallene Wahlkampf war der schlimmste, den ich jemals erlebt habe. So tief, wie in den vergangenen Wochen seit der Implosion der Regierung im November im Dreck gewühlt wurde, so schmutzig, so verlogen und so polarisiert habe ich noch nie einen Wahlkampf erlebt. Und ich bin erleichtert, dass dieser Mist jetzt wenigstens vorbei ist, Für’s Erste jedenfalls.
„Team Merz“
Und ich bin zumindest ein klitzekleines bisschen erleichtert, dass Trump-Imitation in Deutschland nicht zu verfangen scheint: die „Team Merz“-Plakate, die peinlich Top-Gun-Ästhetik imitiert hat, Trump-Ästhetik auf Wahlplakaten wie von dem seltsamen Berliner Kandidaten Lasse Hansen (der sich auch nicht zu peinlich war, einem KI-Schlager namens „Hoch die Hände – Ampelende“ zu veröffentlichen) oder direkte Forderungen, dass man wahlweise Trump (CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann) oder Musk und Milei (noch-FDP-Vorsitzender Christian Lindner) nacheifern müsse. Die FDP ist mit dem Quatsch gleich ganz aus dem Bundestag geflogen und die CDU hat vor einigen Wochen nach nahezu sichere 33 bis 35 Prozent in ein Ergebnis unter der 30%-Marke verwandelt. Und ach ja, Sahra Wagenknechts Egonummer ist so krachend gescheitert, dass sie sich am Wahlabend irgendwann nicht mal mehr vor eine Kamera gestellt hat. Das will was heißen.
Rechts kopiert
Überhaupt dieser CDU-Sieg, der so weit unter den Möglichkeiten bleibt (nur einmal in der Geschichte der Bundesrepublik holte die CDU weniger Stimmen: zur letzten Wahl, die Armin Laschet verlor): Wenn man wollte, könnte man daraus lernen. Zum Beispiel, dass Studie nach Studie nach Studie in der Politikwissenschaft zeigt, dass wenn man die extreme Rechte kopiert, die Leute das Original wählen und nicht die Mainstream-Kopie. Ich hoffe, dass Merz wenigstens eine Dankeskarte und einen Blumenstrauß von der AfD erhält, immerhin hat er sich für deren Verdopplung im Bundestag so richtig ins Zeug gelegt. Seine mangelnde Impulskontrolle und nichtvorhandenes politisches
Und auch die SPD und die Grünen als Regierungsparteien haben daran ihren Anteil gehabt: niemand hat Olaf Scholz dazu gezwungen auf der Titelseite des Spiegels Abschiebungen im großen Stil zu fordern. Und noch weniger Leute haben Robert Habeck dazu gezwungen, noch auf die letzten Meter des Wahlkampfs entgegen Parteiprogrammen und -beschlüssen einen „Zehn Punkte Plan“ für Migrationspolitik vorzulegen, der immer noch auf der Webseite der Grünen zu finden ist. Das beeindruckende Comeback der Linken (Heidiiiii!) macht’s vor: wenn man sich mit Graswurzelarbeit befasst und die Themen anspricht, die die Leute da draußen wirklich interessieren, dann hören sie auch wirklich zu. Aber die anderen Parteien werden es natürlich nicht verstehen und sich wundern, warum DJ Gysi die jungen Leute so abgeholt hat.
Das Learning
Die Hoffnung, dass irgendjemand aus irgendetwas lernen wird, habe ich schon länger aufgegeben. Eine SPD zum Beispiel, die ihren Nachwuchs, ihre Basis und ihre Überzeugungen, sollte es noch welche geben, nicht verbrennt, weil staatsbürgerliche Verantwortung für sie komplettes Unterordnen unter eine CDU zu bedeuten scheint. Oder Grüne, die sich erinnern, wer sie eigentlich sind und warum Menschen sie eigentlich wählen (Spoiler: keine Law-and-Order-Pläne und keine Plakate, auf denen sinngemäß steht „uns geht es nicht ums Klima“). Oder eine FDP, die mal die Bedeutungen des Wortes „liberal“ im Wörterbuch nachschlägt. Die FDP hat immerhin jetzt sehr viel Zeit da draußen auf Identitätssuche zu gehen. Vielleicht kommt ja sogar was sinnvolles bei rum? Ich wage es leise zu bezweifeln.
Als Kulturjournalistin macht es mir aber bei allem Zynismus ernsthaft verdammt große Angst, was da auf uns zukommt. Eine AfD, die in ostdeutschen Flächenländern die Nummer eins ist und die Politik als Ganzes und Medien- und Kulturpolitik im Besonderen vor sich hertreibt. Und eine CDU, die in Berlin ja schon bewiesen hat, dass der Kulturbetrieb ihr rein gar nichts bedeutet.
Im Gegenteil: der CDU-Fraktionschef im Bundestag, Dirk Stettner, hat sich etwa auf den roten Teppich der Berlinale gestellt und theatralisch seine Karte zur Abschlussgala zerrissen (und dafür natürlich der Presse Bescheid gegeben, damit sie auch ja ein Foto von ihm machen, sonst erkennt ihn ja keiner). Für ihn sollte das wichtigste Filmfestival Deutschlands nicht mehr finanziert werden.
Wo früher noch die Prioritäten der CDU bei Kulturförderung einfach anders lagen, sieht es jetzt eher so aus, als ob es dort zum guten Ton gehört seine Verachtung für den Kulturbetrieb möglichst laut kundzutun – und dann einfach alles wegzukürzen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist oder zum eigenen Boy’s Club gehört.
Da erlebt in Berlin zum Bespiel gerade die Urania, eine 137 Jahre alte Kulturinstitution, in der Filmscreenings laufen, Lesungen abgehalten werden, es gibt Diskussionen zu Demokratie, Wissenschaft, Religion, es ist ein Raum für Austausch. Sicherlich keine Insel der Wokeness, sondern ein alter Kulturtanker, der einst gegründet wurde, um auch Laien Wissenschaft und Kultur zugänglich zu machen. Ihr soll nun die gesamte Förderung vom Berliner Senat weggestrichen werden. Räume, in denen Menschen zusammenkommen braucht ja in diesen Zeiten, in denen in Teilen gesichert rechtsextremistische Parteien auf 20 Prozent der Stimmen für den Bundestag kommen, ja anscheinend niemand. Und die SPD schaut dabei nur zu.
Diese Denke könnte nun auch in die Kulturpolitik auf Bundesebene umgesetzt werden – eine neue kulturfeindliche CDU/CSU im Kleinhackmodus und eine SPD, die sich für für den Kulturbetrieb so gar nicht mehr interessiert. Dazu kommt eine AfD, die mit doppelt so vielen Abgeordneten, doppelt so vielen Mitarbeitern, und doppelt so viel Geld, die genau verstanden hat, was Kultur bedeutet. Und sie deswegen als einen ihrer wichtigsten Feinde ansieht.
Die kommenden vier Jahre werden hart. Aber sie sind auch erst einmal noch eine Chance, eine Chance, die demokratischen Parteien wieder zu überzeugen, ihren Job zu machen. Eine Chance, ihnen klarzumachen, dass ohne Zusammenhalt, ohne Kultur und ohne Räume zum Austausch gar nichts geht. Und dass bei rechtsextremer Politik immer nur Rechtsextreme gewinnen.