Wahnwitz


Des Kinos liebstes Thema: die Liebe. Ohne Herzschmerz ist die Leinwand nur halb so schön, doch "Benny und Joon" ist schöner: Zwei Halbirre sprengen Kitsch-Konventionen und lassen echte Tränen kullern.

Millionäre und Mätressen, Popstors und Leibwächter, edle Farmersfrauen und noch edlere Kriegsheimkehrer — man könnte heulen, wenn man sich die Liebespärchen des Jahres 1993 anschaut. Aber nicht aus Rührung. Und schon gar nicht aus Wut über die unverschämten Erfolge von „Ein unmoralisches Angebot“, „Bodyguard“ und „Sommersby*. Sondern weil Liebesfilme offenbar nur noch weltweit ihr Publikum finden, wenn sie gnadenlos kalkuliert, hemmungslos verkitscht und flach wie Groschenromane sind.

Aber nun kommt endlich mal ein Liebesfilm in die Kinos, der diese Bezeichnung auch verdient. Ohne Geigenklänge, ohne den berüchtigten Schwenk zum Kamin, ohne pathetische Kußoder Bettszenen. Jeremiah Chechiks „Benny and Joon“ ist tatsächlich der Versuch, den Geheimnissen der Liebe auf die Schliche zu kommen. Und als Zuschauer reibt man sich angesichts der Leinwand-Geschichte erfreut, verwirrt und tief gerührt die Augen. Zauberhaft. Es geht um ein Paar, das über Höhen und Tiefen zueinander finden will und muß. Da ist einmal Benny (Aldan Quinn, der ein relativ trostloses Leben als Automechaniker fristet. Trostlos, weil er weder Zeit noch Muße hat, sich um angenehme Privatangelegenheiten wie Urlaub oder Freundin zu kümmern. Denn Joon (Mary Stuart Masterson), seine jüngere Schwester, lastet ihn voll aus. Sie leidet an Schizophrenie, was sich in Depressionen oder harmlosen Anfällen von Irrsinn niederschlägt. Als sich gerade die drohende Möglichkeit einer Einweisung Joons in ein „Heim“ abzeichnet, tritt Sam (Johnny Depp) in das Leben der Geschwister. Er kleidet sich wie ein Clown, imitiert ganz grandios Buster Keaton und hat mit seiner überspleenigen Art alsbald Joons zartes Herz erobert. Die beiden passen, so scheint es, prächtig zueinander. Doch da sie, zumindest auf der Werteskala ihrer Umwelt, nicht „normal“ daherkommen, wird es schwer für sie, ihre zarte Verbindung wachsen zu lassen …

„Benny und Joon“ ist nicht nur der ungewöhnlichste Liebesfilm seit Jahren, sondern nebenbei auch lustiger als alle „Nackten Kanonen“ dieser Welt zusammen. Dafür sorgen charmante Gags, überschwengliche Situationskomik und vor allem Johnny Depps Charakter, der in perfekt choreographierten Einlagen tatsächlich den Geist Buster Keatons hervorruft. Wem da nicht die Tränen kommen, der ist tot — oder rettungslos „Bodyguard‘-geschädigt.