Vom Marienhof auf die Avenue C
Die Brazilian Girls verdanken ihre Existenz einer Reihe glücklicher Zufälle und einer „offenen Bühne" in New York.
Das Nublu auf der Lower East Side ist ein winziger Club. Eines Tages im Jahr 2002 stellte der Besitzer ein Schlagzeug und ein Fender-Rhodes-Piano in die Ecke: Ab sofort sei jeden Sonntag ab ein Uhr nachts „open stage“. Der Keyboarder Didi Gutman, gerade Tourmusiker bei Bebel Gilberto, wollte endlich sein eigenes Ding machen und nahm sich ein Herz, aber alleine wurde ihm auf der Bühne schnell langweilig Also holte er in der Woche darauf seine Bekannte Sabina Sciubba, die in Rom und München aufgewachsen ist, in Nizza gelebt hat und mal im „Marienhof“ geschauspielert hat, ans Mikro. Wieder einen Sonntag später hatten die beiden auch eine Rhythmusgruppe: Jesse und Aaron. Die Zuhörer, aufgrund der späten Stunde entweder arbeitslos, von reichen Eltern gesponsert, Künstler oder drogenabhängig, waren ebenso begeistert wie die Musiker selbst. Es war die Geburtsstunde der Brazilian Girls, einer Band weitab aller ausgetretenen Pfade: Nachtgeschwängerter multilingualer Fusion-Pop aus dem Betondschungel mischt sich mit Chansons und TripHop. Die Vorgabe lautete: elektronische und akustische Musik organisch zusammenzufügen. Proben geht laut Sabina gar nicht:,.Dos artet immer in pathetischer Zankerei aus. Wir üben quasi auf der Bühne.“
Dass die vier Berufsmusiker überhaupt die Zeit für eine feste Band aufbrachten, ist eine Folge des 11. Septembers 2001. Sabina erinnert sich: .. Die Zeit nach den Anschlägen war die intensivste Phase meines Lebens. Abends spielte ich aufeinerJamsession. EineFrau, die den Einschlag auf der 99. Etage erlebt hat, kam auf die Bühne und erzählte über unsere Musik ihre Erlebnisse. Didi hätte an dem Tag zu einer Tournee nach Japan starten sollen, aber es wurde alles abgesagt, auch die folgenden Tourneen. In New York ging kaum mehr jemand aus dam Haus. Für Musiker war das eine extrem harte Zeit, aber für uns war es die Chance. Unsere ersten Aufnahmen konnten wir gratis im Studio von Philipp Glass machen – die hatten dort nichts zu tun. „Die erste EP wurde unter Freunden und Bekannten verteilt, dann kamen Leute vom Verve-Label ins Nublu, und schon kurze Zeit später saß die Band im Büro des Firmenchefs. Ein extrem glücklicher Zufall: „Wir wollten immerzu Verve schon allein wegen des tollen Logos.“ >>>
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