Vivid
DER ABEND GEHT ZUR NEIGE, SANGER THOMAS Hanreich setzt einen Fuß auf die Verstärkerbox, wirft den Kopf in Märtyrerpose nach hinten, psalmodiert voller Inbrunst:“And still they wanna knouuuwww.“ Hey! Wir sind hier nicht in Seattle, Tom! Deine Band kommt aus Salzgitter und somit aus dem Land, in dem man Rock ’n‘ Roll mit scharfem „r“ spricht und Grunge mit s-c-h – und so klingt sie auch: kompakt, korrekt, kernig. Kalkuliert? Nicht unbedingt, dazu legen Vivid zuviel Seele in ihre Musik. Doch was diese Techno-Beats sollen, die jeden zweiten Song einleiten, um dann jeweils in einem Gitarrengewitter unterzugehen, muß noch geklärt werden; wahrscheinlich hat Hanreich und den Seinen einer gesteckt, daß so was heutzutage dazugehört – auch wenn’s eigentlich gar nicht dazu paßt. Der Rest ist Alternative-Rock-Alltag: Nebelschwaden, eine in rotes Scheinwerferlicht getränkte Bühne. Sänger Thomas Hanreich röhrt vedderiger als der echte Eddie. Und auch Holger Schmidt (Bass) und Matthias Kloß (Gitarre) überzeugen durch solides Handwerk. Dabei haben sie nach außen hin die Rollen getauscht. Wahrend der Bassist, normalerweise der ruhige Rhythmiker in einer Band, für Stimmung sorgt, schmiert der Gitarrist seine Riffs mit stoischer Zurückhaltung ins Publikum. Drummer Torsten Kluske dagegen bleibt der alten Ringo Starr-Schule treu -ein bißchen Spaß muß sein. Und so darf Kluske auch mal nach vorn, um artig Heiterkeit zu verbreiten. Die Fans danken’s mit Sprechchören. Überhaupt: Alle sind nett hier. Wer mag da schon rumnörgeln, daß Gevatter Grunge doch längst verblichen ist. Vivid setzen alles auf eine längst ausgereizte Karte, hantieren dabei aber so geschickt, daß die Fans jubeln und die Feinde nicht allzu böse sein können.