Unter den Soulsängern ist 150-Kilo-Mann Solomon Burke ein Titan. Damit das endlich auch das Pop-Publikum mitkriegt, machen sich nun die größten Songwriter der Gegenwart für ihn stark.


Selbst James Brown sah sich einst gezwungen, zu schmutzigen Tricks zu greifen, um dem überlebensgroßen King of Rock’n’Soul auch nur ansatzweise Paroli zu bieten: Er bezahlte Solomon Burke für eine angebliche Doppelshow, nur um den Sängerkollegen in seiner roten Königsrobe und goldenen Krone zur stummen Bühnendekoration für den eigenen Auftritt zu missbrauchen. Das ist gut 35 Jahre her – und Solomon Burke kann noch immer darüber lachen, man spürt sogar ein wenig Mitleid mit dem einstigen Konkurrenten: „Schau mich nur an, ich habe mehr Haare auf dem Kopf als James Brown. Und ein hübscheres Gesicht dazu.“

An der Windschutzscheibe der schwarzen Limousine, mit der Solomon Burke zum Interview im Norden von Los Angeles vorfährt, prangt ein Schild: „Funeral Director“. Einen Stetson über dem schwarzen Dreiteiler und gestützt auf einen großen Wurzelstock, der gleichzeitig als Bischofsstab dient, strahlt der 66-jährige Kirchenführer und Inhaber einer Kette von Beerdigungsinstituten eine natürliche Autorität aus, die selbst das Restaurantpersonal zu besonderer Höflichkeit anstachelt. Nach einem Teller Rührei mit Schinken kann die Audienz beginnen. Der sinnlich warme, mal predigende, mal vertraulich dahinschnurrende Soul-Bariton des King hat nichts von seiner Prägnanz vertoren.“Go(f hat diese Leute ihre Songs schreiben lassen, er hat ihnen auch den Glauben gegeben, doss ich der richtige Interpret dafür wäre“ Mit „diesen Leuten “ meint Solomon keine Geringeren als Bob Dylan, Tom Waits, Van Morrison, Elvis Costello oder Nick Löwe, die eigens für das neue Album des King of Rock’n’Soul ein paar sehr persönliche Songs geschrieben haben. Nicht nur deswegen kann „Don’t Give Up On Me‘ (Fat Possum/Epitaph) bereits jetzt als Soulklassiker gelten. Burke, der sich früher nicht scheute, seine Hermelinbesetzte Schleppe von einem leibhaftigen Zwerg tragen zu lassen, gibt sich bescheiden, was seinen Beitrag dazu anbelangt: „Die Auswahl lag allem bei der Plattenfirma. Ich bin derjenige, der diese Songs verpacken darf, die Fransen und das Geschenkpapier besorgt, sie dem Publikum präsentiert. Meine Aufgabe, ist es, die Botschaften zu überbringen…“

Im Predigen jedenfalls braucht der 66-jährige Vater von 21 (!) Kindern keine Nachhilfe. Er stand bereits auf der Kanzel, als seine späteren Label-Kollegen Aretha Franklin, Wilson Pickett, Otis Redding oder Sam& Dave noch im Sandkasten wühlten. Mit sieben Jahren leitet der „Wonder Boy Preacher“ seinen ersten Gottesdienst, mit neun wird er zum Bischof von „Solomon’s Temple“ gekürt, einer Kirche, der heute 170 Gemeinden in Nordamerika und Jamaika angehören, mit zwölf verbreitet er die frohe Botschaft über einen lokalen Radiosender.

Als Atlantic Records den Sänger Anfang der6oer Jahre unter Vertrag nimmt, hält Solomon Burke das von Ray Charles‘ Abgang getroffene Label mit einer Serie von Top-Ten-Hits am Leben: Country & Western-Balladen wie „Just Out Of Reach“ Rhythm’n’Blues-Schmachter à la „If You Need Me“ und „The Price“ oder der selbst geschriebene Evergreen „Everybody Needs Somebody To Love machen Burke zum King of Rock’n’Soul und einem der begehrtesten Live-Acts sowohl vor weißem als auch schwarzem Publikum. Anders als die zum Priesteramt bekehrten Sangeskollegen Al Green oder Little Richard hat es Solomon Burke niemals für notwendig befunden, seine Liebesschwüre aus dem Gesangbuch abzuschreiben. Singt der bischöfliche Herzensbrecher etwa „Meet Me In Church“ liegt das Motel für ihn gleich um die Ecke: „Eine Liebschaft, genau, das ist auch ein Grund, warum die Leute in die Kirche gehen. Du liebst den Herrn, du liebst Gott, du schaust dich um und fragst dich: Ist sie verheiratet?“

Produktionstechnisch erscheint Solomon Burkes neues Album wie ein anarchischer Gegenentwurf zur Überladenheit zeitgenössischer R’n’B-Hits. Im Studio verlässt sich Solomon vor allem auf seinen Kirchenorganisten Rudy Copeland: „Rudy und ich, wir haben einfach unser übliches Kirchending durchgezogen. Rudy, ich singe, du spielst. Egal was passiert, du folgst mir, und der Rest folgt uns. Wir haben dafür kein Jahr und auch keine sechs Monate gebraucht es waren genau vier Tage! Vier Tage, weil die anderen es so wollten, von mir aus hätten auch zwei gereicht.“

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