Udo Lindenberg: Rauchzeichen
Gottes Finger zeigte unmißverständlich auf ihn: Ein mittelprächtiger Herzinfarkt erinnerte den Vorsitzenden der Flexiblen Betriebe daran, daß auch Rock 'n' Roller keinen Anspruch auf flexible Lebenszeit haben. ME/Sounds-Mitarbeiter Gerd Augustin, Co-Autor von Udos Autobiografie "El Panico", befragte den Panik-Chef, wie er sich ein Leben ganz ohne Panik vorstellt.
Im Jahr 1990 gab es einen Sänger. Jedes Kind kannte seinen Namen, in jedem Haus gab’s seine Platten. Seine Poster verkauften sich millionenfach, seine Shows liefen im Fühl-Kino und Satelliten-TV.
In seinen Science-fiction-Songs erzählte er vom Atomkrieg aus Versehen, von den Selbstmord-Wellen in den Ghettos der Automaten-Städte und von der Sexualroboterin Amoureen. Er nahm kein Blatt vor den Mund: „Ihr steht mit einem Bern im Marskanal und mit dem anderen im Neandertal.“
Das Volk hing an seinen Lippen, doch er machte sich mit seiner Ehrlichkeit nicht nur Freunde. 1990, bei einem Auftritt auf der Bühne, wurde er erschossen. In der „Tagesschau“ log ein Mann vom Staat: „Ein Geisteskranker verübte ein Attentat. „
Bereits 1976 hat Lindenberg diese Vision auf seiner LP GALAXO GANG festgehalten. Jetzt haben wir den Salat: Am 15. Januar beginnt die Mammut-Tournee durch Deutschland, und Udo, mehr als nur ein wenig abergläubisch, klopft auf Holz, daß seine Vision nicht von der Wirklichkeit eingeholt wird.
Viel wurde über ihn in den vergangenen Wochen berichtet, und ein Blatt wußte besser als das andere, wie es denn nun wirklich um uns Udo bestellt war. Die BILD-Zeitung sah ihn bereits mit dem Tode ringen, selbst in den Nachrichten wurden – live aus der Schwarzwaldklinik – die neusten ärztlichen Bulletins verlesen.
Wie konnte es dazu kommen? Ende ’88 verbrachte ich als Mittäter seiner Biographie „El Panico“ fast ein halbes Jahr mit Udo, vor allem in der Münchner Hilton-Bar. So konnte ich hautnah erleben, wie sich der General-Manager der Firma „Lindenberg“ 24 Stunden täglich um den Erfolg seines Unternehmens bemühte – einer der wenigen Firmen, in denen der Chef den Kundendienst noch persönlich erledigt.
Nach Fertigstellung des Manuskriptes lud Udo mich und fünf weitere Freunde auf eine Reise nach Luxor und Cairo ein. Großzügig wie immer, übernahm der Meister sämtliche Spesen. Die Reise verlief, wie alles bei ihm, im gezügelten Schnellschritt. Wenn mittags der Morgen bei Udo begann, ging die Post zunächst noch ganz langsam ab. Aber wenn die Post ihr Ziel am Morgen um Vier erreichte, schien überall der rote Sticker zu kleben: „Express-Per Eilboten“. Selbst im „Urlaub“ war Udos innere Feder immer angespannt. Es war geradezu greifbar, wie er sich in Richtung Herzkasperl manövrierte.
Als dann aber die Nachricht über die Ticker lief, wurde aus der Wahrheit ganz schnell Dichtung. Die Wahrheit war eher banal: Aufgrund der für ihn selbst absehbaren Entwicklung hatte sich Udo zu einem Routine-Check in das Düsseldorfer Klinikum begeben, wo man ihm jedoch .beste Gesundheit“ attestierte. Errare humanum est. Udo selbst wußte zu gut, daß die Diagnose nicht im Einklang mit seinem Befinden stand. Kurz darauf sollte sein Körper recht behalten.
Vier Wochen später verabreden wir uns in Hamburg, um über den Einschnitt in seinem Leben zu reden. Er wirkt zwar ein bißchen blaß, ist aber sonst ganz „der Alte“. Ein paar Runden auf dem Fahrrad-Trainer im Keller stehen auf dem Programm, beste Gelegenheit also, den Patienten selbst nach dem Krankheitsbild zu befragen.
„Wenn man so lebt wie ich“, keucht er und tritt in die Pedale, „darf man sich nicht wundem, wenn man irgendwann mal zusammenbricht. Das ist eine ganz normale, gesunde Reaktion des Körpers. Und dann läßt man sich halt mal untersuchen, denn mir wurde bewußt, daß ich noch ein paar Jahrzehnte weitermachen muß. Früher dachte man als Rock ’n‘ Roller ja immer, man brauche den Körper nur drei Jahrzehnte – Pustekuchen. „
Er will ein bißchen gesünder leben – kein Nikotin mehr und keinen Alk. „Ein bißchen Radfahren und viel Spazierengehen, Joggen, Schwimmen, Sauna. Den Cholesterin-Spiegel senken, gesunde Ernährung, aber bloß keine Total-Diät. Die Energie muß bleiben „.
Veränderungen gibt es indes in seinem Privatleben. Freundin Sabine weilt zwar gerade in Paris, ist aber für Udo stets präsent. Das ist neu und positiv mitzuerleben, daß Udo sich endlich auf eine Beziehung einläßt. Der Sizilianer in ihm hat doch eine weiche Stelle.
Nach dem gymnastischen Teil steht Musik auf dem Programm. Auf dem Weg ins Chateau-Pape-Studio, wo die wiedervereinten Frumpy eine neue Platte aufnehmen, hört sich Udo im Auto die Cassette der neuen Maffay-LP an. Zum ersten Mal erlebe ich Udo als Fahrer. Vor seiner „Wiedergeburt“ hatte er es tunlichst vermieden, selbst zu chauffieren: zu riskant!
Wir sprechen über die Kollegen. Marius steht plötzlich wieder ganz oben, Maffay bringt eine neue Platte auf den Markt, gleichzeitig schickt Polydor Udo ins Rennen. Doch Udo ist von seiner 33. LP überzeugt. „Wir haben fast alle Songs wieder live eingespielt. Ich hatte keinen Bock mehr auf Computer und all das Gezappel und Gerappel. „
Nach dem Kurzbesuch bei Frumpy im Chateau-Pape geht’s weiter Richtung Reeperbahn. Um Udo zu verstehen, muß man den Kiez kennen. In diese „geile Meile“ steckt er, wie etwa im ersten Song des neuen Albums, alles rein: „Ich weiß nicht, warum ich nicht so richtig happy hin. Und nach ner Weile kommt’s mir wieder in den Sinn. Da gibt es so ’nett Boulevard, die Große Freiheit auch ganz nah, und ich weiß, mich ziehtsz um Kiez.“
Mit Udo über die „geile Meile“ zu latschen, kommt dem Gang im Schlepptau einer lebenden Legende gleich. Überall begegnet man Leuten, über die er in seinen Songs schreibt. So mancher Türsteher scheint bereit, seine Tagesgage mit Udo zu versaufen. „Udo! Schön dich zu sehen! Geht’s dir wieder besser? Komm doch auf’n Sprung rein. “ Da kann „der Mensch Udo“ nicht widerstehen und schaut mal eben rein. Eine Flasche Champus, zwei Bier und einen Tee bitte! Und – wir haben schließlich noch was vor – „die Rechnung bitte!“ Die Live-Action findet heute in der Großen Freiheit 36 statt. Im ausverkauften Laden wird für Udo sofort ein Ehrenplatz freigemacht. Inzwischen ist es zwei Uhr morgens. Noch schnell in die Bar des Interconti, wo wir zum Ausklang des „Action-Tages“ noch einmal auf die Situation der Flexiblen Betriebe zu sprechen kommen.
„Ich mach ja viele Platten, und wenn die Dinger raus sind, geht es automatisch weiter. Ich denke da nicht an Marketing-Strategien, das ist keine Vertragserfüllungsmaßnahme. sondern die Dinger werden gemacht, als Momentaufnahme, als Dokument einer Phase. Meine Songs sind wie Kinderchen: Sie wachsen und irgendwann wollen sie raus auf die Straße. Zing – und schon geht das Leben weiter!“
„DIE CASSINGLE“ – Cassette contra SINGLE
Es war eine kuriose Premiere: Erstmals kletterte in den USA eine Pop-Nummer auf Platz 1 der Single-Charts, ohne daß auch nur eine Single verkauft worden wäre! Warum drüben die Cassetten-Single die Vinyl-Scheibe abgelöst hat – und warum eine ähnliche Entwicklung hierzulande undenkbar ist, schildert ME/Sounds-Mitarbeiter Volker Schnurrbusch.
„Guten Tag. Ich hätte gern die neue Single von Roxette.“ – „OK. … hier hast Du sie. – „??? Ich wollte eine Single und keine Cassette!“ – „Pech gehabt … dieses Stück wirst Du nirgends als kleine Scheibe bekommen – das gibt ’s nur auf Band. „
Szenen wie diese werden sich tausendfach in den letzten Wochen abgespielt haben. Wo? In den USA. Dort nämlich schaffte es das schwedische Duo mit ihrem neuen Hit bis zur Nummer 1 der Billboard Charts, ohne auch nur ein Gramm Vinyl zu verkaufen. „Listen To Your Heart“ ist nur als sogenannte Cassetten-Single, oder kürzer: Cassingle“ erhältlich.
Dieser Coup ist bisheriger Höhepunkt einer dramatischen Entwicklung des amerikanischen Tonträgermarktes. Das neue Format der „Kurz-Cassette“ verzeichnete in den ersten sechs Monaten dieses nen Zuwachs von sallen 500 Prozent. Vor allem der Siegeszug des „Walkman“ und der Stereo-Anlagen im Auto machten die „Cassingle“ zum Renner.
Ermutigt durch den Erfolg in Übersee, forcierte auch die britische Plaiienindustrie das neue Formal: Auch hier gelang die Markteinführung mit dreistelligen Zuwachsraten. Heute werden bereits etwa zehn Prozent aller Single-Tonträger als Casselte verkauft.
Kommt nun die „Cassingle“ auch nach Deutschland? Logisch wäre es. denn die BRD ist der wichtigste europäische Markt. Hier werden die meisten LPs (nach den USA) und die meisten CDs (nach den USA und Japan) abgesetzt, während Großbritannien bei Singles und Cassetten europaweit führend ist.
Zurück nach Deutschland: Wann kommt der neue Tonträger in unsere Geschäfte? Wenn es nach dem Willen der deutschen Manager gehl, noch lange nicht. Gerade erst hat man schwere Kämpfe mit dem Handel ausgestanden, um zwei unterschiedliche CD Single-Formate unterzubringen. Das gutsortierte Fachgeschäft muß mittlerweile sieben verschiedene Arten von Tonträgern führen: Single. Maxi und LP in Vinyl, Single. Maxi und Longplay als CD sowie die Musicassette. Wenn es nach dem Willen einzelner Firmen ginge, gehörten auch noch goldene CD-Video-Scheiben in drei Größen und Musik-Video-Cassetten zum Standard-Angebot. Kann das noch vom einfachen Fachhandler geleistet werden?
Wohl kaum. Käme die „Cassingle“, würde die Vinyl-Single den „sudden death“ sterben: der Tonträger, der der Rockmusik auf die Beine half, müßte der Mobilität der Walkman-Generation geopfert werden. Pikanter Nebeneffekt: Die Rückseite der Cassingles wäre für eigene Mitschnitte frei, eine Horrorvision für die Piraterie-geschädigte Plattenindustrie.
Doch so weit ist es noch nicht. Bevor das Wunderkind Cassetten-Single die allmählich unübersichtliche Tonträger-Familie bereichern kann, müssen seine (Über-)Lebensbedingungen hierzulande gesichert sein. Eine schwierige Aufgabe. Dr. Carl Mahlmann. Marktforscher bei der Kölner EMI Electrola. konstatiert ein „völlig unterschiedliches Qualitätsbewußisein in Deutschland, den USA und Großbritannien. Wir wissen durch eine ausführliche Studie wn der totalen Ablehnung der Cassetten-Single durch den Käufer. Der deutsche Käufer möchte seine Lieblingsmusik animieren können. Sicht umsonst funktioniert die Musicassette nur in den Segmenten Gebrauchsmusik und Kinderhörspiele. Vollpreis-MCs mit Rockmusik machen dagegen fünf Prozent der Verkäufe aus.“
Tatsächlich ist Deutschland neben Japan der anspruchsvollste Markt für Tonträger. Anders als amerikanische oder britische Kaufer sehen die Deuischen im Tonträger das Sammel- und Statusobjekt und weniger das Konsuniprodukt. Während dort die „Einweg“-Cassette floriert, faßte hier die kleine, aber feine CD-Single schneller Fuß. Peter Zombik, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft, meint denn auch: „Zwar ist jede Hilfe für den Single-Markt willkommen, doch bevor es hier zu einer Markteinführung kommen kann, müßten wir erst etwas für das Ansehen der Musikkassette im allgemeinen tun. Zur Zeit prüft die Industrie, ob sie Maßnahmen in dieser Richtung ergreifen wird.“
Engagierte Befürworter einer solchen „Kampagne pro MC“ sind die Marketing-Chefs der BMG Ariola, Gerd Ludwigs, und der WEA, Gerd Gebhardt: „Für die MC spricht ihre Preisgünstigkeit und die wachsende Mobilität der Käufer“, meint Ludwigs. Und weiter: „Außerdem gehört ihr – neben der CD – die Zukunft. Unser Ziel ist es, daß die MC im Handel zum gleichen Preis wie die LP verkauft wird, denn unser Abgabepreis an den Handel ist identisch. Eine Weitergabe des Preises findet nicht statt“, moniert der Ariola-Manager. Nach seiner Einschätzung wird es bis zu 5 Jahren dauern, bis der Markt für Cassetten wiederbelebt ist.
Ähnlich sieht es Gebhardt: „Es wird Jahre dauern, bis die Fehler, die früher verbrochen wurden, ausgeglichen sind. Die MC wird immer noch unterschätzt, obwohl wir die Qualität immer weiter verbessert haben. Wir fordern eine Gleichbehandlung von Vinyl und Cassette durch den Handel. Wenn eine LP für, sagen wir, 16 Mark angeboten wird, darf die MC, die versteckt in der Ecke steht, nicht fünf oder sechs Mark mehr kosten.“
Zum konkreten Thema Cassetten-Single halten sich die Experten übrigens zurück. Gebhardt: „Zur Zeit ist sie unbedeutend. Wir haben mit der CD-Single einen guten Ersatz für Vinyl. „Die Kampagne für die MC – wenn sie denn zustandekommt – ist also nur insofern vor dem Hintergrund des „Cassingle“-Erfolgs zu sehen, als die Konzernzentralen in Amerika und England von ihren deutschen Niederlassungen Taten sehen wollen. Am Ende wird mal wieder die alte Erkenntnis stehen, daß der deutsche Markt nicht für kurzlebige Trends geeignet ist – quod erat demonstrandum.
LAURIE ANDERSON – Engel in SCHWARZ
Früher mochte sie jede Farbe, Hauptsache sie ist schwarz. Düster sieht die New Yorker Avantgarde-Päpstln die Welt noch Immer, die Musik auf Ihrem neuen Album STRANGE ANGELS allerdings klingt fast schon fröhlich. Entdeckt der kühle Engel letzt die Fleischeslust?
Selber schuld: „Eine Zeitlang war ich es wirklich leid, Laurie Anderson zu sein. Selbst auf der Straße sprachen mich die Leute an, um mit mir hochintellekluelle Dispute zu führen. Das nervt!“ Durch ihre spröden Kompositionen und ätzenden Text-Anklagen ist die New Yorkerin längst zur Symbolfigur der amerikanischen Musik-Avantgarde und des Widerstands gegen ein verkrustetes Gesellschaftssystem geworden.
Ob sie nun gegen die Reagan-Administration wetterte oder scharfzüngig die neue Armut von Millionen Menschen im reichsten Land der Welt geißelte – Laurie Andersons Wort hatte immer Gewicht. Daran hat sich bis heute auch nichts geändert, auch wenn Laurie das nicht wahrhaben will:
„Vieles von dem, was ich sage, wird ganz einfach überbewertet. Ich erzähle doch nur Geschichten.“ Geschichten freilich, die den Zuhörer im Mark treffen. Verpackt in potente Prosa, legen Laurie Andersons Texte die Bruchstellen des amerikanischen Traums frei. Die Ideen zu ihren Songs bekommt sie in diesen Tagen quasi frei Haus geliefert: „Die Straße, in der ich wohne, ist inzwischen so etwas Ähnliches wie ein großer Schlafsaal. Jeden Tag sehe ich mindestens zehn Leute, die dort übernachten, weil sie sich einfach kein Dach über dem Kopfleisten können.“
Von sozialen Mißständen handelt auch eine Multi-Media-Show, die Laurie Anderson jüngst an der Brooklyn Academy Of Music inszenierte. Darin zeigt sie das andere Amerika jenseits von Rockefeller und Tiffany: Städte, die in ihrem eigenen Dreck ersticken, Nachbarn, die sich ihr ohnehin schon erbärmliches Leben nach besten Kräften gegenseitig zur Hölle machen.
Laurie Anderson, die Intellektuelle, die Künstlerin, die Kraft schärfster Beobachtungsgabe den degenerierten Amerikanern den Spiegel vor die Augen hält? „Alles Bullshit“, wehrt die bühnenerprobte Musikerin unwirsch ab. „Ich versuche nur, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Dabei sind die einfachsten Stilmittel oft die wirkungsvollsten.“
Auf musikalischen Minimalismus festlegen möchte sich Laurie Anderson jedoch nicht. Dominieren bei ihren Auftritten vor der US-Intelligenzia musikalisch noch – spärlich eingesetzt – Violine und Keyboard, so schlägt sie auf STRANGE ANGELS, ihrem ersten Studio-Album seit 1984, wesentlich vielfältigere Töne an. Die Magie ihrer Stimme, die sie auf der LP wieder mit allerlei Effekten verfremdet, entfaltet sich plötzlich auf einem luxuriösen Teppich üppiger Arrangements. Bricht Laune Anderson jetzt mit ihrer Vergangenheit? „Mein Ziel ab Künstlerin ist es, eine Atmosphäre zu schaffen, in die der Zuhörer eindringen kann. Das war früher so, und daran hat sich auch bei STRANGE ANGELS nicht geändert.“
Dennoch – von der avantgardistischen Kargheit früherer Jahre ist nichts mehr zu spüren. Statt auf hausgemachte Akkorde, setzt Laurie Anderson jetzt auf die Unterstützung prominenter Kollegen. Bobby McFerrin steuert ein paar Gesangslinien bei. Steve Gadd und Anton Fier tricksen an den Trommeln, Arto Lindsay und Chris Spedding spielen Gitarre, und Tony Levin zupft den Bass. Als Sahnehäubchen obendrauf: die singenden Schwestern Maggie, Suzzy und Terre Röche, die als The Roches Ende 70er Jahre die amerikanische Folk-Szene aufmischten.
Trotz dieser ansehnlichen Liste von starken Musiker-Persönlichkeiten trägt jedes Stück des Albums unverwechselbar die Handschrift Laurie Andersons. Ob sie nun einen Gospelchor agieren läßt („The Day The Devil“), mit kantigem Bläsersatz einen Latin-Ausflug unternimmt („Baby Doll“) oder sich selbst „superman“-mäßig zitiert („Beautiful Red Dress“) – alles klingt nach der Frau, die ihren Fans so vertraut scheint und die dann doch immer wieder für Überraschungen gut ist. Notgedrungen, wie sie meint: „Auf der Bühne kannst du mit verschiedenen Bildern Abwechslung erzeugen und komplizierte Inhalte vermitteln, wie zum Beispiel bei meiner Multi-Media-Show. Eine Schaltplatte muß dagegen für sich allein sprechen. Da ist es dann schon mal erforderlich, neue Wege zu gehen.“
Die hat Laurie Anderson mit ihrer neuen LP zweifellos in jederlei Hinsicht eingeschlagen. STRANGE ANGELS dokumentiert die musikalische Metamorphose einer mit sparsamen Mitteln arbeitenden Dadaistin hin zur in bunten Farben schwelgenden Sound-Expressionistin.