UarrRgh!!?


Nach dervöllerei kam die Diät. 15 Jahre lang brauchten Meat Loaf und Partner Jim Stein man, um sich zu bekämpfen, zu verklagen und zu versöh- nen. Inzwischen fliegt der „Bat Out Of Hell" wieder — und er fliegt höher denn je. Und die beiden Streithähne wundern sich, warum sie so lange brauchten.

Is ist ein Uhr morgens, und Jim Steinman hält Hof. Wir sind in der fast leeren „Le Bar Bat“, irgendwo in Manhattan. Von der Decke hängen Plastik-Fledermäuse. Eine ohrenbetäubende Fusion-Band spielt ein anscheinend endloses Set, das nur durch Steinmans polterndes „Fuck off!“ nach jeder Nummer irgendwie unterteilt wird.

Steinman hat jeden Appetizer und jedes Dessert auf der Karte probiert. Zweimal. Um ihn herum türmen sich Berge von Essen, in denen sein zotteliges graues Haar manchmal hängenbleibt. Zwischen schmelzenden Ice-Cream-Resten steht ein gewaltiger Pott mit irgendetwas Rot-Alkoholischem, aus dem er mit einem Strohhalm schlürft, der so lang ist wie der Arm eines ausgewachsenen Mannes. Jim Steinman wird sich nicht bewegen, bis er ganz ausgetrunken hat. Jim Steinman ist ein Meister der Exzesse.

Ein paar Stunden vorher, in einem Proberaum irgendwo in der Nähe. Hier probt Meat Loaf, Steinmans Muse und Sänger auf beiden „Bat Out Of Hell“-Alben, mit seiner neuen Band (der Steinman nicht angehört). Loaf starrt die Musiker an, während die sich an einer langsamen Version von „You Took The Words Right Out Off My Mouth“ versuchen. ^Majestätisch!“, brüllt Meat Loaf, und seine rechte Schulter zuckt, als hätte er da irgendeine Nervenstörung. Dem grau werdenden Haar würde ein Shampoo ganz gut bekommen, aber sonst scheint er gut in Form zu sein und eher kompakt als fett. ¿

Zwischen dieser Probe und dem Essen in der ,.Le Bar Bat“ erzählen Jim Steinman und Meat Loaf ihre Geschichte. Wir befinden uns im legendären „Power Station“-Srudio. wo die Band Effekte sampelt, die sie später live verwenden will. Steinman, Meister der exzessiven Verspätung, hinkt acht Stunden hinter dem Zeitplan her.

Die beiden Männer sind absolut gegensätzlich — und keiner kommt ohne den anderen aus. Niemand singt einen Jim Steinman-Song auch nur annähernd so wie Meat Loaf, und niemand schreibt auch nur im entferntesten so für Meat Loaf, wie Jim Steinman es tut. Um es klipp und klar zu sagen: Überhaupt niemand schreibt wie Jim Steinman. Er ist vielleicht so etwas wie ein verlorenes Genie der Pop-Musik, unerkannt und unbejubelt, ein Gestrandeter in einer Rock-Welt mit Opern-Einschlag, wo das Leben da aufhört, wo das Erwachsensein die Träume der Kindheit zerschmettert. Jeder Refrain wie das Ende der Jungfräulichkeit, jede Zeile, als ob du deine Eltern umbringen würdest. Als ob Phil Spector und Richard Wagner zusammen Platten machten. „Bombastisch?“ grinst Steinman, „natürlich ist es bomastisch. Das ist ein Kompliment für mich. Rock ’n ‚Roll ist die bombastische Kunstform überhaupt — gigantisch alle Maßstäbe sprengend, überwältigend und töricht.“

Das Erstaunliche an dem ganzen Rummel ist nicht, daß es jetzt „Bat Out Of Hell II“ gibt – daß einer der erfolgreichsten Alben aller Zeiten eine zweite Folge verpaßt bekommt, geht selbst in das Hirn des naivsten Marketing-Managers hinein. Das Erstaunliche an „Bat Out Of Hell II“ ist vielmehr, daß die beiden es zusammen gemacht haben — nach einem Jahrzehnt Rechtsstreit, Verleumdungen, Buhrufen und und Bankrotterklärungen.

Von vorne: Meat Loaf wurde als Marvin Lee Aday in Texas geboren, zog nach L.A. und gründete „Meat Loaf Soul“, mit der er als Vorgruppe für Hendrix, die Who und Sun Ra spielte. 1969 bewarb er sich für die L.A.-Aufführung von „Hair“ — mit Erfolg.

Jim Steinman wurde in New York geboren, wuchs in einem intellektuellen Elternhaus auf und besuchte das ehrenwerte Amhurst College. Angeblich soll er da eine Band namens „Die Clitoris die dachte, sie sei ein Schniedel“ gegründet haben, aber an dieser Stelle brüllt Meat dazwischen, daß das „Steinmansche PR“ sei, worauf Jim nur „Oh dear“, murmelt.

Jedenfalls trafen sich die beiden im November 71 zum ersten Mal, als Meat bei den Auditions zu Jims „South Pacific Set in Vietnam“-Musical vorsang (ein Augenblick, der vom „Spin“-Magazin immerhin als siebtwichtigster Moment der Rockgeschichte geführt wird …). Meat sang also, und Jim sagt heute, er sei wie versteinert gewesen: „Meat war das Faszinierendste, was ich je gesehen hatte, etwa so, wie ich mir als Wagner-Fan Helden vorstellte.“

Die beiden taten sich zusammen. Und dann kam „Bat Out Of Hell“: acht perfekte Songs, die noch fast 20 Jahre später jährlich eine Million Alben verkaufen sollten. Produziert und finanziert hatte das Album, das zuerst niemand haben wollte, Todd Rundgren. „Es ist überhaupt nur veröffentlicht worden, weil Springsteens Gitarrist Miami Steve der CBS klargemacht hat, daß das Intro von , You Took The Words…‘ die besten zehn Sekunden seien, die der Rock’n’Roll jemals erleben durfte“, erinnert sich Meat.

Und dann lief eigentlich alles schief. Schrecklich schief. Als „Bat Out Of Hell“ langsam aus den Startlöchern kam, begann die Band mit der Tour: 170 Konzerte in den ersten zehn Monaten des Jahres „78. „Damals haben sie begonnen, uns unter Druck zu setzen“, sagt Meat — wobei er mit „Sie“ das gemeinsame Management und Label meint, die bereits verzweifelt nach dem „Bat“- Nachfolger gierten, der „Renegade Angel“ heißen sollte. Meat und Jim gerieten aneinander: Weil Jim ein Textbuch geklaut wurde. Weil Meat die neuen Songs nicht draufbekam. Weil er Keyboarder Roy Bittan nicht leiden konnte, Jim aber mit ihm zusammenarbeitete. Dann fiel Meat in Kanada von der Bühne, und die Tour mußte abgebrochen werden. Anschließend war seine Stimme weg. Das sei psychosomatisch gewesen, erinnert er sich, weil er nicht mehr wollte. Er hätte seine Stimmer ruinieren können, mit Whiskey und Zigaretten. Aber das war nicht nötig. Meat habe sich damals seinen eigenen Urin spritzen lassen, frotzelt Steinman. „Aber es war nicht so, daß ich in einen Becher gepinkelt habe und sie mir das dann gespritzt haben, das weißt du ganz genau!“, verteidigt der sich. Und erzählt von dem Masseur in L.A., der ihm schließlich geholfen habe:

„Der vertrat die Theorie, daß der Körper wie ein elektrisch verkabeltes Haus ist. Und wenn du eine Sicherung raus jagst, fließt halt kein Strom mehr. * Steinman veröffentlichte „Renegade Angel“ ’81 als Solo-Album mit dem Titel „Bad For Good“. Und den Songs, die Meat hätte singen sollen.

Er habe den Gedanken nicht ertragen können, daß niemand diese Songs hören sollte, meint Steinman.

Als Meat wieder da ist, nehmen die beiden „Dead Ringer“ auf. Und weil Meat noch nicht richtig kann, werden die Gesangs-Tracks Satz für Satz zusammengefahren. Dann teilt das Management Steinman mit, daß er nicht live spielen würde. Meat verklagt das Management. Steinman tut nichts. Die Zusammenarbeit ist beendet: Ein Dream-Team bricht auseinander.

Und dann? Dann verklagte erst einmal jeder jeden, weil niemand das Geld gesehen hatte, das ihm zustand. Meat Loaf nahm seine grauselige

„Midnight At The Lost And Found“-LP auf, weil er mit Zahlungsforderungen zugeschüttet wurde. Seine Plattenfirma riet ihm, jeden Kontakt zu Jim abzubrechen, weil niemand dessen Songs hören wollte.

Wer Schuld hatte? Meat beschuldigt noch heute seinen Manager Davon Sonnenberg, er habe ihn permanent als einen Schurken, Drogenabhängigen und Besoffenen dargestellt, obwohl er zwischen ’88 und ’91 von 500 Shows nur eine einzige absagen mußte. Sonnenberg wiederum sagt, Meat sei nicht mehr bei Sinnen gewesen. „Naja“, meint Meat, „wenn ich ihm jetzt begegnen würde, wäre ich wahrscheinlich ganz nett, aber eigentlich mag ich ihn nicht. Er hat versucht, uns zu zerstören. Sonnenberg mochte Jim nicht. Und ich bin mir nicht sicher, ob er ihn heute mag.“

Das ganze juristische Hickhack jedenfalls hatte zur Folge, daß Meat und Jim seit 1980 keinen Pfennig mehr aus den „Bat Out Of Hell“-Erlösen gesehen haben. Die CBS, behauptet Steinman, habe 120 Millionen Dollar mit dem Album gemacht und zugegeben, daß es kommerziell sogar erfolgreicher sei als „Thriller“.

Meat Loaf nahm ein weiteres, mäßig erfolgreiches Album auf. 1987 hatte er dann keinen Platten-Vertrag mehr. Die Stimme war wieder da — nur die Steinman-Songs fehlten, von zwei Versuchen auf „Bad Attitüde“ einmal abgesehen. Es war einfach nicht dasselbe. Steinman produzierte in der Zwischenzeit wie ein Besessener. Machte einen Star aus Bonnie Tyler. Die Sisters of Mercy klangen mit ihm wie die größte Band der Welt. Er half Air Supply, Barbra Streisand und Barry Manilow. Und Def Leppard — die feuerten ihn allerdings während der „Hysteria“-Sessions. Also blieb ihm nur noch eines übrig: „Weihnachten ’89 bin ich zu Meats Haus gefahren, und wir haben .Bat Out Of Hell‘ am Piano gesungen. Und irgendwie war es ein cooler Gedanke, wieder zusammen zu arbeiten …“ Vier Jahre später kam „Bat Out Of Hell II“.

Auch Todd Rundgren, der Produzent des ersten Bat-Albums, ist wieder dabei — diesmal als Arrangeur der Gesangssätze. Meat Loaf hat sich mit ihm in die Haare gekriegt, angeblich, als sie in Rundgrens Haus den Background-Gesang aufnehmen wollten. Meat sagt, Todd sei ein fauler Rumhänger. Und Todd sagt, er habe an diesem Tag lediglich anzudeuten versucht, daß ihm die Songs allesamt ein bißchen lang vorkämen. Und was sagt Jim? „Todd ist einer der wenigen Menschen, die sowas wie ein ldolfir mich sind“, sagt er, und Meat kocht förmlich vor sich hin.

Inzwischen ist die zweite „Bat Out Of Hell“ also losgeflattert, und die Erwartungen sind extrem. Genau wie die Meinungen: „Es gibt nicht Vergleichbares“, meint Steinman, „ich bin mir sicher, daß das Album die Leute berührt und ihr Leben bereichert.“

Und Meat Loaf? Der seufzt. Und sagt, daß Jim das nicht wisse, aber ein Parapsychologe habe ihm gesagt, daß Jim seine besten Werke längst geschrieben habe und ihm Ähnliches nie wieder gelingen werden.

“ Und wenn das Album nicht mindestens drei oder vier Millionen verkauft, dann muß es schon ein verdammt kalter Tag in der Hölle werden, bevor sie uns noch eins machen lassen.“