Turmbau zu Bono gestoppt


Größenwahnsinniges Rockstar-Eitelkeitsprojekt unter den ersten Opfern der Finanzkrise

DUBLIN -Jahrelang hatte sich der Streit mit den Denkmalschützern hingezogen, am Ende stand die Entscheidung: Ja, das Megauntemehmen U2 darf das von ihm geführte historische „Clarence Hotel“ mitten in Dublin aufstocken und zum i4o-Zimrner-5-Sterne-Luxushotel mit Glaskuppel, Spa, Restaurant und Pipapo ausbauen, unter Aushöhlung fünf weiterer denkmalgeschützter Häuser in derUmgebung. Noch „ehrgeiziger“ ist das Bauprojekt der Band am Hafen von Dublin, wo der von Stararchitekt Norman Foster gestaltete, ebenfalls von Stadtbewahrern schwer kritisierte „U2 Tower“ entstehen soll, mit 130 Metern der erste Wolkenkratzer Irlands, Baukosten ca. 200 Millionen: ein monumentales Eitelkeitsprojekt mit einem Studio in der Spitze, von dem aus U2 ab 2011 die Welt zu beglücken gedachten. Jetzt ist das „Clarence“ in den roten Zahlen, der Turmbau zu Bono in den Docklands vorerst gar ganz gestoppt. Grund ist die Finanz- und Immobilienkrise, die Irland besonders früh und hart traf.

„Finanzkrise“, das ist das meist als Blase dargestellte Prozessstadium des Kapitalismus, das eintritt, wenn so lange irreales „Geld“ (Tauschmittel ohne Gegenwert) „produziert“ und an den Börsen „gehandelt“ wird, bis jemand feststellt, dass es irreal und ohne Gegenwert ist. Die im Klagen über mangelnde Profitzuwächse seit Jahren erfahrene Musikindustrie fand bereits Anfang 2008 eine schöne Metapher für diesen Vorgang, als eine Million Exemplare des Robbie-Williams-Albums rudebox nach China verschifft wurden, um für die Herstellung von Straßenlaternen recycelt zu werden. Es handelte sich, wohlgemerkt, um das meistverkaufte Album eines Solokünstlers des Jahres 2006 – Blasen gibt es also offenbar nicht nur an den „Geldmärkten“, sondern auch in den Absatzerwartungen gewisser Strategen der Unterhaltungsindustrie, denen es dafür entschieden an Geduld fehlt: Als DEEP PURPLE IN ROCK 1973 m Deutschland als „meiswerkaufte Rock-LP aller Zeiten“ gekrönt wurde, waren gerade mal 250.000 Stück weg – in drei Jahren.

Zweifellos ist (auch) die Musikindustrie dem Wahn aufgesessen, sie könne aus demselben Konsumenten Jahr für Jahr mehr Geld herausmelken, von dem niemand je gefragt hat, wo es eigentlich herkommen soll – und ob der Gegenwert den Zuwachs rechtfertigt. Wer irreale Wachstumsziele erreichen möchte, hat traditionell zwei Möglichkeiten. Er kann entweder die Haltbarkeit seiner Produkte verringern. Das ist mit der CD im Vergleich zur LP zwar gelungen, aber nicht in befriedigendem Maß. Der zweite Weg ist eben die Generierung von „Wert“ ohne Gegenwert – mittels Zweit- und Mehrverwertung, weshalb der Kneipenbesucher mit dem Bierpreis auch die unverlangt im Hintergrund dudelnde Musik mitbezahlt, obwohl er dafür keinen Gegenwert bekommt und die Kosten für deren Erstellung längst abgegolten sind. Und wenn alles nicht mehr hilft, geht man eben an die Börse, wie David Bowie, der dort seinen „Wert“ vervielfacht hat. Das geht aber nur so lange gut, bis die Blase platzt und die Blähung sich mit einem weltdurchdringenden Furz entlädt. Der französische Philosoph Alain Badiou empfahl kürzlich „die Rückkehr zum unmittelbaren und reflektierten Leben all derer, die diese Welt bewohnen“. Gute Idee. Dann schauen wir uns den Zusammenbruch des Kapitalismus von außen an. Und hören dazu Musik. Die nämlich kostet, .gegenlautenden Gerüchten zum Trotz, nach wie vor gar nichts.