Try to be Mensch-am Anfang vom Ende…
17. Oktober 1987: Das Debütalbum von Element of Crime ist gerade erschienen, da wird die Westberliner Band eingeladen, mit der DDR-Band Die Firma (mit zwei Stasi-IMs) ein „Geheimkonzert“ in der Ostberliner Zionskirche zu spielen, dem Gotteshaus am höchsten Punkt des alten Berlin (Mitte), in dem ab 1931 der von den Nazis im KZ ermordete Dietrich Bonhoeffer als Synodalvikar gewirkt hatte und sich seit 1986 DDR-Oppositionsgruppen trafen. Geheim ist an der Veranstaltung wenig: Die Stasi weiß ebenso Bescheid wie die ca. 100 Besucher einer „Geburtstagsfeier“ im zwei Kilometer entfernten „Sputnik“, überwiegend Skinheads und Union-Hooligans, die sich nach dem 0:2 gegen Lok Leipzig (durch das der 1. FC Union ans Tabellenende gerutscht war) Wut antrinken und beschließen, sich unter Führung der neofaschistischen „Ostkreuzer“ und ihres „Sturmbannführers“ Ronny B. an den etwa 2.000 Grufties, Anarchisten, Normalbürgern und Punks in der überfüllten Kirche abzureagieren (besonders an Letzteren, von denen sie tags zuvor bei einer Straßenschlägerei vor dem „Haus der jungen Talente“ ordentlich auf die Mütze bekommen haben). Kurz nach 22 Uhr ist das Konzert zu Ende, da stürmt die Nazi-Hundertschaft per Tram zur Kirche, skandiert die üblichen Parolen („Heil Hitler“-,, Judenschweine“) und prügelt ohne Vorwarnung los. Die Volkspolizei, die das ganze Konzert über anwesend war, greift nicht ein, nach einer halben Stunde verziehen sich die Angreifer, erst nach weiteren Pöbeleien in der Tram kommt es zu Festnahmen. Das Problem: Die Stasi weiß von den Umtrieben der Nazis, da es solche aber offiziell in der DDR nicht gibt und nicht geben darf, werden sie generell verschwiegen. Das geht diesmal nicht mehr, da die Westpresse sofort informiert ist. Die vier Rädelsführer werden am 3. Dezember 1987 zu ein bis zwei Jahren Haft verurteilt; DDR-Presse, Generalstaatsanwalt und Öffentlichkeit fordern härtere Strafen. Mit Erfolg: Mit Genehmigung von Staatschef Honecker wird die Haftdauer in der Berufungsverhandlung unter Hinweis auf den antisemitischen Hintergrund verdoppelt. Bald darauf stellt die Stasi fest, dass es etwa 800 rechtsextreme Kahlköpfe in der DDR gibt; gut zwei Jahre später gibt es die DDR nicht mehr. „Ich würde mich deswegen nicht schuldig fühlen“, sagte Sven Regener später auf die Frage, ob der Auftritt seiner Band der Anfang vom Ende des zweiten deutschen Staats gewesen sei. »> VORABDRUCK AUS DEM NEUEN ROMAN VON SVEN REGENER SEITE 32