Trip Hop


There's no wax like MoWax: James Lavelle, 2ojähriger Labelchef, beglückt England mit trägem TripHop. Der Rest der Welt tanzt in der Warteschleife

Die beste Musik ist die, bei der du dich daheim hinsetzen und sie anhören kannst, wo du abspülen oder Liebe machen kannst, zu der du aber auch jederzeit in einem Club tanzen kannst“, sagt James Lavelle, der 20jährige Labelchef von MoWax Records, London und bringt damit sein Label auf den Punkt. MoWax ist das Aushängeschild für all die Musik, der die trendgierige britische Presse inzwischen den Oberbegriff ‚TripHop‘ ans Revers geheftet hat. Nach Jungle kommt mit ‚TripHop‘ die langsamere Spielart der Dance Music zum Tragen. Basis sind die gemächlicheren Breakbeats, wie sie amerikanische DJs für Hip-Hop-Platten verwenden. Aber Rapper gehören in der Regel nicht zum MoWax-Programm: Über den Beats liegen Acid-jazzige Samples, verfremdete Stimmen, Anklänge an Dub Reggae, Ambient House oder gar Techno-Loops. „Hier trifft sich der ganze Kram aus dem Underground“, erklärt Lavelle seinen Sound, „wir fügen die unterschiedlichen Elemente zusammen und schaffen so etwas Neues“. Trotzdem hat Lavelle auch nichts gegen Intelligent-Techno-Produzenten wie Carl Vraig oder Black Dog .

Tatsächlich klingen viele Maxis wie ein brandneues Klangerlebnis und lassen sich nicht ohne weiteres einem etablierten Stil zuordnen. MoWax ist aber kein festgefügtes Team von Musikern, sondern James Lavelle holt sich seine Inspirationen in der ganzen Welt. Der Japaner DJ Krush und Love T.K.O., der kalifornische DJ Shadow, La Funk Mob aus Paris sowie diverse Bands aus der Londoner Acid-Jazz-Szene wie The Max, The Watergates oder Federation haben alle für sich einen Stil entwickelt, der nach den Jahren der elektronischen Überhektik zu einer erotischen, langsam treibenden Stimmung zurückfindet. Die Basis ist HipHop, darauf legt Lavelle Wert. Er selbst ist großer Fan der Beastie Boys und der Jazz-Hopper A Tribe Called Quest, aber weil sich amerikanischer Rap nicht eins zu eins auf andere Kulturen übertragen ließe, hätten sie eben das daraus gemacht, was manche nun TripHop‘ nennen.

Lavelle wehrt sich gegen diese Art von Kategorisierung, wie das Künstler meistens tun, aber mit dem Gedanken, daß mit MoWax und der Musik des Labels ein einheitlicher Stil einhergeht, kann er sich schon eher anfreunden. „Wir wollen etwas hervorbringen, wo sich junge Leute wiederfinden können“, meint er, „eine Sache, die ihre eigene Sprache hat, eigene Zeichen, an denen man MoWax sofort erkennt.“ Also läßt er sich von einer Design-Firma seine Kleidung sponsorn, arbeitet für das Cover-Art-Work immer mit den gleichen Leuten (z.B. mit dem Graffitti-Artist 3D – gleichzeitig Mitglied von Massive Attack), legt Wert auf Einheitlichkeit, Wiedererkennbarkeit von MoWax. „Junge Leute wollen nicht nur einfach eine Platte, sie wollen ein Konzept kaufen“, sagt er, „denk an die Beatles und Apple Records, denk an die Rolling Stones und was die für ein Image transportiert haben, denk an Factory Records aus Manchester, die ein unverwechselbares Design hatten.“ Aber James Lavelle will keine Superstars kreieren, er sieht sich durchaus in Verbindung mit der DJ-Kultur der 90er Jahre. Deshalb wird kaum Personenkult betrieben, die Cover zeigen keine Gesichter, sondern werden zu kleinen Kunstwerken gestaltet, die oft allein schon den Kauf der Vinylausgabe Wert sind. Obwohl er erst 20 Jahre alt ist, hat der Labelmanager schon viel Branchenerfahrung vorzuweisen. Mit 13 fing er als DJ an, arbeitete anschließend in verschiedenen Plattenläden, um 1992 die ersten Maxis auf MoWax zu veröffentlichen. War man anfangs noch geneigt, das Label in die Acid-Jazz-Schublade zu stecken, änderte sich mit ‚Influx‘ von DJ Shadow alles. Die instrumentale HipHop-Musik des weißen DJ’s stellte die Weichen für den neuen MoWax-Sound, der von da an immer deutlichere Formen angenommen hat. Seitdem ist Lavelle damit beschäftigt, Demos aus aller Welt auf ihre MoWax-TripHop-Tauglichkeit durchzuforsten. ‚Royalties Overdue‘, das erste Album des Labels, eine Compilation der frühen Singles, erschien erst Mitte 1994, doch seit Ende des vergangenen Jahres liegt mit ‚Headz – A Soundtrack of Experiment‘ eine neu zusammengestellte Triple-LP vor, die der britsche New Musical Express zur besten Compilation des Jahres 1994 kürte. ‚Headz‘ bringt das ganze Spektrum, das TripHop ausmacht, zusammen: Gesampelte John-Coltrane-Bassläufe von Patterson, Ambient Techno von Autechre (die vom befreundeten WARP-Label aus Bristol „ausgeliehen“ wurden), Tracks vom ‚Meister der Langsamkeit‘ Howie B. und etliche durch MoWax eingeführte Namen mehr. Inzwischen haben sich schon einige Bands per Maior-Label-Vertrag von MoWax verabschiedet, was den Labelmanager bei seiner Suche nach neuen Künstlern nur noch zusätzlich beflügelt. Längst ist es nicht mehr nur Lavelles Label allein, das in England TripHop-Musik produziert. Das Produzenten-Team ‚The Dust Brothers‘ hat parallel zu Lavelle in eine ähnliche Kerbe gehauen und fertigt hauptsächlich trippige Remixes von The Prodigy, Sven Väth und Renegade Soundwave an. Längst gibt es in England eigene Clubs, die auf den langsamen Sound spezialisiert sind, und sogar bei uns rührt sich etwas, sind doch gerade die ersten deutschen Trip-Hop-Maxis in den Dance-Record-Shops gesichtet worden.