Transvision Vamp
Erotisches Cover-Girl oder emanzipiertes Rock-Idol: Welche Rolle spielt Wendy James? Kann die selbstbewußte Sängerin im offenherzigen Gespräch mit ME/Sounds die Widersprüche lösen, die sich um ihre zierliche Person ranken?
Kontrovers ist ein viel zu schwaches Wort, um die hitzigen Diskussionen zu beschreiben, die sich um Transvision Vamp drehen. Um um ehrlich zu sein – ich kann diese Spiegelfechtereien schon lange nicht mehr ausstehen. Das ödet mich an. Es dreht sich sowieso immer nur um das gleiche. “ In der Tat: Es dreht sich immer um Wendy James und um ihre Rolle in einer Medienwelt, die ein erotisches Cover-Girl allemal lieber sieht als eine emanzipierte Polit-Aktivistin.
Wendy James ist nun aber mal beides.
Es dreht sich aber auch immer wieder um die Frage, wie ernst eine Gruppe sich und ihre Musik nehmen muß, um auch von der gestrengen Kritik akzeptiert zu werden.
Auch davon weiß Wendy ein herbes Lied zu singen: “ Mit einer einzigen positiven Ausnahme wurde unser zweites Album VELVETEEN in England von der Kritik niedergemacht, und in Deutschland mag man uns sowieso prinzipiell nicht. Trotzdem war VELVETEEN vom Start weg ein Bestseller, und die Singles laufen ja auch nicht so schlecht. Sind die Leute, die sich unsere Platten kaufen und uns mögen, etwa bloß blöde? Sind das alles nur hirnlose Konsumenten, die sich der täglichen Gehirnwäsche billiger Boulevardblätter wie der ,Sun‘ oder der deutschen ,Bild-Zeitung’aussetzen?“
Wendys rhetorische Fragen lassen sich durchaus mit ,Nein‘ beantworten. Denn selbst wenn sich eine Band wie Transvision Vamp schäm- und gramlos in der Requisitenkammer der Popmusik bedient und mal wie T. Rex, mal wie Blondie oder die Troggs klingt, dann hat das immer noch höheren Unterhaltungswert als die verkrampften Kultur-Etüden konservativer Konservatoriums-Rocker wie Rick Wakeman, Marillion oder gar Yes. Und auf der nach oben offenen Prickelskala mundet ein gut gemixter Cocktail aus bewährten leichten Zutaten allemal besser als ein unausgegorenes Eigengebräu aus hochprozentigem Philosophie-Sprit.
Dennoch läßt es sich nicht von der Hand weisen, daß der Reiz von Transvision Vamp zum großen Teil auf dem Sex-Appeal der ranken, schlanken Wendy beruht. Noch ehe vor Jahresfrist das Debütalbum der Band auf den Markt kam, schürzte die Blondine mit den hellwachen grünen Augen ihre lasziven Lippen auf den Titelseiten aller englischen Magazine. In München konstituierte sich gar ein obskurer „Verein päderastischer Musikkritiker“, um Wendys optischer Dominanz und visionärer Tugend zum gebührenden publizistischen Durchbruch zu verhelfen, und als Sex-Objekt macht die Tochter eines Sozialarbeiters – „mein Dad ist ein richtiger 68er, der noch immer mit Hingabe die Platten von Bob Dylan hört“ – auch auf dem Cover von ME/Sounds eine gute Figur.
Und schon wegen „Wendys optischer Dominanz“ gönnten sich auch strengste Skeptiker ein Konzert von Transvision Vamp im Rahmen der diesjährigen kurzen September-Tournee durch deutsche Lande. Auf der Bühne zeigt sich dann auch, daß die Band hart um musikalische Anerkennung ringt. Nach dem ersten Konzert in England jubelte das Publikum, doch die Musiker waren nicht zufrieden. Auf der Party nach dem Gig brach Wendy deswegen in Tränen aus. Kein Zweifel: Sie nimmt ihre Arbeit ernst.
Doch welche Rolle spielt Miss James eigentlich? Ist sie lediglich das laszive Cover-Girl für die Presse, der sinnliche Bühnen-Blickfang fürs neugierige Konzert-Publikum? Das dementiert sie vehement: „Ich weiß sehr wohl, nach welchen Regeln dieses Spiel funktioniert, und da ich mit Transvision Vamp Erfolg haben will, mache ich das Theater eben mit. Aber das heißt noch lange nicht, daß ich mich als doofes Dummchen mit Schmollmund abstempeln lasse und wie weiland Marilyn Monroe enden möchte. „
Um Marilyn, James Dean und andere Idole dreht sich auch „Born To Be Sold“, ein Schlüsselsong des Albums VELVETEEN, in dem Wendy ihr Credo zusammenfaßt: „Now all I know is all I see /and what I am I choose to be./I don’t need no one to bleed for me / Im gonna make my own history.“ Sie wird ihre eigene Geschichte schreiben, dessen ist sie sich sicher, „und dafür, verstehst du, verkaufe ich mein Image. Das hat überhaupt nichts mit meinem Privatleben zu tun oder mit dem, was ich denke und wofür ich mich engagiere. Und vor allen Dingen werde ich dem Erfolg nie meine Überzeugungen opfern.“ Ihre Smaragd-Augen funkeln.
Wendy wirbt für die Grünen und kämpft für die Gleichberechtigung der Frau. Gleichzeitig aber vermarktet sie ihre sinnliche Ausstrahlung als Cover-Girl und Pop-Vamp. Allen Skeptikern, die darin einen Widerspruch sehen, gibt die selbstbewußte einstige Studentin der Theaterwissenschaften, die früher am liebsten Opernarien sang, den Rat: „Vergeßt Transvision Vamp. Hört weiterhin Bob Dylan und Klaus Lage. „