Transvision Vamp
Vorsicht Ansteckungsgefahr! Das Transvision Vamp-Fieber, das seit Anfang letzten Jahres die britische Insel in Atem hält, grassiert mittlerweile auch auf dem Kontinent. In Bonn jedenfalls erwarteten etwa 1000 vom Wendy-Virus befallene Besucher eine heiße Show.
Wen jedoch nur simpler Voyeurismus gelockt hatte, sah sich getäuscht. Britanniens neue Pop-Lolita hielt sich entgegen anderslautenden Voraussagen in Sachen Sex zurück und zugeknöpft. Statt in freizügigem Glitterröckchen oder hautengem Bodystocking präsentierte sich das blonde Biest geradezu dezent. Allen Miesmachern zum Trotz: Wendys optische Reize sind kein Selbstzweck, sondern gezielt eingesetzte Waffen im Kampf gegen die gesichtslosen Fließbandproduktionen der Hitlisten. So beschränkte sich Miss James außer einiger suggestiver Hüftkreisel auf frech-sinnliches Mienenspiel und sparsame Gesten, effektvoll unterstrichen durch permanenten Windmaschinen-Einsatz. Der Struppel-Look gehört eben zur selbstbewußten Rebellenhaltung.
Kein Zweifel, Wendy James hat das Zeug zum Popstar. Wenn sie ins Mikro haucht: „I Swear I Really Love You“, schlagen alle Herzen höher, und wenn sich Sekunden später ihr zartes Stimmchen in eine fauchende Röhre verwandelt, wandern die berühmten heißkalten, prickelnden Schauer die Nerven am Rückgrat stetig rauf und runter.
Dieser Ausstrahlung konnte sich niemand entziehen, schon gar nicht angesichts einer Band, die getreu ihrem Motto Unsere Musik tritt dich ins Kreuz und sagt: Hör zu, oder wir pusten dich weg von Beginn an mächtig Dampf abließ.
Laut, krachig und zuweilen richtig trashig setzte das um einen zweiten Gitarristen und Ersatzschlagzeuger verstärkte Quartett die Highlights aus zwei LPs in Szene. „Trash City“, „Revolution Baby“, „Tell That Girl To Shut Up“, „Velveteen“ und die umjubelten Gassenhauer „Baby I Don’t Care“, „The Only One“ und „I Want Your Love“ erklangen so überzeugend, als gelte es den Begriff Pop von Grund auf neu zu definieren.
Da paßte einfach alles zusammen:
Das sichere Feeling und die unüberhörbare Spielfreude der Musiker, prägnante Melodien, die jeder unwillkürlich mitsingen mußte, als auch pfiffige Texte, die auf einfache Art die seit Elvis beliebten Themen Liebe. Teenage Idols, gebrochene Herzen, Sehnsüchte und die jugendliche Scheiß-Egal-Stimmung zitierten. Wen sollte es da wohl noch stören, daß Transvision Vamp mit dem Einkaufswagen durch 30 Jahre Popgeschichte fahren und eben alles einladen, was nicht niet- und nagelfest ist?
Nach 80 aufregenden Minuten, zwei Zugaben und der Wiederholung von „I Want Your Love“ waren sich die Teens und Twens in Bonn jedenfalls alle einig: Für diesen Virus gibt es kein wirksames Gegenmittel.