Träume in Rosa
Wer gut gekleidet ist, entscheidet Jan Joswig. Heute vor dem Stilgericht: Sinéad O’Connor
Wer sich am störrischsten verweigert, knickt am spektakulärsten ein. Die rehäugige Introvertiertheitsrebellin Sinéad O’Connor mit ihren buddhistisch geschorenen Haaren (auf Skinhead wäre nie jemand gekommen) wirkte selbst zu Dancebeats zergrübelt. Ihre Karriere über bewies sie erstaunliche Widerspruchsenergie – die sich nie wieder so marktkompatibel verwandeln ließ wie zu ihrem 1990er-Hit „Nothing Compares 2 U“. Im Video zu dem Prince-Cover zog sie unverfroren alle Register der Gefühlsduselei. Dass sie als Kind von ihrer Mutter misshandelt wurde, ließ sie passend durchsickern. Man fühlte sich an die Zeilen der Liedermacherin Bettina Wegner gemahnt: „Sind so kleine Hände, winz’ge Finger dran, darf man nie drauf schlagen, die zerbrechen dann.“ Mit so einem Mitleidshammer provoziert man einen Welthit. Damals musste das Publikum sich noch an Simulationsstrategien gewöhnen. Echte oder falsche Tränen, das wurde zur Glaubensfrage der Fans. Heute interessiert nicht mehr, ob Lana Del Rey ihre 50s-Pin-up-Lippen aufgespritzt hat oder nicht, sondern nur noch, wie hoch die Dosis Botox wohl war.
In der Folge hielt Sinéad O’Connor als anti-amerikanische, anti-päpstliche, katholische Rastafari-Irin und Jesus-Jüngerin die Popwelt auf Trab. Spätestens zu ihrem 2002er-Album Sean-Nos Nua mit irischen Folksongs sah man ihr Hochzeitsglück genau vor sich: Sinéad O’Connor ehelicht Glaubenskrieger Bono, beide in schwarzen Druidenmänteln, an der Orgel: Van Morrison mit den Chieftains als Begleitchor.
Aber zu ihrer vierten Hochzeit kam alles anders. Statt störrisch zeigt sie sich im rosa Kleid zu rosa Cadillac und schwärmt in ihrem Blog von der „dream wedding ceremony“. Ein Ritual, auf das auch Patrioten wie Frank Sinatra, Lana Del Rey und alle anderen guten Amerikaner begeistert schwören. Oder hat sich der irische Trotzkopf, der sich 1990 weigerte, vor einem Auftritt die US-Nationalhymne absingen zu lassen, aus Protest gegen die Kindesmissbrauchsskandale in der katholisch-irischen Kirche in die Arme von Las Vegas und dessen Zelluloidträume geworfen? Dann wäre Sinéad O’Connors bezeichnendstes Accessoire ihr Bräutigam: Barry Herridge arbeitet als Berater für Kinder in Not.
(Kurz vor Redaktionsschluss wurde die Ehe auch schon wieder geschieden ; Anm. d. Red.)
Jan Joswig ist studierter Kunstgeschichtler, wuchs in einer chemischen Reinigung auf, fuhr mit Bowie-Hosen Skateboard und arbeitet als freier Journalist für Mode, Musik und Alltag. Was LL Cool J in den Achtzigern die Kangolmütze bedeutete, ist ihm der Anglerhut.