T’Pau – Ein Hit – Und Was Noch?
Erst "Heart And Soul", jetzt "China In Your Hand" — aber steckt wirklich Substanz hinter den Newcomern aus England? Nach einem Gespräch mit Frontfrau Carol Decker hatte ME/SOUNDS-Mitarbeiterin Michaela Hauke am Ehrgeiz der Gruppe jedenfalls keinerlei Zweifel.
„Die kleine quirlige Frau, die eben auf der Bühne noch mädchenhaften Charme versprühte, ist hinter der Bühne ganz Geschäftsfrau: freundlich aber bestimmt. Die Bezeichnung von T’Pau als Übernacht-Erfolg bringt sie gleich auf die Palme:
„Ich singe seit sieben Jahren. Ronnie spielt seit über zehn Jahren Gitarre. Wir schrieben gemeinsam Songs, verschickten Cassetten und suchten nach den richtigen Kontakten. Während dieser ganzen Zeit, selbst wenn unsere Bands in die Brüche gingen, haben wir nie aufgegeben. Wir haben gearbeitet, Pech gehabt und uns aufgerappelt.“
So ging es auf dem steinigen Weg Stück für Stück, bis Manager Chris Cooke die Gruppe den entscheidenden Schritt weiterbrachte. Nachdem er Songs von Ron und Carol gehört hatte, brachte er die Band zusammen und knüpfte die nötigen Kontakte. Carol weiß, was sie will. Sie ist diejenige, um die sich bei T’Pau absolut alles dreht. Ihre Stimme, ihr Aussehen sind das Markenzeichen der Band. Ihr Image zählt. Aber wie kommt man zu einem Image im Zeitalter der austauschbaren Sam Foxs und Mandy Smiths?
„Ich bin nicht sonderlich sexy.“ stellt sie bescheiden fest. „Ich gehe nicht da raus auf die Bühne und (Sie plustert ihren schmächtigen Körper auf) strecke meine Brüste provozierend raus. Natürlich bin ich eitel und möchte attraktiv wirken, aber ich gebe mir keine Mühe, eine Sexbombe zu sein. Ich verlasse mich auf mein Talent.“
Zu zwei Hits hat es jedenfalls gereicht, aber wozu reicht es noch? Die Charts sind nun mal voll von Bands, die nach einigen erfolgreichen Monaten sang- und klanglos von der Bildfläche verschwinden. Zugegeben, ihr Album BRIDGE OF SPIES verkauft sich im Windschatten der Singles gut, aber an eines glaubt Carol fest: T’Pau kann nur live wirklich überzeugen. “ Wir sind keine Studioband. Wir lieben Konzerte und können live die Leute emotional bewegen. Das Gefühl, das ich beim Songschreiben habe, kommt rüber. Bei ‚China In Your Hand‘ etwa sind die richtig traurig. Einmal haben wir selbst fast mitgeheult beim Spielen.
Wenn die Leute uns live sehen, haben sie Respekt. Nach unseren Konzerten schossen die Plattenverkäufe durch die Decke! An einem Tag verkauften wir allein 20000 Platten.“
Und schon ist sie wieder Geschäftsfrau. Natürlich habe sie auch keine Theorie, warum man erfolgreich ist; sie könne nur die Daumen drücken. Und wie ist es mit dem Einfluß der amerikanischen Plattenfirma? Da T’Pau zuerst drüben erfolgreich waren, drängt sich die Vermutung auf, man habe ihre Musik gezielt auf den Mainstream ausgerichtet, wie er vom US-Radio gewünscht wird. Carol wird sofort energisch. „Die Amerikaner wollen, daß sich alles gleich anhört. Wenn die Plattenfirmen könnten, machten sie mich zu einer zweiten Pat Benatur oder einem Heart-Verschnitt. Aber wir lassen aus uns keine verdammte amerikanische Rockband machen!“
Auch innerhalb der Band werden feste Spielregeln beachtet, ganz demokratisch natürlich. Ron und Carol haben das Steuer in der Hand. Sie sind der harte Kern – und das nicht nur beruflich. Das Problem, eine Beziehung innerhalb der Band zu haben, während die anderen Bandmitglieder ohne festen Anhang auskommen müssen, kehrt Carol achselzuckend beiseite. „Klar gibt es diesen Druck bei den Jungs, aber sie tun mir nicht leid. Wenn einer von ihnen auch mit seiner Freundin eine Band aufmachen will, so steht ihm das frei. Wer’s nicht aushält, soll’s lassen!“