Toy Dolls
Die Zeichen standen auf Sturm: Nervöse Punks, verstärkte Sicherheitsmaßnahmen und eine Münchner Vorgruppe, die wegen vermuteter Neo-Nazi-Aktivitäten vorsichtshalber aus dem Programm gekippt worden war.
Die Vorsicht waltete nicht ohne Grund: In der Hamburger Markthalle war eine Woche vorher der Auftritt der Toy Dolls wegen einer wüsten Saalschlacht zwischen Punks und Skinheads ins Wasser gefallen. In München wurden glücklicherweise keine Stahlstangen geschwungen; es gab auch keine Verletzten, sondern harmlosen Pogo-Fun.
Im Gegensatz zu den Vorbildern der Gruppe (Sham 69, Sex Pistols) enterten keine bierernsten Epigonen die Bühne, sondern eher die Marx Brothers des Punks im Geschwindigkeitsrausch. Als Anführer der Horde mit dem Elefanten-Hit konnte man unschwer den spindeldürren Michael „Olga“ Agar im geschmackvoll abgestimmten Outfit (rote Schuhe, gelbe Socken, weiße Brille) ausmachen. Er ist wahrscheinlich der einzige Entertainer, der die Zunge im exakten Rhythmus seiner Brachial-Soli bewegen kann, wenn er mit nacktem Oberkörper AC/DC parodiert.
Einen sicheren Blick für die kleinen Probleme des Alltags beweisen die Toy Dolls dann auch, wenn (H) Agar der Schreckliche im breiten Newcastle-Slang die herzzerreissende Geschichte über den aussichtslosen Kampf gegen die Spinne im Schlafzimmer erzählt.)‘. .“bis sie mir direkt in die Augen blickte.“) Ähnlich wie die Marx Brothers es liebten, Etabliertes aufs Korn zu nehmen, drehen die Toy Dolls die „Blue Suede Shoes“ durch die Müllpresse oder machen alte Shadows-Nummern dem Erdboden gleich. Neben solchen Einlagen bietet die Gruppe zwar musikalisch nichts umwerfend Neues, aber dafür pures Entertainment bei Tempo 100. Als letzte Nummer wird natürlich der Dickhäuter „Nellie“ losgelassen, der bereits die offiziellen Charts stürmte.
Der Elefanten-Text ist übrigens 50 Jahre alt. Denn: „Ich suchte etwas, das zu dem Oaah-Chor paßte — und da fiel mir der alte Kinderreim ,Nellie The Elephant‘ ein“, so Michel Agar, der im Punk-Jahr 1977 die Toy Dolls in Newcastle gründete.
Von den Münchner Punks, aber auch einigen älteren Damen und Herren, die sich wohl wegen des Hits in die volle Alabamahalle verirrt hatten, wurde die Gruppe gefeiert. Fun-Punk mit Augenzwinkern.