Tool, Los Angeles, American Legion Hall
LA’s Kult-Sender ‚KROQ‘ feiert seinen ersten ‚Halloween Kostüm-Ball‘ im ehrwürdigen Veteranenheim neben der Hollywood Bowl. Die hippen Kinder Kaliforniens präsentieren sich als Monster, Hexe, bestrapste Krankenschwester, Elvis oder Queer Queenie und wollen an diesem Abend vor allem eins: Spaß. Und so ist es den Kids eigentlich egal, welche Band hier und heute aufspielt, solange es nur „cool“ ist, dabei zu sein. Man tanzt zur Musik aus der Konserve, labt sich an Überteuertem Dünnbier oder betreibt Fleischbeschau. Gravity Kills, Amerikas angesagteste Newcomer in Sachen Industrial-Rock, erleben denn auch einen eher zwiespältigen Abend. Dabei macht das Quartett aus St. Louis im Grunde alles richtig: Eine energetische Show, originelle Kostüme, ein Depeche Mode-Cover (‚Personal )esus‘) und Songs wie ‚Guilty‘, ‚Blame‘ oder ‚Enough‘, die derzeit im College-Radio rauf und runter gedudelt werden. Dennoch herrscht mehr Andrang an der Bar als vor der Bühne.
Schließlich legt sich eine Welle aus sphärischen Sounds und knisternder Spannung über das Auditorium. Mit nackten, rot geschminkten Oberkörpern wirken Tool wie kleine Teufel, die zum druckvollen Double Bass-Sound von Drummer Danny Carey in eine Art Trance verfallen. Das Publikum steht vor einem Kraftfeld aus Wut und Impulsivität. Während Gitarrist Adam Jones und Bassist Justin Chancellor zu Statisten ihres eigenen Vortrags werden, wächst der unscheinbare Maynard James Keenan vollends über sich hinaus. Er verfällt in wilde Zuckungen und echsenhafte Bewegungen. Die Bühne wird zum Schlachtfeld, wobei Maynard jeden fiktiven Dämon mit verbalen, messerscharfen Krallen besiegt. Eine merkwürdige Aura, wie sie intensiver kaum sein könnte. Dabei ist dies nicht mal eine reguläre Show, sondern nur eine einstündige Präsentation des neuen Albums ‚Aenima‘, die lediglich durch ‚Prison Sex‘ und ‚Sober‘ vom Vorgänger ‚Undertow‘ angereichert wird. Kaum auszudenken, was erst ein vollständiges Set bewirken würde. Tool sind die Band der Stunde. Hierzulande werden wir uns davon leider erst im Mai überzeugen können.