Tom Waits


Der Entertainer in Arbeit: Tom Watts entdeckt sich im Megafon neu.

Wenn es überhaupt noch eines Nachweises bedarf, dass Tom Waits ein Künstler von herausragender Eigenartigkeit ist, dann sind die 120 Minuten im Berliner Theater des Westens Einsa-Anschaungsmaterial: Waits lässt Arme und Beine nach vorne schnellen, winkt dem Publikum zu und grinst dabei abartig. Zum Finale findet er den Backstage-Ausgang nicht, hüpft wie ein Derwisch von der einen zur anderen Bühnenseite – vergeblicher Abgangsversuch, Zugaben! Was zwischen diesen beiden Szenen passiert, sollte den Ruf des 54-jährigen Musikers und Schauspielers als Entertainer in Arbeit festigen. Ein seitenverkehrtes Stück „Work in progress“ : Es beschreibt die Entwicklung vom jungen Sängerund Pianisten der 70er Jahre, der es den Alten gleichtun will, zum zunehmend experimentierfreudigen Geräusche- und Liedproduzenten. Waits verschwendet keine Sekunde des Abends mit einer Greatest-Oldies-Show. Der Großteil des Programms speist sich aus den Songs des aktuellen Albums REAL GONE. Die drei ausverkauften Berlin-Shows stehen am Anfang einer nur acht Konzerte umfassenden Europa-Tournee. Mehr Waits gibt’s diesmal eben nicht. Dafür hat so ein Konzert die Intensiv-Garantie. Waits ist ein Mann des Sich-Verausgabens. Er bellt, beißt, barmt, knarrt, gurgelt, er zischt und stottert, und er raspelt mit seiner Stimme Bluesholz. Er fährt Marc Ribots lyrischen Gitarrenerkundungen mit voller Kehle ins Kontor: „I’m burning up all this pain /you gotta make it rain /you gotta make it rain.“

Zum Ende des Songs schnappt er sich ein riesiges Megafon und verschwindet mit seiner Stimme im metallenen Rund. Himmel, jetzt hat er sich auch noch Tanzschritte dazu ausgedacht! Dazu rumpeln die in Heimarbeit eingesungenen Rhythmen in voller Pracht vom Band, die Band (neben Ribot: Bassist Larry Taylor und Drummer Brain) hält das Unternehmen Real Gone im Fluss. Nach zwei Stunden will kein Mensch Waits gehen lassen. Am Ende hören wir „Shake It“, einen blendenden Boogie. „Jockey Füll Of Bourbon“, die finale Zugabe, ist still und voller Dynamik. So etwas gelingt nur ganz wenigen.

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