Tom Petty: Trauer Power
Ein Jahr litt der Amerikaner Tom Petty (46) unter der Scheidung von Ehefrau Jane. Jetzt rockt er wieder - gemeinsam mit den Heartbreakers auf einem neuen Album.
Tom Petty verschwendet keine Energie. Wenn er einen Raum durchquert, versucht er mit dem geringstmöglichen Aufwand an sein Ziel zu kommen. Gehen kann man das kaum nennen, eher Gleiten. Deswegen ist der 46jährige langst nicht lethargisch. So entspannt der Mann mit den indianischen Gesichtszügen unter dem dünnen Blondhaar auf den ersten Blick auch wirken mag, so wenig entspricht er dem Klischee des oberflächlichen kalifornischen Sonnyboy. Ein Teil seines Gehirns scheint beständig damit beschäftigt, den Weg des geringsten Widerstandes aufzuspüren. Auf den oberflächlichen Beobachter macht Petty einen eher schläfrigen Eindruck. Dabei ist der Mann hellwach: Die karge Ökonomie seiner Körpersprache tarnt nur den aufmerksamen und scharfen Beobachter.
Der Heartbreakers-Chef ist von seinem Zuhause an der sonnigen Küste Malibus in die City von Los Angeles gefahren, um über sein neues Album zu reden. „Echo“, immerhin das erste echte Heartbreakers-AIbum seit „Into The Great Wide Open“ (1991), markiert für Petty so etwas wie einen Neubeginn. Nicht musikalisch – seine Roots-Rock-Instinkte sind geschärft wie eh und je. Aber in den 15 Songs sind die seelischen Blessuren unüberhörbar, die Petty nach der schmerzhaften Trennung von seiner langjährigen Ehefrau Jane davongetragen hat. „Das merkt man, oder?“ Er läßt ein angedeutetes Grinsen übers Gesicht huschen und signalisiert so, daß es okay ist, über dieses heikleThema zu sprechen: „Ich war lange Zeit ziemlich deprimiert. Aber das bringt eine Scheidung wohl mit sich, und ich konnte nicht arbeiten, als ich so deprimiert war. Nach der ‚Wildflowers‘-Tour (Pettys 1994er Soloalbum; die Red.) tat ich ein ganzes lahr lang erstmal überhaupt nichts.“ Gedehnt erklärt er: „Ich war in dieser schrecklichen Phase, in der man versucht, Bilanz zu ziehen und herauszufinden, was falsch und was richtig gelaufen ist. Ich kam nur langsam wieder auf die Beine. letzt bin ich irgendwie darüber hinweg.“ Das Album beleuchtet die Trennung von allen Seiten. Gefühle wie Trauer und Enttäuschung werden ebenso artikuliert wie nackte Wut und Verzweiflung. „Echo“ scheint echte Trauerarbeit. Petty nickt: „Es war gesund, wieder zu arbeilen. Viele Leute glauben, daß Kunst aus tiefer Verzweiflung entsteht. Ich glaube, sie wird zumindest davon inspiriert. Dabei ist es ein lähmendes Gefühl. Du bist nur noch ein halber Mensch, wie verstümmelt. Ich wollte bestimmt kein Album über meine persönlichen Probleme machen. Aber es war unmöglich, nichts davon einfließen zu lassen. Und ich versuchte auch erst gar nicht, es draußen zu halten. Es ist, was es ist.“
Pettys Texte sind im Laufe der Jahre immer persönlicher geworden: „Ich bin nicht mehr so zurückhaltend. Heute hinterfrage ich ein neues Lied nicht mehr lange. Ich schreibe nicht mehr annähernd so viel um, wie ich das früher getan habe. Wenn die Nummer nicht gerade schrecklich ist, lasse ich den Song erstmal ruhen und quäle mich nicht mehr lange damit herum. Wenn du nicht auf Anhieb das triffst, was du sagen willst, kommt meistens auch nichts Gutes dabei heraus. Es kommt dann kaum noch von Herzen und wirkt irgendwie unecht.“ Trotz seiner düsteren Untertöne ist „Echo“ kein depressives Album. Dafür kommt die Musik viel zu dynamisch und kraftstrotzend daher. Lange nicht klangen die Heartbreakers so zupackend, direkt und schnörkellos. Kein Wunder. Als die Band ins Sudio ging, um „Echo“ einzuspielen, hatte sie gerade 20 gefeierte Auftritte im „Fillmore West“ in San Francisco hinter sich und war dementsprechend in Topform. Dabei waren die Heartbreakers immer schon mehr als nur bloße Begleitband. Selbst an Pettys zwei Soloalben, „Full Moon Fever“ und „Wildflowers“, sowie an dem Soundtrack zu „She’s The One“ waren jeweils fast alle Mitglieder der Gruppe beteiligt. Nun also, nach acht langen Jahren Pause, wieder eine richtige Band-Platte. Petty findet, daß das längst überfällig war. „Ich wollte, daß es diesmal wirklich eine Platte der Heartbreakers wird“, verkündet er. „Es ist schon so lange her, daß wir unter der Prämisse zusammengekommen sind, daß jeder gleich stark an der Platte interessiert ist und jeder wirklich hart daran arbeitet. Die Heartbreakers sind ja sowieso immer auf die eine oder andere Weise mit mir im Studio, egal was ich aufnehme.“ Dabei hätte bei dem sehr persönlichen Grundthema von „Echo“ ein weiteres Soloalbum doch durchaus nahegelegen. Petty: „Wir wollten diese Bandplatte. Im Unterschied zu den Soloalben spielen die Heartbreakers nicht nur, jeder einzelne bringt sich auch selbst stark ein. Wir haben uns für die Aufnahmesessions absichtlich keinen Produzenten genommen. Mike (Campbell, Gitarrist der Heartbreakers und hingjähriger Co-Produzent Pettys; die Red.) war auch der Toningenieur des Albums.“ Und Pettys Co-Produzent Rick Rubin? „Der kam erst am Schluß dazu, um beim letzten Schliff zu helfen. Wir hatten zuviele Songs aufgenommen und wußten nicht, wie wir das zusammenstreichen sollten.“
Seit seiner Jugend spielt Petty mit Campbell und Keyboarder Benmont Tench zusammen. Bassist Howie Epstein stieß 1982 dazu. Und die beiden „Aushilfs“-Heartbreaker, der Drummer Steve Ferrone – er ersetzte 1994 Gründungsmitglied Stan Lynch – und Gitarrist Scott Thurston, sind bereits länger dabei als manche feste Mitglieder in anderen Bands. Neben ihren erstklassigen Fertigkeiten als Solisten glänzen die Heartbreakers vor allem im Mannschaftsspiel – Polit-Privatier Oskar L. hätte seinen Spaß. Das schlafwandlerisch sicher eingespielte Team versetzt selbst den Chef nach all den Jahren noch in Erstaunen: „Es ist fast schon beängstigend“, meint Petty, „ich zeige ihnen einen neuen Song, und 20 Minuten später ist er fertig. Sie fragen nur: ‚Okay, und was hast du sonst noch?‘ Nimm nur ‚Swinging‘ – es wurde aus dem Stegreif geschrieben. Wir wollten eigentlich an einem anderen Lied arbeiten. Dann kam ich mit diesem neuen Song an, und die Jungs stiegen gleich darauf ein. Ich sagte die Akkorde laut an und improvisierte den Text. Und sie meinten: ‚Diesen Song sollten wir für die Platte nehmen‘. Ich sagte: ‚Echt? Okay‘ Wir spielten ihn noch mal, ließen dabei das Tape laufen – und das war’s.“
Genau wie sein guter Freund Bob Dylan erklärt Petty seine Texte nur ungern. „Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sagen: ‚Ich habe gerade ein Lied über dieses oder jenes Thema geschrieben.‘ Wenn jemand so etwas sagt, kann man in der Regel davon ausgehen, daß der Song wirklich schlecht ist. Ich mag nicht über Songwriting diskutieren. Die Bedeutung eines Songs sollte für jeden in dem Moment offensichtlich sein, wenn er ihn hört.“ Pettys Texte bieten jede Menge Freiraum. Meisterhaft versteht er es, exakt soviel offen zu lassen, daß jeder den Song auf seine eigenen Lebensumstände übertragen kann. Petty weiß das und grinst stolz: „Was das angeht, bin ich wirklich gut. Du hast in einem Lied maximal vier Minuten Zeit. Wenn du da zu sehr an einer konkreten Handlung kleben bleibst, hört man sich viel schneller an dem Stück satt.“
Interessanterweise handeln viele Petty-Hits – von „American Girl“ bis hin zu „Mary Jane’s Last Dance“ – von weiblichen Hauptfiguren. Der archetypische Charakter in seinen Songs ist ein Mädchen aus der Kleinstadt, das sich in seiner Umgebung gefangen fühlt und nach Höherem strebt. „Als ich jünger war, fand ich das romantisch“, sinniert Petty über dieses immer wiederkehrende Thema in seiner Arbeit. „Als wir mit den Heartbreakers anfingen, gab es zwar viele Songs über Mädchen, aber oft kamen sie nicht besonders gut dabei weg. Ich habe Mädchen immer gemocht und fand immer schon, daß es da interessante Charaktere gibt – interessantere als bei den Männern. Für die ersten beiden Alben fing ich an, Songs zu schreiben, die den Mädchen ein posiüves Image gaben.“ Was hält Petty von der weitverbreiteten Ansicht, daß nur Frauen gut über Frauen schreiben können? „Gar nichts. Frauen haben oft einen Knacks weg in Bezug auf Frauen. Ich finde es nervig, wenn sich Frauen über Frauen ereifern. Genauso nervig, wie wenn Männer sich über Männer ereifern. Ich schätze, es ist ganz gut und wahrscheinlich auch interessanter, wenn die Geschlechter sich gegenseitig beobachten und einander kommentieren.“
Pettys Lieder über Kleinstadtaußenseiter, die ausbrechen wollen, haben eine autobiographische Seite: „Klar, ich bin ja selbst in so einer Kleinstadt aufgewachsen“, erinnert sich das Cherokee-Halbblut, das seine Kindheit in Gainesville/Florida, verbrachte: „Mir wurden die Einschränkungen, denen man dort unterworfen ist, schon früh bewußt. Durch das Fernsehen erfuhr ich plötzlich viele Dinge. Im Fernsehen passierte alles mögliche – in Gainesville nicht. Natürlich gibt es auch viel Gutes an solchen Städten. Aber ich gehöre nicht zu denen, die damit zufrieden sind, sich dort niederzulassen.“
Pettys Liebe zum Rock`n`Roll begann, als er noch nicht mal ein Teenager war. Ausgelöst wurde sie durch eine persönliche Begegnung mit niemand Geringerem als Elvis Presley, der 1962 nach Gainesville kam, um dort einige Szenen für seinen Film „Follow That Dream“ zu drehen. Der neunjährige Tom lungerte am Set herum – von diesem Tag an war es um ihn geschehen. „Elvis bedeutete mir als Kind sehr viel. Allein der Gedanke, daß dieser Typ genau wie ich aus ärmlichen Verhältnissen kam und einfach losgezogen war, um etwas aus sich zu machen. Und das auch noch, indem er etwas ziemlich Cooles tat, anstatt durch irgendwelche krummen Touren oder als heuchlerischer Politiker vorwärtszukommen.“ Als dann die Beatles auf der Bildfläche erschienen, war die Sache klar: Petty übte Gitarre, bis die Finger bluteten, und dilettierte als juveniler Poet. Schon die zweite Station seiner Musikerkarriere führte dann zur ersten Inkarnation der Heartbreakers. Nach der Highschool-Kapelle Epics landete Tom bei den Lokalheroen Mudcrutch, denen auch Mike Campbell und Benmont Tench angehörten. In den frühen siebziger Jahren zogen die hoffnungsvollen Burschen aus Florida nach Los Angeles, um möglichst umgehend Stars zu werden. Ihr einzige Single, „Depot Street“, floppte jedoch. Petty feilte zunächst weiter an seinem ITandwerkszeug, indem er bei den Produzenten Denny Cordell und Leon Russell als Songwriter in die Lehre ging. Los Angeles war für ihn überdies eine gute Schule, was die Fallstricke des Plattenbusiness betrifft: „Wir bekamen den ganzen Mist aus erster Hand mit“, erinnert sich Petty. „Bands, die gerade ihre erste Platte draußen hatten, sich in Limousinen rumkutschieren ließen und protzige Business-Parties schmissen. Dabei waren sie furchtbar, und jeder wußte, daß sie es zu nichts bringen würden. Jeder außer ihnen. Lind wir sahen Bands, die sich nach dem Motto verkaufen ließen: Wenn ihr euch so und so anzieht und das und das macht, dann seid ihr auch erfolgreich.‘ Wir hüteten uns vor so was. Wir machten einfach nur unser Ding.“
Was nicht verhinderte, daß Petty und seine Band in der New Wave-Schublade landeten, kurz nachdem 1976 ihr Debütalbum erschienen war. Wie viele Musiker hatten sich auch die Heartbreakers von Sixties-Helden wie den Byrds und den Animals inspirieren lassen. Dadurch gab es so etwas wie eine gemeinsame Basis. Petty: „Trotzdem war es seltsam, mit diesen New-Wave-Typen in einen Topf geworfen zu werden, aber wir konnten einigermaßen damit leben. Mit denen stimmten wir zumindest im Geiste überein. Unserer Ansicht nach war die Rockmusik richtig schlecht geworden. Wir konnten es kaum mit ansehen, wie die Musik, an die wir glaubten, verwässert und völlig kommerzialisiert wurde. Aber wir fühlten uns der New- Wave-Szene nie zugehörig. Trotzdem war es ein ziemlich cooles Gefühl, als ‚alternative‘ zu gelten.“ 1979 veränderten sich die Dinge schlagartig, als das dritte Album der Heartbreakers, „Damn The Torpedoes“, zum Megaseller wurde. Hits wie „Refugee“ und „Don’t Do Me Like That“ wurden von den Radio-DJs rauf und runter gedudelt. Petty erinnert sich: „Es tat regelrecht weh, als wir dann richtig populär wurden und plötzlich das Gefühl hatten, daß uns alle für reiche Rockstars hielten. Dabei hatten wir uns doch überhaupt nicht verändert.“
Tom Petty ist inzwischen Los Angelino durch und durch. LA bietet ihm seit jeher Stoff und Schauplatz für einige seiner besten Songs, von „Free Fallin'“ bis „California“. Selbst ein Feuer, das 1987 sein Haus zerstörte und ihn beinahe das L.eben gekostet hätte, konnte seiner Liebe zu dieser Stadt nichts anhaben. „Los Angeles hat etwas sehr Magisches“, sinniert er, „man könnte meinen, daß es alle Leute, die ihren Kleinstadthöllen zu entkommen versuchen und nicht in das konventionelle Leben passen, nach L.A. zieht. Das hat natürlich Vor- und Nachteile, aber vor allem ist es unglaublich unterhaltsam. Außerdem ist die Stadt ein Konsumparadies. Für einen Konsumfreak wie mich ist das der Flammer. Ich versuche gerade, nicht mehr über die Stadt zu schreiben, denn ich habe das Gefühl, ich habe alles über L.A. gesagt. Aber ich liebe Südkalifornien. Für mich war das immer schon das Land, wo Milch und Honig fließen.“
Als seine schönste Zeit in Los Angeles betrachtet Tom Petty die achtziger Jahre, die er südlich des Ventura Boulevard – im nahegelegenen San Fernando Valley – verbrachte. Gleich um die Ecke residierte Dave Stewart von den Eurythmics, der Pettys „Southern Accents“-Album mit dem kunstvoll orchestrierten Hit „Don’t Come Around Here No More“ co-produzierte. „Damals waren die Heartbreakers auf der Suche nach etwas Neuem“, so Petty, „wir hatten das Gefühl, daß wir mit unserem Stil an einem Endpunkt angekommen waren. Ich mochte Dave, gerade weil er kein bißchen Ehrfurcht vor irgendetwas hatte. Und das half mir dabei, all das abzuschütteln, was ich zuvor gemacht hatte und neue Wege zu gehen.“
An begabten Freunden hat es Petty ohnehin nie gemangelt. Schon zu Beginn seiner Karriere freundete er sich mit dem früheren Byrds-Frontmann Roger Mc-Guinn an. McGuinn hatte Pettys Byrds-Hommage „American Girl“ 1976 im Radio gehört und dabei gedacht, es handele sich um einen seiner eigenen Songs, den er nur zwischenzeitlich vergessen habe. In den späten 70ern lernte Petty zudem Bob Dylan kennen. Aber eine gemeinsame Ebene fanden die beiden erst, als die Heartbreakers 1986 mit Dylan gemeinsam tourten (das Vorprogramm bestritt übrigens McGuinn; die Red.). Auch Alt-Beatle George Harrison gehört seit Mitte der siebziger Jahre zu Pettys exklusivem Bekanntenkreis: „Aber richtige Kumpels wurden wir erst 1986, als ich anfing, mit Bob zusammenzuarbeiten. Da kam auch George öfter mal vorbei.“
Schließlich formierten sich die Gebrüder Nelson, Otis, Lefty, Lucky und Muddy Wilbury, besser bekannt als Traveling Wilburys. Dahinter verbargen sich die Herren Tom Petty, Bob Dylan, George Harrison, Jeff Lynne und – auf dem ersten der zwei Wilburys-Alben – der am 6. Dezember 1988 verstorbene Roy Orbison. Petty, dem jüngsten Mitglied der Band, verpaßten die anderen den schönen Namen Charlie T. Junior, kurz: Muddy. Dylan und Harrison hatte Tom von klein auf stets vergöttert. Dennoch: „Sie behandelten mich ebenbürtig, was ich sehr nett fand“, grinst Pett, „dennoch fühlte ich mich immer als ‚der Kleine‘ in der Band, als derjenige, der echt Glück hatte, dabei sein zu dürfen. Ich habe übrigens erst heute morgen mit George darüber gesprochen, daß wir die Wilburys wiederbeleben sollten. Wahrscheinlich sage ich das in jedem Interview, aber es könnte tatsächlich irgendwann mal wieder so weit sein. Vielleicht im nächsten Jahr. Bis Oktober muß ich aber erst mal die Tournee mit den Heartbreakers hinter mich bringen.“
George Harrison wurde für Petty zu einem besonders engen Freund, mit dem er regelmäßig zusammen Gitarre spielt. Sein Einfluß ist deutlich auf Songs wie „Into The Great Wide Open“ zu hören. „George und ich haben irgendwo irgendwas, das uns verbindet, ein früheres Leben oder so was.“ Auch Jeff Lynne wurde zur Konstante in Pettys Musik. Er produzierte unter anderem die Alben „Full Moon Fever“ und „Into The Great Wide Open“. Auf Lynne als Stammproduzent folgte 1994 Rick Rubin, der Petty auch beim Soundtrack zu „She’s The One“ unter die Arme griff. Eine Arbeit, an die Petty mit gemischten Gefühlen zurückdenkt. Er bewunderte den Regisseur Ed Burns, nahm den Auftrag an, sich um den Soundtrack zu kümmern und schrieb ein paar Stücke für „She’s The One“. Als er jedoch auch andere Künstler fragen sollte, ob sie Songs beisteuern wollten, lehnte Petty ab: „Das konnte ja nichts werden, denn ich weiß, daß niemand seine guten Songs freiwillig hergibt. Solche zusammengeschusterten Soundtracks sind echt Scheiße. Ich selbst würde meine Lieder auch nie auf einer Platte neben der Musik von jemandem haben wollen, den ich nicht respektiere. Also nahm ich einfach ein paar Tracks her, die aus den ‚Wildflowers‘-Sessions übrig waren, und schrieb noch ein paar weitere Songs dazu. Am Ende hatte ich auf dem Album alles selbst gemacht.“
Für Petty sind Soundtracks, die nur auf den schnellen Erfolg zielen, symptomatisch für das, was in der heutigen Musikszene schiefläuft. Seiner Meinung nach genießen Eintagsfliegen oberste Priorität. Kontinuierliche Nachwuchspflege dagegen werde sträflich vernachlässigt: „Bei den Plattenfirmen scheint diese Einstellung vorzuherrschen: Wozu sich die Mühe machen, Bands mit Qualität aufzubauen? Nö, bring einfach einen Haufen Zeug heraus und schau, was kleben bleibt. Ich finde, es sind beängstigende Zeiten für die Popmusik. Niemand kümmert sich heute noch um guten Nachwuchs.“ Von all den Bands, die zur Zeit die Fahne des US-Roots-Rock hochhalten, findet Petty Wilco am interessantesten. „Dieser Typ, Jeff Tweedy, ist wirklich gut. Von dem wird man noch hören. Genauso wie von Beck. Aber ich glaube, die meisten Leute, die gerade angesagt sind – auch viele von den richtig großen Namen – werden bald in der Versenkung verschwinden, weil ihre Arbeit einfach keine wirkliche Substanz hat.“
Obwohl Tom Petty zu den Großen in der Welt des Rock zählt, legt er auf seine politischen Überzeugungen nach wie vor größten Wert. So hat er sich schon immer für Greenpeace, Amnesty International und atomare Abrüstung eingesetzt. Und mit Zappas zynischer Devise „We’re only in it for the money“ hielt er es ohnehin nie: „Wenn ich es aufs Geld abgesehen hätte, hätte es genug Gelegenheiten gegeben abzukassieren. Aber genau das konnte ich oft nicht, weil es mich schlicht und ergreifend angewidert hat.“