Tocotronic
Ein angeschrammter Hinterhof in Hamburg. In einem Fabrikloft residiert Rick McPhail mitsamt Familie. Der Sohn sitzt am groben Esstisch, später fragt er nach Pizza. Der Vater bittet nach hinten, wo die Musik gemacht wird. Kabelchaos, Instrumente. Dazwischen kauert Arne Zank. Gemeinsam nimmt sich die noch in Hamburg residierende Hälfte der Popgruppe Tocotronic gut eineinhalb Stunden Zeit für uns.
Dinosaur Jr. – Whatever’s Cool With Me
Arne Zank: (nach einer Sekunde)Dinosaur!
Rick McPhail: Auf der EP ist eine Coverversion von David Bowies „Quicksand“. Ich wusste ewig nicht, dass das nur ein Cover ist.
War Dinosaur Jr. damals relevant für euch?
McPhail: Klar! Habe ich auch live gesehen. In Boston, mit Codeine und My Bloody Valentine. Das letzte Dinosaur-Album war super. Ganz dynamisch, nicht immer dieser Big-Muff-Alarm. Offenbar hat sich J Mascis ein paar neue Pedale gekauft.
Die Antwort – Romantischer Narr
Zank: (erneut recht rasch) Ja, Begemann!
Mit der Antwort!
Zank: Tatsächlich haben Jan und ich den erst als Musiker kennengelernt, als die Antwort vorbei war. Fand ich toll, wie er alleine auftrat. Ich habe ihn leider etwas aus den Augen verloren.
McPhail: Er und ich haben immer die merkwürdigsten Diskussionen. Man kann mit ihm stundenlang über Panzer reden. Dass so ein Schlager-Indie-Typ viel über sowjetische Panzer, aber auch die deutschen Panzer von damals weiß, ist sehr speziell.
Pavement – Trigger Cut / Wounded Kite At :17
Zank: (freut sich) Sonic Youth!
Neeeee!
Zank: Ach, Pavement. Das ist ein schöner Song.
McPhail: Ich habe damals eher harte Sachen gehört, weil ich so pissed off war. Die Erste von Helmet, Melvins, solche Dinge. Pavement war Studentenmusik! Meine Freundin nahm mir mal eine „Best-of“ auf, erst dann fing ich an, das zu mögen.
Zank: Ich bin auch erst zum zweiten Album eingestiegen. Ich musste wohl erst anfangen zu studieren, um es zu verstehen!
1000 Robota – Er sagt
Zank: (wieder so schnell) 1000 Robota. Der Mega-Hit!
McPhail: Ist das das Album, das du mal hier vergessen hast, und das hier dann so lange rumlag?
Zank: Ja. Auch live super.
Der Sänger war immer eine kleine Axt im Walde und hatte einen handfesten Streit mit Tomte. Ist so etwas begrüßenswert?
Zank: Auf jeden Fall freut das einen sehr. Natürlich denkt man manchmal, dass sich jemand um Kopf und Kragen redet, aber in dem Alter ist das doch total in Ordnung. Wir haben den Anton letztens in Wien getroffen.
McPhail: Ich finde es gut, dass sie ihr Maul aufreißen. Ich habe letztens diese Doku über die Band (Utopia Ltd. – Anm. d. Red.) gesehen, das war sehr entertaining.
Ja, Panik – Nevermind
Zank: (schaut zögerlich) Ja, Panik.
(Stille)
McPhail: Nicht meine Tasse Tee.
Zank: Ich habe noch nie eine Platte von denen gehört, aber es ist sicher wunderbar, was die machen.
McPhail: Dieses Denglish hat Dirk angefangen. Mit der weißen Platte und K.O.O.K. Bei denen ist das auf die Spitze getrieben. Ich will jetzt nicht wahnsinnig viel Schlechtes darüber sagen, aber ich kann nix damit anfangen.
Ich mag, dass ihr Englisch nicht englisch klingt.
McPhail: Wäre ja auch bescheuert, nach einem deutschen Satz einen Satz zu singen, der perfektes Oxford English ist. Eigentlich beneide ich deutsche Bands um diese Möglichkeit. So zu tun, als ob sie Briten wären. Wenn man als Amerikaner einen auf Damon Albarn macht, ist das albern. (großes Gelächter)
Fraktus – A.D.A.M.
Zank: (weiß es nicht, rät) Die Türen?
Interessant, dass du das denkst. Laut Konstrukt handelt es sich um eine Band aus den Siebzigern. Zank: Ach, Fraktus!
McPhail: Dafür klingt es zu modern. Da sind Sounds dabei, die es damals nicht gab. Aber es ist beruhigend, dass es nicht ernst gemeint ist.
Zank: Die haben das lange eingefädelt und vor Jahren schon vor Deichkind auf dem Melt-Festival gespielt. Dass man damals Rocko Schamoni nicht erkannte und es vor allem beschissen klang, was man auch auf so einem Festival erst mal hinkriegen muss, das war schon eine Leistung.
Ende Januar erschien das zehnte Tocotronic-Album Wie wir leben wollen – damit feien die Hamburger 20 Jahre Bandgeschichte. In dieser Zeit haben sie sich von Trainingsjacke tragenden Youngsters mit Parolenhang zu smarten Elder Statesmen des deutschen Indie-Pop entwickelt. Tocotronic sind Dirk von Lowtzow, Jan Müller, Arne Zank und seit 2004 Rick McPhail.