Themeninterview: Kate Bush über Schnee


Kate Bush hatte schon immer etwas fürs Pastorale und Wunderliche übrig. "Aerial" von 2005 handelte von Vogelsang und Sonnenaufgang, ihre neue Platte 50 Words For Snow widmet sich winterlichen Niederschlägen. Was will sie uns damit nur sagen?

Kate Bush, Ihr neues Album heißt 50 Words For Snow – aber das glauben Sie nicht wirklich, oder? Dass die Eskimos so viele verschiedene Wörter für Schnee benutzen?
Ich weiß, das ist ein Mythos. Aber als ich vor Jahren davon hörte, fand ich die Vorstellung ganz schön. Finden Sie nicht? Man kann ein und dasselbe Ding von so vielen Seiten aus betrachten! Und irgendwie stimmt’s ja auch, es gibt Schneematsch, gefrorenen Schnee … Je länger man darüber nachdenkt, desto mehr Sinn ergibt die Sache mit den 50 Wörtern. Auch wenn sie ein Märchen ist.

Trotzdem haben Sie eine Platte darüber gemacht. Wie kam’s ?
Ich hatte schon länger die Idee im Kopf gehabt, eine Art Winteralbum aufzunehmen. Dass das explizit von Schnee handeln würde, kam erst später. Jedenfalls blubberte diese Idee lange vor sich hin, plötzlich war der richtige Moment da. Und dann wurde es auf einmal sogar richtig hektisch.

Warum hektisch?
Sie können sich ja vorstellen, dass man ein Winteralbum nicht im Sommer veröffentlichen kann. Und noch ein Jahr warten wollte ich auch nicht.

Was fasziniert Sie so an Schnee? Kindheitsnostalgie?
Vielleicht. Meine Erinnerungen sind eher unscharf – ich weiß noch, wie wir als Kinder durch den hohen Schnee gestapft und mit dem Schlitten die Hügel runtergefahren sind. Und wie es, wenn man Glück hatte, in der Schule schneefrei gab. Ich denke natürlich auch automatisch an Weihnachten, obwohl es da bei uns fast nie geschneit hat. Eher im Januar, Februar. (Kate Bush wuchs in länd­licher Gegend in der englischen Grafschaft Kent auf – Anm. d. Red.)

Große Teile des Albums klingen sehr feierlich und getragen.
Weil Schnee für mich etwas Magisches ist. Optisch gibt es doch nichts Schöneres als eine Winterlandschaft, alle Klänge und Stimmen verändern sich. Schnee kann sehr hartnäckig sein – oder er schmilzt gleich wieder weg. Er kann Dinge begraben – oder einfach nur wie Puderzucker auf ihnen liegen. Er erscheint in so vielen verschiedenen Formen und Aggregatzuständen. Den Zauber, den man als Kind beim ersten Schnee fühlte, den spüre ich heute oft noch.

So schön und naiv klingt nicht alles auf der Platte. Da ist zum Beispiel die Geschichte von der toten Frau, die am Lake Tahoe spukt.
Eine Legende, die mir mal eine Freundin erzählt hat. Von der Dame, die im 19. Jahrhundert im See ertrank und immer wieder den Wanderern erscheint. Im viktorianischen Kleid von damals.

Oder das Lied über die Frau, die Sex mit einem Schneemann hat, der durchs Schlafzimmerfenster geklettert kommt. Und am nächsten Morgen, nun ja, weg ist.
Daran mag ich vor allem: dass man nicht so richtig weiß, ob sie das nun aufregend oder einfach nur bizarr findet. Sie ist auf jeden Fall überrascht! Aber Sie haben vielleicht auch gemerkt, dass nicht ganz klar ist, ob sie das nur träumt.

Eine Geistergeschichte, die an Ihren ersten Hit erinnert, „ Wuthering Heights“. Da kommt auch ein Geist ans Fenster, ein weiblicher. Zufall?
An die Parallele habe ich nicht gedacht. Stimmt aber auch nicht ganz. Die Geister-Cathy in „Wuthering Heights“ kommt ja nicht durchs Fenster hinein. Sie hängt nur draußen rum und nervt die Leute.

Gegen Ende des Albums, im vorletzten Song, erfahren wir dann doch noch die 50 Wörter für Schnee, vorgetragen vom Schauspieler Stephen Fry.
Stephen war der Einzige, der das übernehmen konnte – weil seine Stimme eine so große Autorität ausstrahlt. Einige der Wörter sind ja so albern, dass nur die Art des Vortrags sie retten kann. Ich habe natürlich alle 50 selbst geschrieben. Eine gewaltige Arbeit. Zehn Minuten, bevor Stephen für die Aufnahme ins Studio kam, saß ich immer noch dran.

„Santanyeroofdikov“, „stellatundra“, „hunter’s dream“: Einige sehr schöne Wörter haben Sie da gefunden! Eines hat mich aber besonders verunsichert: „peDtaH ‚ej chIS qo‘“. Was ist das?
Klingonisch! Da hatte ich großes Glück: Ich hatte schon einen Begriff herausgesucht, aber als ich Stephen die erste Liste vorlegte, erzählte er mir, dass er den Mann, der das klingonische Wörterbuch entwickelt hat, persönlich kennt. Von ihm bekamen wir dann noch einige ganz offiziell autorisierte Wörter für Schnee. Mein Klingonisch ist also absolut perfekt!