The Who beinahe auseinander!
Wir waren an einem sehr kritischen Punkt angekommen, die Atmosphäre innerhalb der Gruppe war gespannt und eine Trennung stand kurz bevor“. Diese Worte stammen aus dem Mund Pete Townshend’s, rund ein Jahr nachdem man mit der Aufführung der erfolgreichen Pop-Oper vom blinden, immer flippernden Tommy gestoppt hatte. Auch für die Who, eine Gruppe, die jahrelang als unzertrennlich galt, schien eine Trennung damals die einzige Lösung der kreativen Probleme zu sein. Jeder ging seiner Wege. John Entwistle nahm seine erste Solo-LP „Smash Your Head Against The Wall“ auf. Keith Moon beteiligte sich aktiv an diversen Sessions in Londoner Clubs, plünderte sein Bankkonto, um eine science-fictionartige Hütte zu kaufen und spielte ganz nebenbei eine Rolle in Zappa’s Film „200 Motels“. Pete Townshend, das immer aktive und sehr originelle Gehirn der Gruppe, sass währenddessen an den Kompositionen für eine weitere Who-LP. Ihr kennt sie inzwischen: „Who’s Next“.
Nach vielen Experimenten musste Townshends Gitarre für den Synthesizer und eine Orgel Platz machen. Dadurch entstand für die Who ein neues Problem. Wie konnten sie ihren Plattensound „live“ wahrmachen? Von Pete stammt die Idee, während eines Konzertes zuvor bespielte Bänder ablaufen zu lassen. Dazu sagt er: „Das Arbeiten mit Bändern wirft wieder Probleme auf, denn es erfordert äusserste Prezision und muss deshalb extrem viel und gut geübt werden. Hinzu kommt, dass Improvisationen nicht mehr möglich sind. Wir haben schon daran gedacht, eventuell einen Organisten hinzuzunehmen. Aber ich weiss, dass wir ziemlich komplizierte Jungen sind. Für einen Fünften wäre es wahrscheinlich recht schwierig, mit uns zusammenzuarbeiten“. Deshalb hat man sich endgültig dazu entschlossen, mit Bändern und Synthesizern zu arbeiten. Dazu kommt dann auch noch das „Quad Sound Systhem“ (4 Kanal Stereo), das ebenfalls nicht geringe Veränderungen bewirkt. Auf unsere Frage, ob es nun mit dem alten Repertoire ganz aus sei, antwortete Pete: „Bei Auftritten spielen wir alle Nummern der „Who’s Next“ LP und addieren alte Erfolge wie „Tommy“, „See Me Feel Me“ und „My Generation“.
Die Who, die jahrelang (in der ursprünglichen Besetzung) ihr Publikum ausser Atem hielten, sei es durch das Zertrümmern von Instrumenten oder die sagenumwobene Pop-Oper, unternahmen kürzlich eine Amerika-Tournee, um ihr jüngstes Album persönlich vorzustellen. Da man das heimatliche Publikum nicht vernachlässigen wollte, plante man ein Free-Concert im Londoner Hyde-Park. Die englische Obrigkeit gab für eine derartige Veranstaltung keine Erlaubnis, was natürlich die Frage berechtigte, warum man seinerzeit den Rolling Stones die Genehmigung erteilt habe. Die Behörden waren jedoch der Meinung, die Who seien eben populärer als die Stones und fürchteten einen zu grossen Besucheransturm. Dass diese Antwort ein enormes Kompliment beinhält, realisieren sich die guten Beamten sicherlich nicht. Die Who machten gute Miene zum bösen Spiel und traten als Entschädigung für ihre Fans auf dem „Goodbye Summer“ Festival in Surrey auf, um dort, wenn auch nicht gratis (der Erlös ging den Pakistanischen Flüchtlingen zu) ihre „Who’s Next“ vorzustellen. Bleibt abzuwarten, wann sich die Who in Deutschland die Ehre geben werden.