„The Square“-Kritik: Die Szene, über die seit Monaten die ganze Filmwelt redet


Wo hört der Spaß auf und fängt die Kunst an? Ruben Östlund gibt Antwort.

Wie gut ist der Gewinner der Goldenen Palme des „Festival de Cannes“? So gut, dass man sich vorstellen kann, dass „The Square“ selbst dann nichts von seiner pulverisierenden Wirkung und ätzenden Schärfe verlieren würde, wenn man die allerbeste Szene – die, über die seit Cannes die ganze Filmwelt redet – herausschneiden würde. Allen Ernstes, darüber haben wir diskutiert nach der ersten Pressevorführung, als wir dastanden, noch ganz geplättet von dem Erlebnis, von diesem 7,5-Tonner von einem Film überrollt worden zu sein, und darüber nachdachten, wie Regisseur Ruben Östlund („Höhere Gewalt“) die exzessiv erscheinende Laufzeit von 142 Minuten noch etwas eindampfen könnte.

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In besagter Szene hat ein progressives Kunstmuseum in Stockholm die reichen und schönen Mäzene und Sponsoren zur Soiree eingeladen und konfrontiert sie mit einem muskulösen Mann, der das Tier im Manne spielt, die Anwesenden beschnuppert und provoziert und zusehends für nackten Terror unter den illustren Gästen sorgt. Wie Östlund hier die Spannung aufbaut und die Stimmung kippen lässt, das ist Filmkunst oberster Ordnung. Aber für die Handlung ist die Szene nicht weiter notwendig. Außer dass hier der ganze Film verdichtet wird auf diesen einen Moment.

Bankrotterklärung an die moderne Gesellschaft

Ruben Östlund sieht das Kino als Versuchsanordnung: Er steckt seine Figuren in scheinbar vertraute Situationen und lässt sie dann aus dem Ruder laufen. In „The Square“ geht es um den Museumsleiter Christian, der auch dann noch der schönste Mann im Raum wäre, wenn Brad Pitt und Ryan Gosling neben ihm stünden. Wegen ihm will man sofort lässige Anzüge tragen. Dabei ist Christian, gespielt von dem umwerfend tollen Claes Bang, zwar weltgewandt und souverän, aber auch etwas hohl und leer und, na ja, ein Arschloch. Was er aufs Brot gestrichen bekommt in einer Abfolge von Szenen, die schrecklich und komisch und hinreißend und wahnsinnig zugleich sind. Sie offenbaren auf einer philosophischen Ebene die Kaputtheit der Kunstbranche, sind aber auch eine Bankrotterklärung an die moderne Gesellschaft.

Dabei operiert Östlund mit der Präzision eines Chirurgen, der am offenen Herz operiert: Das offene Herz, das sind wir. Und wir müssen lachen und den Kopf schütteln und uns schämen, während sich alles in „The Square“ auch um „the square“ dreht: eine Kunstinstallation, ein auf den Boden eingezeichnetes Quadrat im Vorhof des Museums, vier mal vier Meter groß, das, wie uns eine Inschrift wissen lässt, ein besonderer Raum sein soll, in dem Menschen Zuflucht finden können und man einander helfen muss. Wie schief das gehen kann, kann man sich denken. Oder eben ansehen in dieser Geschichte der Menschwerdung eines lächerlichen Mannes, der mit sich selbst konfrontiert wird, mit dem Tier im Manne, das für Chaos in seinem Leben sorgt.