The Singles
Und plötzlich geht das Licht an … Monika, jetzt bis du dran: „Monika Tanzband“ (Tapete/Indigo), diesen, äh, beschwingten Gassenhauer von Anajo, dieser verdammt nochmal hochgradig unterbewerteten Band – gibt es jetzt auch als Single. Das ist schön. Noch schöner sind die B-Seiten. Das fiepsende Demo „Süßwasseraquarienfische“, die wahnsinnige Akustikversion des wahnsinnigen „Die Tränen sind immer noch meine“ (mit Gastsänger Roman Fischer], „Ich hol dich hier raus“ [Live im Hamburger „Knust“] plus die Videos zu „Monika Tanzband“ und „Vorhang auf“. Das ist doch was, oder?
Little Barrie sind auch was. Drei Engländer nämlich, die so aussehen, wie man mutmaßlich heute aussehen muß, wenn man ein süßer Junge sein will: So ein bißchen Libertines-haft. immer eine Spur neben der Kappe und leicht verstrahlt. Die Single „Free Salute“ [Genuine/ PIAS/ Rough Trade], die der große Edwyn Collins produziert hat, ist indie-funky stripped down, ähem. Blues-Rock, eine Kreuzung aus The Make-Up, der Blues Explosion und Maroon 5. Könnte klappen.
So, Kinder, jetzt müßt ihr aufpassen. Weil Madsen nämlich die Band ist, von der ihr gerne am Ende des Jahres sagen würdet, daß ihr sie schon im März gekannt habt. „Die Perfektion“ [Vertigo/Universal] ist der Indie-Deutsch-Pop-Hit des immer noch auf sich warten lassenden Sommers. Ein jugendlich wütender Ohrwurm mit dem metallischen Brüll-Gesang von Gitarrist und Sänger Sebastian Madsen. Thees Uhlmann, der ja bekannt dafür ist, nicht zu Übertreibungen zu neigen, sagt über das Madsen-Album, das nächsten Monat kommt: „Die beste Debüt-LP, seitdem ich über Musik schreibe.“ Jetzt weiß ich ja nicht so genau, wie lange Thees schon über Musik schreibt, aber wahrscheinlich hat er ja wieder einmal recht.
Der Schwede an sich ist ja kein schlechter Mensch. Aber manche von denen sollten vielleicht lieber keine Musik machen. Millencolin zum Beispiel. Die haben sich mit ihrer Single „Ray“ (Burning Heart/Indigo] nach ungefähr 270 Punk-Rock-Platten angeblich neu erfunden. Wir aber hören: 15-Biere-drin-Spaß-Festival-Punk-Rock.
Das mit dem Pudel ist gar nicht so einfach zu erklären. Am Anfang war der „Golden Pudel Club“ in Hamburg, dann gab es zwei „Pudel“-Compilations auf Lado, jetzt gibt es eine Reihe mit Vinyl-only-EPs mit relativ toller, mehrheitlich elektronisch generierter Musik „verschiedener Interpreten“ aus Hamburg, und irgendwie steckt Rocko Schamoni hinter dem ganzen. „Pudel Zwei“ (Nobistor/Hausmusik/lndigo) hat sieben Tracks, die zwischen Alleinunterhalter-Disco-Ambiente (Rocko Schamoms „Ennios Onions“) und, äh, Alleinunterhalter-Disco-Ambiente (Patric Catani + Paul mit „Soda Pop Booty New 116“) angesiedelt sind. Irgendwie komisch (in gut] das alles, aber es hat ja auch keiner gesagt, daß das nicht komisch werden würde, oder?
Übertreibt Joss Stone nicht ein bißchen in „Spoiled“ (Virgin)? Ist das nicht ein bißchen zu viel des Ich-trage-mein-ganzes-von-unendlicher-Liebe-erfülltes-Herz-auf-der-Zunge? Ich schlage Mariah-Carey-mäßige Stimmkapriolen und so, weil ich immer noch der I6(plus)jährige total glaubwürdige Nachwuchs-Soul-Superstar bin. Whatever.
Subtle hatten wir ja schon mal an dieser Stelle. Das HipHop-Kollektiv aus Oakland -warum schreibt man im Zusammenhang mit HipHop immer „Kollektiv“ oder „Act“ und nicht „Band“? Das klären wir dann beim nächsten Mal.
Der Titelsong der 12-lnch „The Long Vein Of The Law“ (Lex/Warp/ Rough Trade] ist ein manisch-düsterer Track, der alle 35 Sekunden eine andere Richtung einschlägt. Auf der B-Seite gibt es diverse Versionen des Tracks, unter anderem eine mit Mike Patton („The Long Voice Of The Law“], in der das Stück großorchestral und Fantomas-machen-Ennio-Morricone-nach-mäßig in seine Einzelteile zerlegt wird.
Es soll hier endlich einmal gesagt werden, weil es nämlich kein Forum gibt für die Aufklärung schöner Irrtümer. Das siebte Tocotronic-Album PURE VERNUNFT DARF NIEMALS SIEGEN ist ein verdammt großartiges, das auch von dem, der das hier jetzt schreibt, öffentlich unterbewertet wurde. Und Tocotronic ist eine Band, die – entgegen der üblichen Handlungsweise – mit zunehmendem Alter immer besser wird. So, jetzt ist es raus. „Gegen den Strich“ (L’Age Dor/Rough Trade] kennen wir vom Album, die Sammlung seltsamer Remixe (jeder Tocotronic darf einen machen] noch nicht. „Aber hier leben, nein danke“ wird im „Bierbeben Remix“ zum Acid-quietschenden Floorfiller inkl. Mädchengesang. „Tag der Toten (Arne Zank RMX]“ wird elektronisch angefixt. Neu-Stammitglied Rick McPhail macht mit seiner Band Glacier aus „In höchsten Höhen“ einen Joy-Oivision-haften Düster-Indie-Rocker mit englischem Gesang. Und Phantom/ Ghost (Dirk von Lowtzow und Thies Mynther] verwandeln das Titelstück in ein esoterisches (inkl. Vogelgezwitschter] latin-geflavourtes Tanzvergnügen. Ja genau. Tanzvergnügen hat man ja früher gesagt, heute sagen sie Disco dazu.