The Singles
Schon klar, wie Ambulance Ltd. ihre Musik meinen: Elliott-Smith-Songs mit psychedelisch-ambienten Spacemen-3-Sounds auf die voll coole Seite rüberbringen. „Primitive [The Way I Treat You]“ (Domino/Rough Trade] tut genau das und verschreckt dabei auch Leute nicht, die sich nicht für Musik interessieren. Aber irgendwie klingt das alles ein bisschen zu kalkuliert, zu cool, zu falschrum. Weg damit.
Es gibt da so Leute, die behaupten, dass andere Leute, die zum Beispiel den Singles-Kasten vollschreiben, ein, ich zitiere wörtlich: „Genreproblem“ haben. Was das sein soll? Ein Problem mit einem bestimmten Genre halt. Mit Americana-Folk zum Beispiel sollen manche Leute ein Problem haben, weil sie sich nicht in die Hose machen vor Erregung über – zum Beispiel – den unfassbar geilen, voll krassen Rufus Wainwright. Jetzt sagen aber die Leute, die angeblich dieses Problem haben, dass die ganz anderen Leute, die es freiwillig gewählt haben, sich auf ihren Platten mit dem Songformat herumzuschlagen, dann gefälligst auch gute Songs schreiben sollen. Wie Andrew Bird zum Beispiel: „Sovay“ (Fargo/Rough Trade) ist so einer. Ein guter Song, weil er eine Geschichte erzählt und weil Bird dabei nicht rumheult. Dazu gibt’s vier Live-Tracks, schön möllern mit Streichern, ätherisch, ambient, aber nicht larmoyant. Baby.
Jetzt kann man von den Chemical Brothers halten, was man will: Zum Beispiel, dass diese verdammte Big-Beat-Scheiße seit (mindestens!) vorvorgestern sowas von drüber ist, dass man Menschen, die dieser Irrlehre noch aktiv nachhängen, gerne dabei helfen würde, einen anderen Job zu finden. Aber: „Galvanize“ (Freestyle Dust/Virgin] mit seiner orientalischen Hookline und dem Beitrag von Berufs-Gast-Rapper Q-Tip geht dann doch irgendwie voll okay.
Wie kannst du bei Erasure ruhig sitzen bleiben, wenn dir Schlagerfuzzys Tränen in die Augen treiben? Die Wahrheit überVince Clarke und Andy Bell geht nämlich so: Seit 20 Jahren machen die beiden Schlagermusik und hüllen diese in ein elektronisches Kleidchen, damit niemand merkt, dass das in Wirklichkeit Schlagermusik ist. Und „Breathe“ [Mute/Virgin] ist in Wirklichkeit was? Schlagermusik. Genau.
Gleiches gilt für „Ride It“ (Virgin), die neue Single von Geri Halliwell, die in den neunziger Jahren einmal in einer ziemlich bekannten Mädchen band mit rumgehüpft ist, die sich Spiee Girls genannt hat. Und Halliwell nennt Lieh jetzt – dem Trend zum Vornamen folgend (Kylie, Emma) – nur noch Geri. Diese Single ist Latin-infizierter Disco-Schlager-Müll mit hohem Wegwerffaktor.
Der neueste Marketing-Trick der Plattenindustrie, courtesy of der letzten antikapitalistischen Bastion in der internationalen Popszene: Morrissey. „I Have Forgiven Jesus“ (Attack/Sanctuary/Rough Trade] erscheint nicht nur als Maxi-Single, sondern auch als Mini-Single. Das heißt, dass da neben dem relativ famosen, vom Album bekannten Song auf der A-Seite nur noch ein anderer Song mit drauf ist. Und zwar „No One Can Hold A Candle To You“, ein Cover des berühmten Songs der berühmten Band Raymonde aus Manchester? Was, Sie kennen Raymonde nicht, schämen Sie sich!
Das ist dann so was wie das Gipfeltreffen des ambitionierten HipHop. Prince Po [von Organized-Konfusion-Ruhm) und Raekwon [von Wu-Tang-Clan-Ruhm] machen auf „Bump Bump“ (Lex/Warp/Rough Trade) zusammen rum und lassen sich dabei von Madlib Ivon Madlib-Ruhml produzieren. Der Titeltrack und die B-Seite „Runwitit“ sind ultra-reduzierte, low-down, aber catchy Elektro-Frickeldinger mit Raps. Beides gibt’s auch noch als Instrumental- und A-cappella-Version – das volle Programm also.
Tony Rocker ist ein gern gesehener Gast. Nicht nur am Popkomm-Stand dieser Zeitschrift, sondern auch in dieser Rubrik. Dass in ihm ein kleiner Prince steckt, hatten wir ja schon längst geahnt und werden in dieser Ahnung von der A-Seite „We’re Doin‘ The Little Boogie“ (Media Records/Zyxl auch gleich bestätigt. Aber in „Go Lower“ auf der B-Seite macht er euch fertig, der Rocker, mit voller Soulfrauen-Crazy-Mama-Gesangsunterstützung.
Das hat man selten dieser Tage: Bands aus Schweden. Deshalb ein herzliches Willkommen für Sugarplum Fairy aus Borlänge, der Stadt, aus der auch Mando Diao kommen. „Stay Young“ [Vertigo/Universal] ist auch wieder so ein Versuch einer schwedischen Band, so zu klingen wie eine britische Band in den neunziger Jahren, die versucht hat, wie eine britische Band aus den sechziger Jahren zu klingen. Und der Versuch einer Plattenfirma, Borlänge (zum Teufel nochmal!) zum neuen Omaha zu machen. Das geht gar nicht, hätten wir früher gesagt.
Jeder, der alle fünf Sinne beieinander hat, wein, dass Dolly Partons „Jolene“ einer der großartigsten tragischen Songs aller Zeiten ist. Jack White weiß das auch. Deshalb covert er seit Jahren bei den Konzerten der White Stripes diesen Song, den es jetzt in einer Aufnahme aus dem .. Empress Ballroom“ in Blackpool vom Januar 2004 als Single gibt. „Jolene“ (XL/Beggars/Indigo) schießt ein bisschen übers Ziel hinaus. Wie inbrünstig-flehend White hier herausschreit, dass Jolene bitteschön damit aufhören soll, ihm gerade, seinen – äh – Mann auszuspannen, grenzt schon an emotionale Selbstparodie.