The Singles


Es ist an der Zeit, eine Lanze für Laith Al-Deen zu brechen. Auch aus Gründen des Distinktionsgewinns. Denn vor ein paar Minuten sind die Indie-Kids Rehm und Gerber ins Zimmer gekommen-angelockt durch die laute, flotte Popmusik, die hier läuft und haben wie aus einem Mundeden Satz „Wir verbitten uns das!“ gesagt. Wahrscheinlich haben sie die Musik gemeint. Wir bleiben aber bei unserer Auffasssung und stehen Laith Al-Deen positiv gegenüber, damit wir weiterhin für einen „total verrückten Hund“ gehalten werden. Auch wenn der flotte Pop der Single „Wie soll das gehen“ (Columbia/Sony BMG) nicht unbedingt der allerbeste Anlass dafür ist.

Die zweite Single aus dem wunderbaren Ellen Allien-Album sool, das komplex-verschachtelte „Out“, wird auf „Out Remixes“ (BPitch Control/Rough Trade) einer Neubehandlung unterzogen. Thomas Muller, Exil-Franzose in Berlin, macht ein basslastiges Ungetüm mit allerlei abstrakten, teils wehtuenden Effekten aus dem Track. Matthew Dear lässt den „Audion’s Out Forlnfants Mix“ als Minimal-Track maximal grooven und sich permanent steigern, ultraweirde Soundeffekte inklusive.

Gegen The Black Box Revelation klingen The White Stripes eher so Celine-Dion-mäßig, aber wahrscheinlich findest du ja Celine Dion sogar gut. Das belgische Gitarre-Schlagzeug-Duo findet im Blues-Rock das, was oftmals verloren geht: die archaische Kraft einer archaischen Musikrichtung, die nach überquellenden Aschenbechern und schimmeligen Garagenwänden riecht. „Live At The AB“ (T For Tunes/PIAS/Rough Trade) hat drei scharfkantige Live-Songs plus die Single „I Think I Like You“, die gerade von den Pittsburgh Pirates zur Baseballspielbeschallung gekauft wurde.

Neulich an dieser Stelle gefordert, jetzt sind sie da: die Remixe des weltbekanntesten Aachener Elektronikacts Elektro Willi und Sohn. Auf „Autoscooter Remixes“ (Modul 8) tun die Remixer(von denen der Autor keinen einzigen Namen vorher gehört hat) das, was ihre Aufgabe ist: Sie machen den Albumtrack „Autoscooter“ tanzbarer in den verschiedensten Idiomen-von Electronic Listening bis Electro-Rock.

Wer nicht bereit ist, für Laith Al-Deen eine Lanze zu brechen, für den stellt wahrscheinlich auch Estelle ein rotes Tuch dar. Dabei ist die Londonerin mit ihrer souligen, karibisch groovenden Pop-Musik, die im Mainstream sehr erfolgreich ist, gar nicht mal I so schlecht. Erinnern Sie sich:“Thou shalt not stop liking a singer just because she has become popular.“ Die Single „No Substitute Love“ (Warner) passt zum wahrscheinlich gerade zu Ende gegangen seienden Sommer. Inkl. Samples von George Michael und Eve.

Wer Dawn McCarthy nicht als Sängerin des „Freak“-Folk-Kollektivs Faun Fables kennt, 1 ist ihr dann vielleicht in ihrer Eigenschaft als Gastsängerin auf dem Bonnie“Prince“ Billy-Album the letting go begegnet. Die EP „A Table Forgotten“ (Drag City/Indigo) könnte für Gewillte den Einstieg in die, ähem. fabelhafte Welt von Faun Fables bedeuten. Der erste Track „With Words And Cake“ führt in die Irre -mit postfeministischen, tanztheatrigem Perkussionsgerassel aus Glocken, Wasserkessel, Tellern und ein paar anderen Utensilien, mit denen du zu Hause keine Musik machen würdest. Die drei anderen: narrativer Verwunschenheitsfolk, manchmal ein bisschen mittelalterlich anmutend. Aber nicht In-Extremo-mäßig, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will.

Obacht: Hier kommt ein Superduo. One Day As A Lion sind Zack de la Rocha(Rage Against The Machine) und Jon Theodore (der Ex-Schlagzeuger von The Mars Volta). Ihre EP,.One Day As ALion“(Anti/SPV)featured langweilige, altmodische Musik, die I man früher einmal Crossover genannt hat. Dann soll de la Rochavon mir aus lieber bei Megafestivals, die von Coca-Cola gesponsert werden, gegen den Kapitalismus anbrüllen.

Apropos Coca-Cola. War das Lied „Hip Teens Don’t Wear Blue Jeans“ nicht einmal Teil einer Werbekampagne für diesen Getränkehersteller? Wobei es heute, fünf Jahre später, an der Zeit ist, dem Urheber dieses Liedes, Frank Popp vehement zu widersprechen: HipTeens werden immer Blue Jeans tragen. Und unhippe Teens auch. Die tragen dann halt unhippe Blue Jeans. Was überhaupt nichts mit Popps neuer Single „Hey Mr. Innocent“ (TV Eye/Cargo) zu tun hat. Die entfernt sich von dem fluffigen, retro-poppigen-Northern-Soul, ist aber schon noch soulig mit weiblichem Gesang (circa Amy Winehouse kurz vor ihrer Rockröhrenwerdung) und ziemlich upfront. Und „Red Bull“ hat ja jetzt auch eine Cola.

Der schönste Nebenschauplatz der politisch motivierten Hamburger Ska-Punks Rantanplan ist folgender: Die Single „Grablied“ (Hamburg Allstyles Recordings/lndigo) und ein paar weitere erscheinen (im Zwei-Monats-Rhythmus) nur als strikt limitierte 7-lnches. Quasi um dem CD-Tonträgermarkt das Sterben zu erleichtern. Ein kleiner Schritt für eine Band, ein Riesenschritt für die musikinteressierte Minderheit.

Die hier ist schon ein bisschen älter, erreichte aber erst jetzt auf verschlungenen Pfaden die Redaktion: „Sparkling Bootz“ (Sycamore Club- UK-Import) ist die erste Single von Roses Kings Castles. Und das ist ein typischer Fall von ….. dahinter verbirgt sich kein Geringerer als (hier Name einsetzen,), seines Zeichens …“ Denn hinter Roses Kings Castles verbirgt sich kein Geringerer als Adam Ficek, seines Zeichens Schlagzeuger der Babyshambles. Ficek spielt einen filigran arrangierten, leicht versponnenen Britfolk, circa Syd Barrettsojo oder Tyrannosaurus Rex minus die Stimme von Marc Bolan.

Alles über die sensationelle Rückkehr von Spiilsbury steht weiter hinten bei der Albumbesprechung, so dass wir uns bei der Single „Lass mich“ (Raboisen Records) einzig und allein auf den „Decalicious Remix“ kaprizieren können. Das Hamburger Elektroduo (Decalicious) macht aus dem Song des Hamburger Elektro-Punk-Duos (Spiilsbury) einen über siebenminütigen Elektrorocker, dersich eine Scheibe bei Digitalism und Justice abgeschnitten hat.