The Rolling Stones: The Rolling Stones – Exile On Main St.
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Die Stones schienen von allen guten Geistern verlassen – und vor allem schienen sie die Gabe verloren zu haben, tighte, mitreißende Songs zu schreiben und diesepräzise,prägnant und auf den Punkt zu performen. Stattdessen nahm sich EXILE ON MAIN ST. beim ersten Hinhören wie ein Sammelsurium aus knochenklapperndem Blues, in Schräglage dahertaumelndem Rock’n’Roll, vogelwildem Country und windschiefem Gospel aus, wirkten die Songs wie flüchtig hingeworfene Skizzen, die Gitarren dengelnd und quengelnd, das Klavier verstimmt, der Beat schlampig polternd, Jaggers Stimme im Mix verschwindend. Doch irgendwann bekamen die Songs Konturen, gewann das (Doppel-)Album an Statur, gab es Stück für Stück seine Geheimnisse preis, seine Magie, die dekadente Grandezza endloser, von Sex und weißem Pulver befeuerter Nächte in den feuchten Kellern der Villa Nellcote an der Cote d’Azur, entpuppte es sich schließlich als das, was es ist und immer sein wird: ein verruchtes, verwegenes, vampireskes Meisterwerk.
ME 8/1972:
„Das Ganze wirkt etwas überladen, die Stones scheinen alles, was sich an Material auftreiben ließ, zusammengesucht zu haben. Ich meine, sie hätten gut daran getan, sich auch diesmal nur auf eine einzige LP zu beschränken.“