The Prodigy: Alt, aber bezahlt


Die angejahrte Technotante The Prodigy sieht einen Weg zurück an die Spitze, geebnet von Erben wie Justice und Pendulum.

„Ach ja: Sprich sie bitte nicht auf ihr Alter an“, sagt die Angestellte der Plattenfirma vor dem Interview. Ein Satz, der dann doch irritiert. The Prodigy, die eitle alternde Diva des Techno? Die Zsa Zsa Gabor des Big Beat? So schlimm ist es dann freilich doch nicht. Ein Kollege hat wohl früher am Tag das mit dem „Old Rave“, dem „New Rave“ und den Fans, die ja die eigenen Kinder sein könnten, einen Tick zu detailliert ausgeführt und damit bei den Briten eine Art Verteidigungshaltung evoziert, die immer noch nicht ganz abgeklungen ist. „Wir kennen uns aus in der Szene, wir gehen tanzen. Wir sind keine Rentner. We don’t just flick around!“, sagt Liam Howlett einmal fast störrisch. Glaubt man ihm ja, und fürs Protokoll: Der Prodigy-Chefdenker ist 37 und damit ein ganzes Stück jünger als etwa Oasis-Kopf Noel Gallagher. Und: Immerhin hat die Vergangenheit seiner Band durchaus Orden an die Brust geheftet. Neben den längst vergessenen The Shamen und der Konzeptkunst-Legende The KLF waren es The Prodigy, die Anfang der 90er dieses eigenartige Thing Called Techno aus den Fabrikhallen des UK holten und mit dem epochalen MUSIC FOR THE JILTED GENERATION ins Bewusstsein der Musikwelt hievten. Ein paar Jahre später sorgten Hits wie „Firestarter“ dann dafür, dass auch die tendenziell gitarrenfixierte Festival-Crowd und schließlich der Mainstream auf Elektronisches steil gingen. Nur ist das auch schon ein Weilchen her, und was folgte, war wenig bis nichts: 2004 erschien mit ALWAYS OUTNUMBERED, NEVER OUTGUNNED ein ausgesprochen spannungsarmes Album, das Howlett als großmäuligen Einzelkämpfer zeigte. Dass die Vokalisten Maxim und Keith Flint sich nun wieder Prodigy-Vollmitglieder nennen dürfen, ist denn auch die zentrale Nachricht, die es zum Comeback INVADERS MUST DIE zu vermelden gilt. Auch sonst übt sich die Band in Rückschau, beschreibt die Gegenwart als eine Art 2.0-Variante ihrer Anfangstage. Ein Teil der neuen Songs wurden das erste Mal auf der traditionsreichen Techno-Sause „Gatecrasher“ getestet, hie und da greift die Platte tatsächlich Früh-90er-Breakbeat-Patterns auf. Die vorsichtige Frage, ob denn da nicht höchste Anachronismusgefahr bestehe, lässt Howlett nicht gelten. „Sollen wir jetzt plötzlich Duhstep machen?“, keift er. „Wir haben einen sehr eigenen Sound und wollen den wieder nach oben bringen.“

Dabei räumen The Prodigy ein, dass auch andere das mit den Beats momentan ganz gut hinkriegen. Vorher sei’s freilich katastrophal gewesen. „Ich hatte in den letzten Jahren echt keinen Bock mehr auf Dance Music.

Alles klang so sauber. In Clubs lief entweder House oder andere langweilige Handtaschen-Mucke“, grummelt Howlett. „Ich mag’s, wenn es schmutzig ist, wenn es knallt und irgendwas mit Sex zu tun hat.“ Und weil dank Ed Banger & Co. Tanzmusik wieder weh tun darf, ergänzt Flint, seien auch ihre Stücke wieder on Top:

„Die Kids, die uns neu kennenlernen, mögen Zeug wie Pendulum und Justice. Und haben in Interviews gelesen, dass die wiederum uns geil finden. So muss es doch laufen.“

Dass mit James Rushent von Does It Offend You, Yeah? ein Vetreter eben dieser Baustelle auf INVADERS MUST DIE mitfriemeln darf, will Howlett aber keinesfalls als Zeitgeistanbiederung verstanden wissen. Eigentlich stehe man nämlich gar nicht so auf dieses Feature-Ding: „Am Ende haben die anderen davon mehr als man selbst, dann ist es sinnlos. Oft klingt’s auch einfach scheiße. Kanye West mit Chris Martin – was soll das? Das haben sich doch Plattenfirmentypen ausgedacht!“ Nicht die allersouveränste Ansage für einen, der sich als innovativ begreift. Vielleicht doch der einsetzende Altersstarrsinn?

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