The Police – Halt, nicht weiterblättern!
Sänger Sting, Gitarrist Andy Summers und Bassist Stewart Copeland kontern selbst dumme Fragen mit klugen Antworten: „Weißt Du“, meint Andy, „wir werden ja so oft gefragt, wie unsere musikalische Synthese zu benennen sei. Seit wir kürzlich in Japan waren, wissen wir es: ‚Honkae‘, japanisch für ‚original‘. Oder auch eine Wortverbindung aus honky und Reggae…“ Weißer Reggae, entstanden in der Welt verruchter Kneipen – das ist sicherlich ein Stück von Police. Repräsentativ für die Musik der Band ist es allerdings nicht. Geboren in den fünfziger Jahren, haben die drei nämlich Rock’n’Roll und Rhythm & Blues mit all ihren Spielarten erlebt. Das dokumentiert ihre Musik genauso wie die in Punk und New Wave wiederentdeckte musikalische Urgewalt und Kraft. Beim Reggae ist es vor allem die motorische Rhythmik, von der sich die Police-Musiker haben anstecken lassen. Und der Vollständigkeit halber sollte noch erwähnt werden, daß auch Klassik- und Jazzelemente in die Police-Synthese mit einfließen. Man spürt sie vor allem im spieltechnischen Bereich; etwa in den – so Andy Summers – „sophisticated chords“ mancher Gitarrenparts. Trotz des breiten Spektrums an Einflüssen haben Police nach den ersten weltweiten Erfolgen überall gegen vorschnelle Kategorisierungen zu kämpfen – wie so viele andere Gruppen auch. „In Amerika mußten wir bei unserem Debutalbum beispielsweise auf die Back-Cover-Collage verzichten. Sonst hätte man uns dort als Punk-Truppe abgestempelt“, klagt Andy Summers, um mit dem gleichen Atemzug unmißverständlich festzustellen, was Police will: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, etwas Neues zu versuchen, eine neue Musik zu spielen.
Police haben die klassische Trioform des Rock (Gitarre / Bass / Schlagzeug) gewählt und schaffen es auch mit nur drei Instrumenten und Stimmen, einen vollen und sehr differenzierten Sound auf die Bühne zu bringen. Viel Freiraum gibt es da für Improvisationen innerhalb der festen Songstruktur, und Spontaneität wird groß geschrieben. Klar geht das manchmal in die berühmte Hose; das Risiko ist für die Musiker größer, als wenn sie Abend für Abend ein festarrangiertes Programm mit eingeprobten Soli abspulen würden. „Sometimes It fucks up“, sagt denn auch Andy ehrlich. „Das hängt halt vom Feeling ab. Wenn man sich schlecht fühlt, dann soll man’s ruhig auch einmal hören.“ Ehrlichkeit ist einer der Werte, für den Andy in Zukunft eine Chance steht; im „Second Movement of New Wave“, wie er sich ausdrückt.
Aber zurück zum Trio: oft genug war zu lesen, Police sei das stärkste Trio seit den legendären Cream und der Jimi Hendrix Experience. Der Vergleich ist gar nicht so abwegig: Auch im Mittelpunkt dieser beiden Suptertrios stand spontante Musik und die Synthese verschiedener Musikgattungen. „Wir könnten spielen wie einst Cream, wir haben’s auch drauf. Aber es war nie unsere Intention, so etwas zu tun“, erklärt Andy Summers. „Durch das Zusammenspiel auf den Tourneen haben wir mittlerweile ganz gut zusammengefunden. Wir beginnen jetzt, richtig in die Materie hineinzufinden, einen Stil zu finden. Sieben Monate sind wir jetzt auf der Bühne, und langsam wachsen wir zu einer unverwechselbaren Band zusammen.“ Schwierigkeiten hatten die Musiker bei der Identitätsfindung vor allem mit ihrer Vergangenheit. „Das Publikum brachte uns anfänglich Mißtrauen entgegen. Ex-Hippies, die im aufkommenden Strom des Punk und Reggae rockten was das Zeug hielt, waren vielen anfangs suspekt“, meint Andy im Hinblick auf seine Vergangenheit bei Eric Burdon und den New Animals, bei Kevin Ayers und Kevin Coyne. Stewart Copeland drumte einst bei Curved Air, während Sting die wenigsten Schwierigkeiten hatte, da er in der Szene ein eher unbeschriebenes Blatt war. Er begann als Sänger in einer Jazz-Rock-Band neben einer Tätigkeit als Sport- und Musiklehrer und mimte die Figur des Mod Ace in der Quadrophenia-Verfilmung. Ein Stück Vergangenheit, das Sting da auf der Leinwand verarbeitet hat? „Nein“, bekennt der Sänger mit der unnachahmlichen Sirenenstimme, „nur eine Rolle, die ich gespielt habe.“ Über eine andere Rolle möchte er gar nicht mehr reden: „Das habe ich nur des Geldes wegen gemacht“, meint er zu seinem Filmpart im „Great Rock’n’Roll Swindle“ von und mit den Sex Pistols.
Der lukrative Weg in die Herzen der amerikanischen Fans fand Police noch vor dem deutschen Durchbruch durch eine auf eigene Kosten und Gefahr organisierte Tournee. Auch dort war ein Song des ersten Police-AI bums das Sprungbrett: „Roxanne“, ein Liebeslied an eine Prostituierte, die ihr Gewerbe aufgeben soll; ein ungeheuer dynamisches Lied mit fast unmerklichen Tempiwechseln und Lautstärkenstufen. Aufsehen hat natürlich auch der Gruppenname gebracht. Was haben sich die Musiker dabei eigentlich gedacht? „Nichts. Es ist ein kurzer und einprägsamer Name“, erklärt Andy. Aber er provoziert doch auch, dieser Name. „Mann, das ist doch ganz klar ironisch gemeint“, ereifert sich die Band. „Mit Sicherheit soll es nicht heißen, daß wir die Polizei lieben.“ Ironische Anzeigen, wie sie beispielsweise in Amerikas Musikgazetten erschienen, sind dennoch in Deutschland undenkbar: „Thanx for making America a Police State“, stand da zu lesen.
Die Texte von Police sind folglich auch ganz woanders zu suchen, haben nichts zutun mit Polizei- oder Staatsgewalt. „Es sind Songs über Beziehungen“, beschreibt es Sting. „Teenager-Melodramen“, witzelt Andy. Und „Masoko Tanga“? „Dazu gibt es eine kleine Geschichte zu erzählen. Der Höreindruck ist sicherlich fantastisch. Aber Sting singt da keinen Text. Wir haben das Album im Studio eines Arztes, eines regulären Doktors aufgenommen. Wir alle waren ein wenig stoned und haben uns hypnotisieren lassen. So entstand ‚Masoko Tanga‘. Und die Stimme betreibt eigentlich nur Lautmalerei.“ Die nahe Zukunft bringt Police zunächst Tourneen durch Japan und Australien. Wird die Band noch Zeit haben, wieder mit Eberhard Schoener zu arbeiten, und wird Sting die Rolle in Schoeners neuem Opernwerk annehmen können? „Einfach wird es nicht sein, das terminlich abstimmen. Aber wann immer wir Zeit haben, werden wir dabeisein.“