The Libertines in Berlin – das würdige Comeback der „best buddies“


Am Samstag, den 4. Oktober 2014, ereignete sich ein lange nicht gehabtes Spektakel: Carl Barât und Pete Doherty traten mit ihren Kollegen Gary Powell und John Hassall als Libertines in der Berliner Arena auf. Wir warfen uns für euch mit ins Getümmel und überstanden dieses unversehrt.

Dieser Samstagabend hatte alles zu bieten, ob man es sich nun gewünscht hatte oder nicht: Moshpits, Bierduschen, Flitzer, Schuhe, Socken, BHs und Gekuschel auf der Bühne und ach ja, Musik war auch mit von der Partie. Der Anlass war der Auftritt der wiedervereinten Libertines. Das bedeutete ein Wiedersehen mit Pete Doherty, Carl Barât und den zwei Nebenakteuren, deren Namen leider all zu gerne in Vergessenheit geraten – Rampensau und Muskelprotz-Schlagzeuger Gary Powell und der elegant gekleidete Bassist John Hassall.

Die Erwartung der Besucher, die sich in den 00er-Jahren höchstwahrscheinlich bereits damit abgefunden hatten, nie wieder ein „Music When The Lights Go Out“ live zu hören, schienen sich in immense Höhen aufgebauscht zu haben und entluden sich schlagartig beim Einmarsch der Band auf die Bühne. Das Pogen begann noch bevor der Auftakt-Song „The Delaney“ angestimmt wurde und nachdem der erste halbvolle Bierbecher nach vorne gesegelt war, folgten daraufhin mindestens zehn weitere. Spätestens nach den Songs „Campaign Of Hate“ und „Vertigo“ hatte sich die Berliner Arena innerhalb kürzester Zeit zu einem schweißnassen, Bier-getränkten Pogo-Fest verwandelt. Die zartbesaiteten Gemüter unter den Konzertgästen, die sich eine halbe Stunde zuvor noch an einem in Richtung Bühne vorbeigedrängelt hatten, ergriffen nun die Flucht in die etwas beruhigteren Randgebiete des Geschehens.

Schließlich verabschiedete sich der mit einem The-Libertines-Schriftzug versehene Banner von der Bühne und legte eine Leinwand frei, die fortan als Projektionsfläche für Videocollagen aus Live-Aufnahmen des aktuellen Auftritts in Schwarz-Weiß und etlichen mal mehr, mal weniger Song-relevanten visuellen Reizen diente. Es begann die „Time For Heroes“, denn Pete und Carl wurden an diesem Abend definitiv als solche gefeiert. Was die Beiden auch taten oder nicht taten, fand enormen Anklang im Publikum. Abgesehen von Pete Dohertys Ansagen, die eher dumpf klangen – dies mag jedoch mitunter dem bedenklichen Sound-Szenario der Arena geschuldet sein, das den ein oder anderen Song in den großen Weiten der Fabrikhalle untergehen ließ. Die Libertines selbst machten es den Fans jedoch auch nicht leicht. Zwischen den Songs wurde grundsätzlich eine Pause eingelegt oder die Gemüter erhitzt, indem die Briten dem Publikum in Form von Instrumental-Fetzen Lust auf mehr machten, um daraufhin den eigentlichen Song noch länger hinauszuzögern. So triezten sich Pete und Carl fröhlich durch die gesamte Show. Zwischendrin ließen sie sich noch Zeit für ein kurzes Pläuschchen unter Kumpels oder aber das obligatorische „Ich hab dich lieb“ der beiden Frontmänner, das sich mit Umarmungen und generell großer Freude an Körperkontakt äußerte. Es sei ihnen verziehen, denn ist es nicht ein herzerweichender Anblick wenn sich zwei Musiker so sehr über eine Reunion freuen?

Ebenso äußerst erfreulich für das Fan-Herz ist es, Pete Doherty so auf einer Bühne zu sehen wie an diesem Abend. Der Mann, dessen Eintritt in den „Club 27“ nicht verwunderlich gewesen wäre, hat seit Beginn des Jahres zum einen ein gesünderes Äußeres erlangt und zum anderen torkelt er nun nicht mehr angetrunken über die Bühne und verzichtet nicht mehr auf Zugaben wie bei so mancher Performance mit seiner Band Babyshambles. Mit einer Menge Elan und einer Ladung Bock auf Musik zeigt er sich selbstbewusst an Gitarre und Mikro und ist für sämtliche Späßchen zu haben. Ob es darum geht nach vier Schuhen zu verlangen, die aus dem Publikum auf die Bühne geflogen kommen sollen – was letztendlich auch geschieht – oder die Zugabe mit „Wir wollen Käsebrötchen“ einzuläuten und eben dieses in die Menge zu pfeffern. Drummer Gary Powell stimmt in die Spaßmacherei mit ein und schmückt seinen muskulösen nackten Oberkörper mit einem kleinem Geschenk von Seiten eines weiblichen Fans, einem BH. Carl Barât gibt sich eher als kühner Rockstar und spielt ein herrliches Akustik-Cover von „The Ballad Of Grimaldi“ während Pete Doherty sich selbst covert, indem er „Albion“, ein Babyshambles-Titel, zum Besten gibt mit Mundharmonika-Unterstützung von best buddy Carl. What became of the likely lads? Eine wiedervereinte Truppe, die nicht nur harmoniert und eine nahezu zwei-stündige Show hinlegt, sondern im Jahr 2014 mit Musik von vor einem Jahrzehnt zu begeistern weiß. Wie es danach weitergeht – drittes Studioalbum kommendes Jahr? – steht auf einem anderen Blatt.

Setlist von The Libertines in Berlin:

1. The Delaney

2. Campaign Of Hate

3. Vertigo

4. Time for Heroes

5. Horrorshow

6. Begging

7. The Ha Ha Wall

8. Music When The Lights Go Out

9. What Katie Did

10. The Ballad Of Grimaldi (Akustik-Cover von Carl Barât)

11. The Boy Looked at Johnny

12. Boys in the Band

13. Can’t Stand Me Now

14. Last Post on the Bugle

15. Albion (Babyshambles-Cover)

16. The Saga

17. Death on the Stairs

18. Don’t Look Back Into the Sun

19. Tell the King

20. The Good Old Days

21. What Became of the Likely Lads

22. Up The Bracket

23. I Get Along

>> Aktuelle Konzerte in Berlin